Brandenburg: Für SPD und Linke reicht es nicht mehr
Für eine Regierungsmehrheit braucht es eine Koalition mit den Grünen. Die AfD ist zweitstärkste Partei. Die FDP schafft den Einzug in den Landtag nicht
Die Parteien der Regierungskoalition, die SPD wie die CDU, mussten in den zwei Landtagswahlen in Sachsen und in Brandenburg Federn lassen. Das war zwar erwartet worden, da das Resultat aber einer längeren Serie von Stimmenverlusten entspricht, wird das bundespolitische Signal neuen Bewertungen unterzogen werden. Dazu passt, dass eine erste Wahlanalyse der ARD für Brandenburg notierte, dass 48 Prozent der SPD-Wähler von der Koalition in Berlin nicht überzeugt sind. "Abgestraft" war auch die Vokabel, die in den ersten Reaktionen seitens der AfD-Vertreter genüsslich Richtung Berlin ausgesprochen wurde.
In Brandenburg bleibt die SPD nach der Hochrechnung um 19 Uhr, die das ZDF präsentierte, mit 26,4 Prozent zwar die stärkste Partei, hätte aber damit gegenüber dem Wahlergebnis von 2014 (31,9 Prozent) satte 5,5 Prozentpunkte verloren. Ihr bisheriger Koalitionspartner, die Linken, erzielt bei der ZDF-Hochrechnung 10,4 Prozent. Das käme einem noch deutlicheren Verlust von 8,2 Prozentpunkten gegenüber den Landtagswahlen von 2014 gleich. Damals wählten immerhin 18,6 Prozent die Linkspartei.
Daran zeigt sich, ohne bundespolitische Spekulationen, eine deutliche Unzufriedenheit mit der Regierungskoalition im Land Brandenburg. Die SPD und die Linkspartei müssten jetzt die Grünen in die Koalition holen, um mit deren 9,9 Prozent, die ihnen die Hochrechnung um 19 Uhr prognostiziert, eine Sitzmehrheit zu erlangen. Die Grünen gewannen im Vergleich zu 2014, wo sie auf 6,2 Prozent kamen, demnach 3,7 Prozentpunkte hinzu. Das ist ein Erfolg, aber er fällt gegenüber dem ab, was angesichts des derzeitigen Hochs der Grünen, wie es sich in Umfragen zeigt und bereits viel Futter für Kommentare lieferte, für möglich gehalten wurde.
Die CDU kommt auf 15, 5 Prozent und verliert damit noch mehr als die SPD, nämlich 7,5 Prozentpunkte gegenüber 2014 (23,0 Prozent).
Stimmengewinner AfD
Bei all den Verlusten und dem wahrscheinlichen Scheitern der FDP an der 5-Prozenthürde (4,2 Prozent rechnet die Forschungsgruppe Wahlen hoch) und dem doch schmaler als erwartet oder erhofft ausgefallenen Stimmenzugewinn der Grünen gibt es einen Gewinner, der die Abwanderer von den anderen Parteien einsammelt und das ist, wie in vielen Vorberichten vorhergesagt, die AfD.
Sie kommt laut der erwähnten Hochrechnung auf 24,4 Prozent. Die nationalen Rechten würden damit im Vergleich zur Landtagswahl 2014 um die Hälfte zulegen. Damals erzielte sie als Neueinsteiger im Landtag 12,2 Prozent. Spitzenkandidat Andreas Kalbitz sagte auf sein Vorhaben befragt, dass man "eine starke Opposition bilden werde". Er sah dies als Zwischenetappe für den Weg zu "mehr Verantwortung".
Gut im Rennen um den Einstieg ins Landesparlament liegen die Brandenburger Vereinigte Bürgerbewegungen/Freie Wähler, denen 5 Prozent der Wählerstimmen hochgerechnet werden. Ob auch sie für eine Koalitionsbildung infrage kämen, ist noch offen.
