Brasilien: Indigene und Landlose unter Druck

Seite 2: Multinationale Konzerne profitieren vom Genozid

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Immer tiefer dringen bewaffnete Landräuber in die Wälder ein, bauen Straßen und Gleise, suchen nach Eisenerz und verdienen am Verkauf von wertvollen Harthölzern. Neben den Sojabauern beanspruchen Viehzüchter immer mehr Weideland für ihre wachsenden Rinderherden - so wie in Bananal Island im Bundesstaat Tocantins.

Auf der größten Flussinsel der Welt lebte einst in dichten Papayawäldern das bislang unkontaktierte Volk der Ãwa. 2019 verbrannten achtzig Prozent des Waldes. Ein Jahr später stand der restliche Wald in Flammen. Inzwischen weiden auf den abgebrannten Flächen Hunderttausende Rinder.

Auf Twitter berichtet eine junge Ãwa-Frau namens Kamutaja von einem Massaker, das an Angehörigen ihres Volkes verübt wurde. Sie befürchtet, dass ihren Verwandten im Papayawald nun dasselbe passieren wird.

Ob Palmöl oder Sojaproduktion, Fleischverarbeitung oder Düngemittelherstellung - wo immer Lebensgrundlagen vernichtet werden, verdient der US-Gigant Cargill kräftig mit. So auch in Planalto Santareno im Bundesstaat Pará. Hier grenzt das Land der Munduruku direkt an das der Bauern, die für Cargill produzieren.

Die Indigenen sind von Soja- und Maisfarmen komplett eingekesselt, während dessen dringen die Landwirte immer weiter in ihre Gebiete ein. Allein in Santarém gibt es 235 Bauernfamilien, von denen jede 300 Hektar Land besitzt. Die gesamte Sojaproduktion von hier und der Nachbargemeinde Mojuí dos Campos ging 2017 und 2018 an Cargill. Zehn Landwirte zogen nun vor Gericht, um ihr Land einzuklagen.

Auch in der Gemeinde Campos Lindos im Cerrado werden 68 Prozent der Sojaproduktion von Cargill gehandelt. "Zuerst vertreiben sie die Familien, danach zerstören sie den Cerrado, dann trocknen sie die Quellen aus und verschmutzen das Wasser", klagt Pedro Alves dos Santos, ein indigener Bauer. Glaubt man den Angaben von ComexStat, waren die Sojaexporte aus der Region in die EU gegenüber dem Vorjahr um 6,7 Prozent gestiegen. Wie groß der Druck ist, der auf die Indigenen ausgeübt wird, zeigt auch ein aktueller Bericht der Deutschen Umwelthilfe.

Internationale Banken finanzieren den Raubbau

Seit 2016, dem Jahr der Unterzeichnung des Pariser Klimaschutzabkommens, investierten internationale Finanzunternehmen weltweit rund 153 Milliarden US-Dollar. Allein brasilianische Finanzinstitute investierten rund 52 Milliarden US-Dollar in die destruktiven Machenschaften. So trug die Banco do Brasil mit Krediten für Rohstoffgeschäfte von rund 30 Milliarden US-Dollar zur Waldzerstörung bei. Die National Social and Economic Development Bank (BNDES) stellte 3,8 Milliarden US-Dollar zur Verfügung. Mehr als die Hälfte des Geldes ging an den Rindfleischsektor, ein geringerer Teil in den Soja-Anbau sowie in die Zellstoff- und Papierindustrie.

Außerdem investierten die größten US-amerikanische Finanzinstitute - Black Rock, Vanguard, Citigroup, J. P. Morgan Chase, Bank of America und Dimensional Fund Advisors - insgesamt 18 Milliarden US-Dollar in Projekte, die in illegale Entwaldung, Landraub, Produktion und Export von Konfliktgütern verwickelt waren. So heißt es in einem Bericht, der von Articulation of the Indigenous People of Brazil (APIB) und Amazon Watch Ende Oktober 2020 veröffentlicht wurde.

Glaubt man den Angaben der Weltraumbehörde (Inpe), hat die Zerstörung des Regenwaldes den höchsten Stand seit 2008 erreicht: Von August 2019 bis Juli 2020 wurden rund 11.000 Quadratkilometer zerstört, eine Steigerung gegenüber dem Vorjahr von 9,5 Prozent. Geht die Entwicklung in diesem Tempo weiter, werden die verbliebenen Waldflächen bald mehr Kohlenstoff abgeben als aufnehmen, befürchten Wissenschaftler in einer Studie vom März 2020. Das dürfte auch das Klima in Europa weiter anheizen.

Millionen Tonnen Soja, Rindfleisch, Holz werden jedes Jahr aus Brasilien nach Europa und in die USA exportiert. Sollten im Rahmen eines Freihandelsabkommens Zölle aufgehoben oder reduziert werden, würde Billigfleisch aus Brasilien auch Supermärkte in Europa überschwemmen. Um auf Verflechtungen von Bolsonaro, Agrarindustrie und dem Völkermord an indigenen Völkern aufmerksam zu machen, demonstrierten im November 2019 zehn indigene Anführer, darunter Sonja Guajajara, vor der brasilianischen Botschaft in London.

Sie forderten Menschen und Firmen auf der ganzen Welt auf, keine Produkte mehr zu kaufen, die die Zerstörung indigener Gebiete vorantreiben. Konsumenten in der EU und der USA sind über ihre Nachfrage für die Waldvernichtung direkt mitverantworlich. Vor diesem Hintergrund appelliert Survival International an Supermärkte und Konsumenten, keine Agrarprodukte mehr aus Brasilien zu kaufen, solange indigene Völker ihrer Rechte beraubt werden.