Brandmelder gelöscht: Grün, Olivgrün, Polizeigrün
Gibt es Rassismus in deutschen Polizeien? Nein, sagt die innenpolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion, Dr. Irene Mihalic, und fordert eine Untersuchung
Mihalic bestreitet Vorwürfe zum Rassismus in der Polizei: "Ich hatte das große Glück, dass mir das in meiner Dienstzeit nicht begegnet ist." Ja, sagt dem gegenüber einer ihrer Vorgänger, der ehemalige Polizeibeamte, Abgeordnete und heutige Sprecher der "Kritischen Polizisten", Thomas Wüppesahl.
Zumindest intern wird der Aufmüpfige zum Thema nichts mehr sagen dürfen. Nach seiner geharnischten Kritik am Mihalic-Interview wurde er jetzt in der grünen Arbeitsgemeinschaft "Demokratie und Recht" gefeuert und darf künftig weder an virtuellen Debatten des Zirkels noch an dessen realen Sitzungen mehr teilnehmen. Wüppesahl konterte die polizeifreundlichen Äußerungen von Mihalic mit der nüchternen, aber unwillkommenen Feststellung:
Wer zwanzig Jahre im Polizeidienst gearbeitet haben will - auch noch von 1993 bis 2013(!) in NRW(!!) - und nichts von Ausländerfeindlichkeit in der KollegInnenschaft, Sexismus ohnehin, Rassismus und Rechtsaffinität mitbekommen haben will, weder im Konkreten noch im Allgemeinen, der macht sich nicht bloß unglaubwürdig, sondern schüttet diverse Barrel Öl ins Feuer der Diskussion.
Thomas Wüppesahl
So viel interne Schelte brachte bei grünen m/w/diversen Rechts- wie Innenpolitikern aus Bund und Ländern das Fass zum Überlaufen und war dann wohl zu viel. Der Streit innerhalb der Grünen, wie man es mit der Sicherheit und "der" Polizei hält, schwelt aber wohl schon länger und dürfte eigentlicher Hintergrund der personellen Maßnahme gegen den eigenen früheren MdB aus Krümmel sein, der eine "Strategie für die Vorbereitung von Schwarz-Grün in Fragen der Sicherheit" unterstellt.
Denn die einstige Friedenspartei hatte erst kürzlich zunächst ihr "Verhältnis" zur Bundeswehr geklärt. Bekanntere ihrer Abgeordneten, wie der "türkische Schwabe" und nicht gediente Cem Özdemir, nahmen in Uniform an Bundeswehrübungen teil und begeistern sich heute für die gar nicht mehr "nur" der Verteidigung dienenden deutschen Uniformträger.
Für Frau Mihalic stellt dies, wie jetzt auch in Bezug zur Polizei, ohnehin kein Problem dar. Die Politikerin aus dem Ruhrpott arbeitet in ihrer Funktion kräftig daran mit, nach Olivgrün nun auch das Image der Grünen bei den Polizeien aufzubessern. Da kanzelt sie dann in Bundestagsreden schon einmal die SPD- Vorsitzende Saskia Esken ab, weil die bei der Polizei kürzlich ganz nüchtern "latenten Rassismus" konstatiert hatte.
Einen solchen gibt es für Grüne eben nicht. Sie wollen lieber, so Mihalic, "das tatsächliche Rassismuspotenzial" bei der Polizei in Deutschland, wenn überhaupt was sein sollte, erst einmal "ermitteln lassen". Aktuelle Fakten stören dabei offensichtlich, meint Thomas Wüppesahl, der auf Vorfälle der jüngsten Zeit abhebt und intern ohne jede Antwort auch auf einen Bericht des Magazins "Monitor" verwies.
Habt Vertrauen zur Polizei ...
Mit Kinkerlitzchen wie eventuellem Polizeirassismus will sich aber auch der grüne Ministerpräsident in Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, gar nicht erst aufhalten. Nach einer Krawallnacht in Stuttgart, bei der die Polizei tags darauf erstaunlicherweise und natürlich nicht "rassistisch" nach Migrationshintergründen forschte, gab der oberste Realo im Land kurz und bündig bekannt, dass "die Polizei Respekt und Vertrauen verdiene". Basta.
Dies ist allerdings umso erstaunlicher, als in Baden-Württemberg sogar schon polizeiliche Verbindungen zu rechtsradikalen Kreisen wie dem Ku-Klux-Klan aufgedeckt wurden. Doch selbst aktuellere Vorgänge in Stuttgart irritieren.
So ist es keinesfalls polizeiliche Aufgabe, migrantischen Hintergründen von Straftaten nachzugehen. Dennoch wollte Dienstherr Kretschmann von der Stuttgarter Polizei ungeniert wissen, "aus welchen Milieus die Täter stammen". Für solche Ansinnen war bisher eher die AfD bekannt. Denn sollte das "Milieu" in Zusammenhang mit einer Straftat überhaupt eine Rolle spielen, wäre die Klärung einem Gericht und einer Jugendgerichtshilfe vorbehalten, erklären Fachleute wie der frühere Bundesrichter Thomas Fischer
Keine wissenschaftlichen Untersuchungen in Sicht
Doch selbst der Wunsch der grünen Sprecherin Mihalic nach wissenschaftlichen Untersuchungen zu polizeilichem Rassismus ist ein Verschieben auf den Sankt Nimmerleinstag. Sie weiß genau, dass dabei weder die CDU in den Ländern noch Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) mitspielen und Studien kategorisch ablehnen.
"Ein schwerer politischer Fehler", beklagt da sogar der sonst wenig polizeikritische bayerische Verfassungsrichter Jercy Montag, der als rechtspolitischer Sprecher für die Grünen früher ebenfalls im Bundestag saß.
