Union will Sicherheitspolitik zum Wahlkampfthema machen

Dokumentiert, aber unleserlich gemacht: Strafbare Inhalte.

Ein gemeinsamer Entwurf der Innen- und Justizminister von CDU und CSU verspricht, "gegen den Linksextremismus [...] in gleicher Weise wie gegen den Rechtsextremismus vor[zu]gehen"

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Das bayerische Justizministerium bestätigte Telepolis heute Vormittag, dass sich die 19 Innen- und Justizminister, die die Union in den Ländern stellt, am Freitag mit Bundesinnenminister Thomas de Maizière treffen und dort eine gemeinsame Erklärung unter der Überschrift "Ein starker Rechtsstaat für die Sicherheit unserer Bürger" verabschieden wollen. Der Entwurf dazu fordert unter anderem, den Straftatbestand des Landfriedensbruchs so zu ergänzen, dass sich "nicht nur diejenigen strafbar machen, die selbst Gewalt ausüben, sondern auch diejenigen, die sich bewusst einer gewalttätigen Menge anschließen und die Angreifer unterstützen, indem sie ihnen Schutz in der Menge bieten".

Wird die Erklärung bis zum 1. September nicht mehr verändert, versprechen die Innen- und Justizminister darin außerdem, dass sie "gegen den Linksextremismus [...] in gleicher Weise wie gegen den Rechtsextremismus vorgehen" und "Vorbereitungs- und Rückzugsorte linker Gewalt wie die 'Rote Flora' in Hamburg oder die Rigaer Straße in Berlin [...] nicht tolerieren". In diesen beiden Städten regieren allerdings keine Bündnisse, an denen die Union beteiligt ist, sondern eine rot-grüne und eine rot-rot-grüne Koalition.

Wahlkampfstrategie

Aufgrund dieser Strategie gehen viele Medien davon aus, dass die Bekanntgabe des Verbots der linksextremistischen Plattform "Linksunten Indymedia", auf der sich seit Jahren zahlreiche eindeutig strafbare Aufrufe fanden, nicht zufällig am letzten Freitag bekannt gegeben wurde (vgl. "Linksunten.Indymedia" verboten). Dieses Verbot führt wegen der Möglichkeiten zum Hosten von Sites im Ausland wahrscheinlich nicht dazu, dass das Portal dauerhaft offline bleibt. Aber die im Zusammenhang mit ihm vorgenommenen Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmungen könnten dazu führen, dass Doxing-Opfer Personen abmahnen und zivilrechtlich verklagen, denen eine Beteiligung am Betrieb des Portals nachgewiesen wird. Die finanziellen Folgen solcher Zivilklagen könnten für die Täter spürbarer werden als eventuelle strafrechtliche.

Linke und Grüne, die Konkurrenten von CDU und CSU, stiegen auf den sicherheitspolitischen Vorstoß der Union ein und empörten sich über eine Maßnahme, die sie in der Debatte um "Hate Speech" und "Fake News" noch eifrig gefordert hatten (was in Sozialen Medien zu Kommentaren wie: "Die Revolution frisst ihre Kinder" animierte). Die Jugendorganisation der Grünen, die sich sie sich vor zwei Jahren als linksextremistisch darstellte, rief sogar zu "Solidarität mit Indymedia" auf, wozu andere Grüne bislang schweigen.

Folgen andere Gruppen?

Ob dem Verbot von Linksunten.Indymedia Verbote anderer linksextremistischer Gruppen wie der Interventionistischen Linken, folgen werden, ist noch unklar. Die Frage einer Bürgerin nach er Einstufung der Antifa als Terrororganisation tat der deutsche Innenminister gestern als "Kabarettfrage" ab, obwohl man außerhalb Deutschlands durchaus Verbote dieser Subkultur erwägt, die ihre mythologischen Wurzeln selbst in den 1920er Jahren verortet, aber tatsächlich erst in den 1980er Jahren in Deutschland entstand.

Das Heimatschutzministerium von New Jersey listet sie seit gewalttätigen Angriffen auf Anhänger von Donald Trump im Juni offiziell als "domestic terrorist organization" - und eine Petition, die fordert, dass diese Einstufung US-weit gelten soll, liegt mit über 300.000 Unterzeichnern derzeit auf Platz 3 der populärsten Bittschriften an das Weiße Haus.

Dass die Zahl der Unterschrift weiter steigt, hängt auch mit aktuellen gewalttätigen Übergriffen in der kalifornischen Universitätsstadt Berkeley zusammen, wo Vermummte, gegen die die Polizei machtlos wirkte, gestern mit dem Slogan "Whose streets? - Our streets!" durch die Straßen zogen und mit Stöcken auf Medienverteter und Personen einschlugen und eintraten, die sie für politische Gegner hielten - auch wenn diese bereits am Boden lagen. Um bei ihnen als "Nazi" zu gelten, soll bereits das Tragen eines Poloshirts gereicht haben.

Inflationär verwendete Zuschreibung

Dass der Vorwurf "Nazi" inzwischen recht beliebig verwendet wird, beklagte vor zwei Wochen auch James Damore, den Google nach einer SJW-Kampagne entließ: "I'm a centrist", so Damore zu CNN Tech, "and they're calling me a Nazi - that is a real problem." Oft wird die Anschuldigung sogar auf bloße Mahner, Skeptiker, und Dogmenkritiker aus dem linken Lager angewendet.

Durch so beliebige Zuschreibungen haben weiße Antifa-Gewalttäter wie der zwanzigjährige Richard L. aus Ohio auch kein Problem, auf schwarze Trump-Anhänger wie R.C. Maxwell einzuschlagen. L., der zugab, dass die Gewalt allein von ihm ausging, versuchte sie mit der Bemerkung zu rechtfertigen: "I did it because he wouldn’t stop talking about Trump." Auch andere Republikaner und Libertäre werden von Antifa-Aktivisten häufig als Nazis diffamiert - obwohl "Linksunten.Indymedia" am Wochenende auf die gut 20 Jahre alte Unabhängigkeitserklärung für den "Cyberspace" zurückgriff, die von John Perry Barlow stammt: einem Republikaner und Libertären.