Bolsonaro: Entlarvende Enthüllungen und Drohungen gegen Greenwald

Seite 2: "Wir haben noch viel Material"

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Greenwald will sich deshalb auch durch die Drohung von Bolsonaro nicht vertreiben lassen: "Ich werde nicht aus diesem Land fliehen", sagte er auf einer Pressekonferenz am vergangenen Dienstag, wie die Zeitung Folha de S.Paulo berichtet. "Diese Zeitung ist erledigt", hatte Bolsonaro sie schon nach seiner Wahl wissen lassen. Damit hatte der neue Präsident gleich demonstriert, was er von Pressefreiheit hält. Er drohte umgehend dem kritischen Blatt, das nun mit The Intercept bei der Enthüllung der diversen Skandale kooperiert.

Tatsächlich hält Greenwald selbst das "Risiko für groß", in Brasilien inhaftiert zu werden. Er und seine Familie leben angesichts der Morddrohungen unter strengen Sicherheitsvorkehrungen und trauen sich nur noch mit bewaffneten Bodyguards aus dem Haus. Trotz allem wollen er und seine Kollegen weitermachen.

"Wir haben noch viel Material", sagte er und kündigte auch an, dass die Enthüllungen noch "eine ganze Weile andauern" und damit für Aufruhr im Land sorgen werden. Schon zuvor hatte er erklärt, "das wichtigste und explosivste Material" sei noch gar nicht veröffentlicht. Betrifft das den Präsidenten Bolsonaro, dessen Sohn schon ins Schussfeld gerückt ist?

Greenwald erhält jedenfalls Unterstützung aus der gesamten Welt. So hat sich der Internationale Journalistenverband hinter ihn gestellt und "aufs Schärfste" jeden Versuch verurteilt, den Journalisten einzuschüchtern. Der nationale brasilianische Journalistenverband FENAJ hat sich genauso gegen die Beschränkungen der Pressefreiheit ausgesprochen wie Reporter ohne Grenzen oder auch spanische Journalistenverbände.

Die Polit-Mafia ...

Im Hintergrund der gesamten Vorgänge steht die Operation "Lava Jato" (Autowäsche) und ein milliardenschwerer Korruptionsskandal. In den Ermittlungen um den Petrobras-Korruptionsskandal hatten sich sowohl der Staatsanwalt Deltan Dallagnol wie auch der heutige Justizminister Moro einst einen Namen gemacht. Die Handys der beiden wurden ebenfalls gehackt. Und es war Moro, der den in Brasilien beliebten ehemaligen Regierungschef Lula in einem von Unregelmäßigkeiten geplagten Verfahren ins Gefängnis brachte.

Die bisher von The Intercept und Folha de S.Paulo veröffentlichten Dokumente zeigen auf, dass es eine illegale und gezielte Zusammenarbeit und Absprachen des früheren Richters und heutigen Justizministers mit der Staatsanwaltschaft gab, um Vorgehen und Beweise im Verfahren gegen Lula entsprechend anzupassen. So titelte sogar die Wochenzeitung Veja, die zuvor stets die Handlungen des Richters im Fall der Operation Autowäsche gelobt hatte, mit Blick auf die Enthüllungen: "Neue Dialoge decken auf, dass Moro illegal Autowäsche-Aktionen ausgerichtet hat."

Mit dem Vorgehen gelang es in dem Verfahren, Lula international als "Pate" einer "Polit-Mafia" darzustellen, "deren Mitglieder den halbstaatlichen Ölkonzern Petrobras und andere Staatsunternehmen von 2003 an um Milliarden bestohlen haben, um mit dem ergaunerten Geld die Macht der PT zu zementieren und sich persönlich zu bereichern", wie die FAZ zu dem Prozess schrieb.

... und unkritische Berichterstattung

Warum diesen unkritischen Artikel ausgerechnet der "Korrespondent für Italien, den Vatikan, Albanien und Malta mit Sitz in Rom" verfasste, ist das Geheimnis der FAZ. Derweil titelte auch die konservative Zeitung, geschrieben von einem Journalisten mit Sitz in Brasilien, von einer "schmutzigen Operation". Und auch sie fügt im Untertitel an: "Der größte Korruptionsskandal in Brasiliens Geschichte nimmt eine neue Wendung - war die Anklage gegen Lula da Silva ein abgekartetes Spiel?"

Interessant ist auch, wie Moro sich bisher aus der Affäre zu ziehen versucht, der an Rücktritt natürlich nicht denken will, den die Opposition logischerweise fordert. Er stellt sich als Opfer eines Hacker-Angriffs dar, zweifelt aber gleichzeitig die Echtheit der Chat-Nachrichten an. "Ich weiß nicht, ob sie manipuliert wurden, denn ich hebe die Originale nicht auf", erklärte er im Senat.

Jeder, der mit Telegram arbeitet, weiß aber, dass alle Nachrichten rückverfolgbar sind, wenn sie nicht gelöscht wurden. Und das war zumindest lange nicht der Fall, sonst wären die Hacker nicht an das Material gekommen. So stellt sich die Frage, ob Moro sie dann gelöscht hat, nachdem ihm klar war, dass sein Handy gehackt wurde.