Auch ganz ohne wissenschaftliche Erkenntnisse sieht Montag höchstens gewisse "Anzeichen für polizeilichen Rassismus". Doch seien unsere Ordnungshüter, ganz auf der Linie Kretschmanns, pauschal keine "Gegner". Das hatte aber auch niemand wirklich behauptet. Doch schon im Bundestag fiel der Rechtspolitiker, beispielsweise bei Gesprächen mit dem damaligen Präsidenten des Bundeskriminalamts Jörg Ziercke, eher durch devote Anbiederung denn durch Kritik auf, wie Insider berichten. Auch offenkundige Unwahrheiten des BKA gegenüber dem Parlament, wie die Behauptung eines "Milliardenmarkts für Kinderpornografie" irritierten Montag nicht. Selbst gewiss nicht linke parlamentarische Urgesteine, wie Innenpolitiker Dieter Wiefelspütz (SPD) ätzten damals, "weinende Polizisten nicht leiden zu können".
Kummerkästen statt Kontrolle
Lieber fabuliert der Wüppesahl-Gegner Montag jetzt, dass "die Polizei zu Recht einer intensiven politischen und gesellschaftlichen Kontrolle ausgesetzt sei". Das verwundert allerdings. Denn auch die Grünen sind erst dabei, Strukturen für eine solche Kontrolle zu fordern, wie sie in anderen Ländern längst gang und gäbe ist. "Unabhängige Polizeibeauftragte" sollen es bei uns jetzt richten. Solche "Kummerkästen" ernten allerdings eher Hohn und Spott. Selbst im innenpolitisch gewiss nicht liberalen Großbritannien ist man weiter. Dort wird die Polizei durch das Parlament kontrolliert, das dafür mit einem Millionenetat auch personell gut ausgestattet ist..
Zur Debatte darüber in der grünen BAG und der Causa Wüppesahl wollte sich Montag dessen ungeachtet nicht äußern. Dabei gehörte er wohl zu den entschiedenen Betreibern des Ausschlusses der kritischen Stimme der kritischen Polizisten. So drohte er zusammen mit dem früheren Bundesdatenschutzbeauftragten Peter Schaar mit seinem Rückzug aus der BAG, sollte Wüppesahl dort weiter "Gewaltkommunikation" gegen Mihalic betreiben können.
Was "Gewaltkommunikation" ist, wurde allerdings auch auf Anfrage an die Sprecher für "Demokratie und Recht" nicht definiert. Gehör fand Wüppesahl bei der Entscheidung nach eigenen Angaben nicht. Mails von ihm seien sofort gestoppt worden. Er ist sich unverändert keiner Schuld bewusst. "Weder habe ich dazu aufgerufen, Frau Mihalic mit Torten zu bewerfen, noch sie auf Parteitagen zu ohrfeigen." Selbst die Betroffene fühlt sich offensichtlich nicht wirklich beleidigt oder gar gewalttätig bedroht. Fragen danach beantwortet sie nicht.
Dagegen legt Mihalic zu Gunsten der Polizeien landauf landab medial weiter nach. Grüne hätten in die Polizei "Vertrauen gefasst". Sozusagen im Gegenzug "müsse die Polizei endlich auch Vertrauen zu den Grünen fassen".
Angesichts dieses Flehens um polizeiliche Anerkennung verwundert es nicht, dass in grün (mit-) regierten Bundesländern wie in Baden-Württemberg bereits eine Polizeikennzeichnung nicht stattfinden darf. Oder wie in Hessen Akten zum rassistischen NSU-Terror für 120 Jahre weggesperrt werden.
Lieber nimmt man dort weiterhin hin, dass das staatliche Gewaltmonopol den Bürgerinnen und Bürgern anonym entgegentritt. Noch auffälliger ist allerdings die grüne Ignoranz gegenüber gravierenden Problemen, wie sie gerade im schwarzgrünen Hessen aktuell zur Kenntnis zu nehmen ist.
Angst vor der Polizei
Ganz offensichtlich mit Hilfe hessischer Polizeicomputer werden Menschen seitens eines NSU 2.0 bedroht. Das Vertrauen der Betroffenen in die Polizei schwindet eher, als dass es sich aufbaut. Eine von ihnen, die Berliner Kabarettistin Idil Baydar, bekommt sogar "Angst vor der Polizei".
Eine überfällige Debatte über solche Entwicklungen statt weiterer Beschönigungen findet auf der grünen Debattenseite "Demokratie und Recht" allerdings nicht statt. Der WDR widmete dem Thema Rassismus und Polizeigewalt, wie sie Leute wie Wüppesahl seit Jahren anprangern, dagegen aktuell wieder eine längere Dokumentation. Also werden Kritiker an der neuen grünen polizeifreundlichen Linie mit fadenscheinigen Argumenten lieber ausgeschlossen.
Die Sprecherin Yvonne Plaul (Realo) und der Sprecher Wilko Zicht (Linker) der Bundesarbeitsgruppe, auf die von Mihalic bis Montag zum Vorgang unisono verwiesen wird, sprechen nicht über konkrete Vorwürfe gegen den grünen Ex-MdB, sondern hüllen sich beredt in Schweigen. Wenigstens haben sie sich bei Wüppesahl noch für dessen jahrelange Mitwirkung bedankt.
Der verweist in seiner Angelegenheit jetzt süffisant auf Tucholsky. "Abgewandelt ist es bei den Grünen wohl auch so, dass in Deutschland als gefährlicher gilt wer auf Schmutz hinweist, als derjenige, der den Schmutz macht." Und von einem seiner früheren Professoren hätte er gelernt: "In diesem Land wird viel zu häufig der Brandmelder gelöscht, anstatt das Feuer zu bekämpfen…"
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