Boom von Solarstrom in Spanien: Einwohner wehren sich zunehmend

Seite 2: Neue Förderung von Eigenverbrauch

Dass es trotz gestiegener Preise zum Solarboom kommt, hat neben den hohen Strompreisen vor allem damit zu tun, dass die Koalitionsregierung aus Sozialdemokraten (PSOE) und der Linkskoalition "Unidas Podemos" die von der konservativen Vorgängerregierung 2015 eingeführte "Sonnensteuer" abgeschafft hat. Darüber wurde nicht nur Eigenverbrauch besteuert. Nötig war auch eine teure und bürokratische Registrierung und es drohten drakonische Strafen, wenn Anlagen nicht registriert wurden, weshalb sogar einige wieder außer Betrieb genommen worden waren.

Der Eigenverbrauch wurde darüber fast vollständig ausgebremst, wie die rechte Regierung der Volkspartei (PP) insgesamt den Ausbau erneuerbarer Energien ausgebremst hat. Dadurch gingen zehntausende Arbeitsplätze verloren und auch deshalb fehlen heute Installateure. Vom einstigen Vorreiter rutschte Spanien immer stärker ab und wurde unter anderem von Portugal überholt. Während in Spanien 2021 aus Erneuerbaren 47 Prozent des Strombedarfs gedeckt wurde, kam der kleine Nachbar schon auf 59 Prozent.

Nun wird aber auch in Spanien der Eigenverbrauch gefördert, denn das Land mit etwa 3.000 Sonnenstunden im Jahr verfügt über ein riesiges Potenzial für Solarstrom. Im Sommer 2021 wurde deshalb ein Subventionspaket im Umfang von 1,3 Milliarden Euro für Solaranlagen sowie Speicher- und Klimaanlagen mit erneuerbaren Energien aufgelegt.

Anlagen von Privatpersonen, auch Windanlagen, können bis zu 40 Prozent subventioniert werden, bei kollektivem Eigenverbrauch – viele leben in Eigentumswohnungen in Hausgemeinschaften – können es auch 50 Prozent werden und in kleinen Städten werden sogar noch einmal fünf Prozent draufgepackt. Batteriespeicher können mit bis zu 70 Prozent gefördert werden.

Je nach Region in unterschiedlicher Höhe können die Investitionen auch steuermindernd von der Einkommenssteuer abgesetzt werden. Zum Teil wird darüber auch die Grundsteuer vermindert. Im zentralspanischen Albacete gibt es etwa keine Verminderung, im baskischen Donostia sind es zehn Prozent über fünf Jahre und im katalanischen sogar 50 Prozent über fünf Jahre. Die Mittel für die direkten Subventionen der Anlagen kommen aus dem sogenannten "Wiederaufbaufonds" der "Next Generation EU".

Eingespart werden sollen über die Maßnahme mehr als eine Million Tonnen klimaschädliches Kohlendioxid pro Jahr. Dazu soll die Wirtschaftsleistung 1,7 Prozent gesteigert sowie mehr als 20.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Der Verband APPA rechnet vor, dass schon 2021 die erneuerbaren Energien mit 1,6 Prozent zur Wirtschaftsleistung beigetragen hätten. Der Sektor beschäftige nun wieder mehr als 110.000 Menschen. "Das starke Wachstum im Jahr 2021 ist eine großartige Nachricht für unser Land", meint APPA, und es sei vorwiegend durch den Boom von Eigenverbrauchsanlagen geschaffen worden.

Nach Ansicht der Branche dürften die bisherigen Prognosen der Regierung für den Eigenverbrauch weit übertroffen werden. Aus einem Dokument der Börsenaufsicht geht hervor, dass die Branchenverbände damit rechnen, dass die installierte Leistung für Eigenverbrauchsanlagen, die ihren Überschuss ins Netz einspeisen, 2030 sogar doppelt so hoch ausfallen könnte, als von der Regierung angesetzt. Die Regierung erwartet neun Gigawatt und im besten Fall sogar 14 Gigawatt.

Ein Problem ist in Spanien auch in diesem Fall, dass man über keine vernünftige Datenbasis verfügt und auf Schätzungen zurückgegriffen werden muss. Deshalb bereitet die Regierung jetzt ein Gesetz vor, um die Stromversorger dazu zu verpflichten, mindestens vierteljährlich Daten über die Anzahl der ans Netz angeschlossenen Eigenverbrauchsanlagen zu übermitteln.

Verhindert werden soll, dass die unklare Lage über die reale Leistung der Anlagen "die Versorgungssicherheit gefährdet", wurde eine neue Informationspflicht gegenüber dem Netzbetreiber eingeführt, mit dem Ziel, "die Identifizierung jeder einzelnen Eigenverbrauchsanlage zu ermöglichen".

Nach dem bisherigen Informationssystem des Stromnetzbetreibers (REE) gab es Ende September des vergangenen Jahres 140.000 Anlagen. Die hätten aber nur eine Gesamtkapazität von knapp einem Gigawatt. Das wäre nicht einmal ein Fünftel der Leistung, von der die Branchenverbände ausgehen.

Nach den Daten, welche im Eigenverbrauchsregister verzeichnet sind, wären es sogar nur knapp 25.000 Anlagen mit nicht einmal 350 Megawatt Leistung. Für die Vorhersagen und Planung ist REE allerdings auf verlässliche Daten angewiesen, weshalb die Datenlücke schnell geschlossen werden soll.

Andererseits boomen aber auch große Solar- und Windparks. Gesprochen wird schon von einem "Goldrausch bei erneuerbaren Energien". Bis zu 3.000 riesige Anlagen sollen über den sogenannten "Green Deal" der EU finanziert werden und dagegen entwickelt sich immer stärkerer Widerstand.

Verbessert werden sollen auch Stromtrassen und das Gasnetz zur Anbindung an Frankreich soll ausgebaut werden. Eine wichtige Rolle soll dabei "grüner Wasserstoff" bilden. Dazu soll nun eine Pipeline aus der katalanischen Metropole Barcelona unter dem Mittelmeer in die südfranzösische Hafenstadt Marseille verlegt werden.

Über Sinn und Unsinn dieses Vorhaben wurde hier schon ausführlich berichtet. Angeblich will Spanien 2030 "zehn Prozent des gesamten Verbrauchs von grünem Wasserstoff in Europa" produzieren. Es handelt sich bei der angeblichen Wasserstoff-Pipeline H2Med um einen Etikettenschwindel, es wird bestenfalls regasifiziertes Flüssiggas durch die Röhre fließen, wenn sie tatsächlich fertiggestellt wird.

Es ist irrwitzig, ein Pilotprojekt ausgerechnet kostspielig durch das Mittelmeer zu verlegen, statt mit der unausgegorenen Technik mit erheblicher Anforderung an die Materialien nicht an Land zu experimentieren. Klar ist, dass es den grünen Wasserstoff aus überschüssigem Strom aus erneuerbaren Energien auch gar nicht geben wird.

Sogar der spanische Energieplan sieht nämlich lediglich vor, dass Spanien 2030 seine Stromversorgung nur zu 74 Prozent aus erneuerbaren Quellen decken wird. Daran wird auch der Boom im Bereich Eigenverbrauch angesichts der zunehmenden E-Mobilität nichts ändern.

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