Die ARD-Hochrechnung von 19 Uhr 15 zeigt unterschiedlich deutliche Abweichungen von der, die das ZDF zur ähnlichen Zeit präsentierte. Die SPD steht dort bei 26,5 Prozent, was ein relativ geringer Unterschied ist. Auch der 15,75 Prozentanteil für die CDU ist geringfügig. Deutlicher fällt der Unterschied bei der AfD aus. In der ARD-Hochrechnung von Imap bekommt sie 23,8 Prozent (statt 24,4 wie bei der Forschungsgruppe Wahlen).
Die genauen Prozentanteile und die Sitzverteilung im neuen Brandenburger Landtag werden sich noch herausstellen. Interessant wird sein, wie man sich den Stimmengewinn der AfD, der sich nun realisiert hat, erklären wird.
Eine Strategie wird darauf hinauslaufen, was im ARD-Artikel zur erwähnten Hochrechnung schon im Titel steht: "SPD siegt in Brandenburg klar vor der AfD" , nach dem Motto "erstmal Hauptsache gewonnen gegen die Rechtsaußen-Partei". Das diese Beschwichtigungsübungen der SPD aber nicht viel weiterhelfen, dürfte der Partei auch klar sein.
"Die Wende vollenden" war der Wahlslogan der AfD - was immer das bedeuten mag -, geschafft hat sie es faktisch nicht, die Wählerunterstützung für eine Regierung zu bekommen. Dennoch muss der große Erfolg den anderen Parteien einiges zu denken geben. Die SPD etwa muss zur Kenntnis nehmen, dass viele ihrer Wähler älter sind ("über Siebzig", so die ARD), während die AfD laut ARD-Analyse bei den Jüngeren besser punktete.
Positiv könnte die SPD das Ergebnis, das ihr immerhin die meisten Stimmen von allen Parteien einbrachte, als Arbeitsauftrag auslegen, um ihre Politik besser zu orientieren. Geht es nach der ARD, so stützt sich die AfD auf Wähler, die mit den anderen Parteien unzufrieden sind und sich aus Protest abwenden. Laut einer ARD-Analyse, die man kurz vor 19 Uhr präsentierte, hatten 56 Prozent der AfD-Wähler erklärt, dass die "AfD ausspricht, was in anderen Parteien nicht gesagt werden kann." Das wurde als Zeichen dafür genommen, dass die AfD-Wähler ihr Kreuz mehr aus Protest gegen die anderen Parteien gemacht haben.
Eine Personenwahl?
Herausgehoben wurde auch, dass die Stimmabgabe sehr viel mit den Personen zu tun hatte, die kandidierten. So wurde dem amtierenden Ministerpräsidenten von der SPD, Dietmar Woidke, zu Gute gehalten, dass ihm entgegen schlechter Umfragewerte noch eine Aufholjagd gelungen sei, die seiner Person zu verdanken sei, die anders als die Bundes-SPD auf Glaubwürdigkeit setzen kann.
Noch unklar ist, wie es sich in dieser Hinsicht mit der Person des AfD-Spitzenkandidaten Andreas Kalbitz verhält. Über Kalbitz, der kein Brandenburger ist, sondern aus Bayern zugewandert, gab es zuletzt Berichte, die erhärten, dass er auf Tuchfühlung mit extremen Rechten war oder ist (seine politische Position tief im nationalrechten Lager legt er offen dar).
Seinen Wahlkampf prägten nicht konkrete politische Lösungen, etwa zum Kohleabbau in der Lausitz, sondern grundlegende Positionen, die auf Systemkritik zielen. Das nahmen die SPD, die Linken und die Grünen auf, um vor einer Unterhöhlung der Demokratie zu warnen. Sicher ist, dass der weit rechts stehende Kalbitz polarisiert. Ob das mehr mögliche AfD-Wähler abschreckte oder sie anzog?
Anscheinend war die persönliche Wirkung aber auch begrenzt, wie am Engagement der Grünen-Vorsitzenden Annalena Baerbock abzulesen ist. Sie lebt in Brandenburg und ist Abgeordnete eines Wahlkreises in Brandenburg. Sie hatte, wie man sagt einen "Heimvorteil", die Euphoriewelle der Grünen konnte sie allerdings nicht in der Weise an die Wähler in Brandenburg vermitteln, wie es sich manche erhofften.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
Mit Ihrer Zustimmmung wird hier ein externer Inhalt geladen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.