Bolsonaro: Entlarvende Enthüllungen und Drohungen gegen Greenwald

Seite 3: "Sehr gut bezahltes Risiko, lol"

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The Intercept hat zwischenzeitlich aber auch einen Tonmitschnitt veröffentlicht und man darf gespannt sein, ob weitere folgen. Darin spricht Staatsanwalt Dallagnol jedenfalls von "guten Nachrichten", wonach Richter Luiz Fux am Obersten Bundesgericht ein Interview mit dem inhaftierten Lula gestoppt hatte, genau 12 Tage vor den Wahlen.

Der Staatsanwalt wies zudem seine Kollegen an, die Angelegenheit so lange wie möglich geheim zu halten, "denn je früher sich diese Nachricht verbreitet, desto eher wird es Einspruch von der Gegenseite geben und desto eher geht die Sache an das Plenum", womit die Versammlung der obersten Bundesrichter gemeint ist. Schon zuvor veröffentlichte Daten hatten gezeigt, dass auch Richter Fux zu dem Kreis derer gehörte, die sich illegal mit Moro und Dallagnol abgestimmt haben.

Doch sind die Enthüllungen nicht allein auf Lula und die Operation "Autowäsche" beschränkt. So hat man sich aus der brasilianischen Justiz offensichtlich gezielt auch in den Konflikt im Nachbarland Venezuela eingemischt und wollte bewusst die Proteste der Opposition dort befeuern.

Da wurde an einer Strategie gearbeitet, wie man unter Geheimhaltung stehende Aussagen angeklagter Ex-Vorstände des Baukonzerns Odebrecht an die Kollegen im Nachbarland weiterleiten könne. Das Problem war, dass man sich gegenüber Ermittlern in der Schweiz und in den USA zur Geheimhaltung verpflichtet hatte.

Der Chef der Firma Marcelo Odebrecht hatte sich als Kronzeuge zur Verfügung gestellt und einen Deal mit Brasilien, der Schweiz und den USA im Rahmen eines Schmiergeldprozesses ausgehandelt, in dem ihm Geheimhaltung versichert wurde. Er kam mit einer geringen Haftstrafe von zweieinhalb Jahren und einer Geldstrafe von gut 17 Millionen Euro davon.

Offensichtlich wollte, so wird aus den veröffentlichten Dokumenten deutlich, der damalige Richter Moro die Geheimhaltung durchbrechen. Der heutige Justizminister wollte die Regierung unter Nicolas Maduro schädigen, da auch in Venezuela Schmiergelder geflossen seien.

Im Chat mit Staatsanwalt Dallagnol sicherte der ihm zu, dass man einen Weg finden werde. Und er regte an - da man die Dokumente nicht einfach öffentlich machen könne -, dass man doch ein paar spontane Ermittlungserkenntnisse nach Venezuela schicken könnte: "Das macht es wahrscheinlich, dass irgendwo auf dem Weg jemand die Infos veröffentlicht."

Der Sonderermittler Paulo Roberto Galvão äußerte zwischenzeitlich Bedenken in dem Gruppen-Chat, dass man damit "einen Bürgerkrieg" befördern könne. "Jede unserer Aktionen kann zu mehr sozialen Unruhen und mehr Toten führen." Für Dallagnol ist das aber eine Sache der Bürger in Venezuela: "Sie haben das Recht, sich zu erheben", sagte der Mann, der offensichtlich mit dem Richter Moro auch in dieser Frage einer politischen Agenda folgte.

Was die Ermittlungen wegen Korruption betrifft, gehen er und sein Kumpel Moro mit zweierlei Maß vor. So unterrichtete der Staatsanwalt seine Kollegen zum Beispiel über Korruptionsermittlungen, die sich gegen Bolsonaros Sohn richten, der in das Mafia-Milieu in Rio de Janeiro verstrickt sein soll. Statt aber Ermittlungen aufzunehmen, macht sich Dallagnol nur Gedanken, wie er in Interviews den "Fragen ausweicht". Er wolle nur Allgemeinplätze von sich geben, obwohl Brasiliens höchster Korruptionsermittler "keinen Zweifel" daran hegt, dass Flavio Bolsonaro in Korruption verwickelt ist.

Dass der Sohn Bolsonaros "auf jeden Fall" darin verwickelt ist, davon ist Dallagnol überzeugt. "Das Problem ist: Wird der Vater das zulassen? Oder schlimmer, was wenn der Vater selbst involviert ist?", fragt er im Chat. Fakt ist, dass der damalige Richter und heutige Justizminister Moro nichts im Fall von Bolsonaro Sohns unternommen hat, um die Ermittlungen wegen dubioser Immobiliengeschäfte und Verbindungen zur Mafia voranzutreiben, schreibt The Intercept. Im Juli hat nun ein weiterer Bolsonaro naher Richter die Ermittlungen sogar unterbunden.

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Und zuletzt hat The Intercept berichtet, dass der Staatsanwalt selbst auch in einen Korruptionsskandal verwickelt sein dürfte. Denn Dallagnol habe sich für einen Vortrag beim Technologie-Unternehmen Neoway bezahlen lassen, während gegen die Firma schon Korruptionsermittlungen im Rahmen der Operation "Autowäsche" liefen. Dass Dallagnol davon nicht gewusst hat, ist unmöglich, schließlich war er der Chefermittler.

Sehr gut bezahlen ließ er sich offenbar auch für ein Treffen mit Spitzenbankern. Eingeladen wurde er von XP Investimentos, unter den Teilnehmern befanden sich auch Vertreter von JP Morgan, Barclays, Goldman Sachs, Deutsche Bank und Santander. Dallagnol sprach dabei im Chat eindeutig von einem "Risiko", aber von einem "sehr gut bezahlten Risiko, lol".

Lula zeigt sich "sehr zufrieden"

Ein Risiko war es unter anderem deshalb, weil sich darunter auch Banken befanden, gegen die er in der Operation "Autowäsche" ermittelte. Dass solche Leute angesichts der erdrückenden Hinweise noch im Amt sind, während die verfolgt werden, die diese Vorgänge ans Licht ziehen, sagt sehr viel über das Bolsonaro-Brasilien aus.

Man darf jedenfalls auf weitere Enthüllungen von The Intercept und Folha de S.Paulo gespannt sein. Die Frage ist, wann angesichts der Enthüllungen das Urteil (12 Jahre Haft) gegen Lula angesichts der illegalen Vorgänge kassiert wird. Als der brasilianische Politologe Emir Sader kürzlich Lula im Gefängnis besuchte, zeigte der sich sehr zufrieden.

"Hat man jemals einen so zufriedenen Gefangenen gesehen?", fragte er Sader, der vom argentinischen Ex-Präsidenten Eduardo Duhalde begleitet wurde. "Das ist so, weil wir alle diese Schurken gerade entlarven", fügte er mit Blick auf die Enthüllungen an.