Kritik am Höcke-Urteil: Warum Meinungsfreiheit uneingeschränkt gelten muss
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Thüringischer AfD-Chef wurde wegen Nazi-Parole verurteilt. Das wird allgemein begrüßt. Dabei ist es kein gutes Zeichen für unsere Demokratie. Ein Kommentar.
Björn Höcke ist am Dienstag vom Landgericht in Halle zu einer Geldstrafe in Höhe von 13.000 Euro verurteilt worden. Der Vorsitzende der Thüringer AfD hatte im Mai 2021 bei einer öffentlichen Rede die Worte "Alles für Deutschland!" verwendet. Dieser Satz war auf dem Dienstdolch der SA (Sturmabteilung) der NSDAP eingraviert.
Höcke alle Grundrechte absprechen?
Andere Parteien in Thüringen haben das Urteil begrüßt. Die Linke-Fraktion im Landtag sieht die Verurteilung, die allerdings bisher nicht rechtskräftig ist, als ein wichtiges Signal an, womit Höcke Konsequenzen aufgezeigt würden.
Auch in der Presse heißt es zustimmend, dass der "deutsche Staat" nicht "achselzuckend" danebensteht, "wenn neurechte Politiker altrechte Parolen skandieren" (Berliner Morgenpost), und der Rechtsstaat "sich nicht von scheinheiligen Ausflüchten blenden lässt", während Höcke versuche, mit den "Grenzen des Sagbaren" auch die "Grenzen des Machbaren" zu verschieben (Süddeutsche Zeitung).
Zugleich läuft eine Petition, die bereits von 1,7 Millionen Menschen unterschrieben wurde, die Höcke die Grundrechte entziehen will. Damit verlöre er neben der Meinungsfreiheit und vielen weiteren Rechten auch das Recht, sich zur Wahl aufstellen zu lassen.
Die beschränkte Meinungsfreiheit in Deutschland
Es ist sicherlich keine Übertreibung, in Björn Höcke einen Neofaschisten zu erkennen, der geschickt Nazi-Terminologie einführen will. Aber trotzdem: Mit staatlichen Meinungsverboten solche inakzeptablen Äußerungen zurückzudrängen ist nicht nur falsch, sondern untergräbt das Grundprinzip der Demokratie.
Die Meinungsfreiheit sollte, mit sehr wenigen Ausnahmen, uneingeschränkt gelten. Doch das ist in Deutschland, wie in vielen anderen Ländern, nicht der Fall. Im Grundgesetz und durch Bestimmungen im Strafgesetzbuch wird sie eingeschränkt, was auch in der Praxis immer wieder umgesetzt wird.
Das Grundgesetz spricht von "Schranken" für die Meinungsfreiheit, die "in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre" liegen. Es muss also eine Güterabwägungen stattfinden, die in Verboten enden können, wenn Menschen diffamiert und beleidigt, Lügen oder verleumderische, "volksverhetzende" Aussagen gemacht werden.
Einschränkungen als Kontrollfunktion
Im Klartext: Holocaust-Leugnung ist verboten, Hassreden sind verboten, nur beweisbare Anschuldigungen gegen Unternehmen sind erlaubt ("Imageschädigung").
Man kann argumentieren: Was schadet es, wenn Hass, Lügen und Diffamierungen staatlich verboten werden. Auf den ersten Blick scheint es eine gute Sache, einen Cordon sanitaire zu errichten.
Es ist aber keineswegs so, dass der Staat aus reiner Wahrheits- und Gerechtigkeitsliebe die Meinungsfreiheit per Gesetz von oben einschränkt. Es stellt immer ein gutes Mittel dar, mit dem die Bevölkerung auf Linie gehalten werden kann.
So werden mit den "Schranken" insgesamt Meinungen attackiert, die für inakzeptabel gehalten werden, und dazu zählen eben nicht nur rechtsextreme Ansichten, sondern auch und insbesondere wertvolle Kritik und Debatten, während mächtige Institutionen die "Leitplanken" nutzen, um unliebsames im Keim zu ersticken.