Brasilien gibt grünes Licht für Gentech-Multis.
Jahrelang war das Land für Europa erste Bezugsquelle bei gentech-freiem Soja. Jetzt wird der Anbau von GV-Soja definitiv zugelassen
Der brasilianische Kongress hat Mitte dieser Woche ein Anbauverbot für gentechnisch veränderte Pflanzen aufgehoben. Damit darf in Brasilien, dem zweitgrößten Soja-Produzenten der Welt, künftig auch offiziell gentechnisch verändertes Saatgut eingesetzt werden. Schätzungen zufolge waren bereits in der Vergangenheit rund ein Drittel der brasilianischen Sojabohnen gentechnisch verändert, weil modifiziertes Saatgut aus Nachbarstaaten eingeschmuggelt worden war. Auf die gentech-skeptischen Europäer könnte - sollte sich Gensoja wie in Argentinien durchsetzen - langfristig ein Versorgungsproblem bei "sauberem" Soja zukommen.
Von der Aufhebung des Verbots dürfte vor allem der Biotech-Riese Monsanto profitieren, weil er sein Saatgut nun selbst nach Brasilien exportieren kann. Die Gesetzesänderung tritt in Kraft, sobald Staatspräsident Luiz Inacio Lula da Silva sie unterzeichnet hat. An Lula da Silva appellieren nun Umweltschutzorganisationen wie Greenpeace. Er soll die Unterschrift verweigern. Doch damit ist kaum zu rechnen, hatte er zuvor bereits per Dekret den "illegalen" Anbau toleriert.
Dennoch war Brasilien lange Zeit das einzige große Exportland, das offiziell "ohne Gentechnik" produzierte. Gerade die europäische Lebensmittelwirtschaft bezieht "gentechnik-freie" Sojarohstoffe vor allem aus Brasilien. Unmittelbar werden die Europäer auch kaum Versorgungsschwierigkeiten mit gentech-freiem Soja zu befürchten haben. Denn der Norden des Landes setzt weiter auf den konventionellen Sojaanbau. Die konventionelle Sojaernte aus dieser Region wird über den Hafen in Paranaguá nach Europa und Asien verschifft. Die Sojaproduktion dieser Region beträgt etwa 20 Millionen Tonnen pro Jahr.
Dass der Norden bis dato so gut wie gentech-frei war, hat aber wesentlich mit einem engagierten, einflussreichen Regionalpolitiker zu tun, der vehement gegen die Gentech-Lobby auftritt. Roberto Requião setzte strenge Kontrollen in Paranaguá durch. Lastwagen mit Gentechsoja aus Paraguay oder anderen brasilianischen Nachbarstaaten ließ er zurückschicken, internationale Handelsmultis wie Bunge, Cargill, ADM oder Louis Dreyfus drängte er aus der Hafenverwaltung. Monsanto und BASF wurde der Verkauf von diversen Herbiziden untersagt. Auch das Monsanto-Präparat Roundup steht auf dem Index.
Doch selbst die Macht von einflussreichen Einzelpersonen wie Requiao ist begrenzt. Nur wenn langfristig Abnahmen garantiert werden, scheint die Absicherung einer Gensoja-freien Zone im Norden Brasiliens gewährleistet. Auf den deutsch-brasilianischen Wirtschaftstagen in Stuttgart im Juni des letzten Jahres kam deshalb der Vorschlag auf, Brasilien könne eigene Anbaugebiete und Hafenanlagen für gentechfreies Soja ausweisen. Für "100-prozentige Nicht-Gensoja" müssten die Europäer aber einen Aufpreis zahlen und langfristige Lieferverträge abschließen.
Trügerische Hoffnung auf Wirtschaftswachstum durch Gentechnik
Ökonomische Vorteile erhoffen sich letztlich aber auch jene Bauern, die jetzt bereits im Süden des Landes - speziell im Bundesstaat Rio Grande do Sul - Gensoja anbauen. Gensoja sei rentabler, man brauche weniger Chemie und schließlich wären viele Gensoja-Bauern in Argentinien reich geworden, so die Argumente, mit denen die Bauern der Regierung von Lula da Silva schließlich Zugeständnisse abrangen. Und die brasilianische Regierung braucht wiederum dringend die Devisen-Einnahmen aus dem Soja-Export.
Die Hoffnung auf ein Wirtschaftswunder durch Gensoja könnte sich aber als trügerisch erweisen. Gerade der Blick auf die Situation in Argentinien - dem nach den USA und Brasilien drittgrößten Soja-Produzenten der Welt - ist ernüchternd. Rund 98 Prozent des dort angebauten Sojas sind inzwischen gentechnisch verändert. Das Land zahlt aber einen hohen Pries für die Ausweitung des Anbaus des Exportschlagers Soja. Seit 1996 wurden 2,37 Millionen Hektar Wälder und Savannen für Sojaanbau gerodet - eine Fläche so groß wie Mecklenburg-Vorpommern, berichtet Greenpeace:
Dadurch entstanden 41 Prozent der neuen Soja-Anbauflächen. In den Wäldern lebende Völker werden vertrieben, die Heimat von Jaguaren, Affen, Pumas und seltenen Vögeln zerstört. Die weiteren 59 Prozent neuer Anbauflächen für Soja gewann man, indem zuvor als Weide- und Ackerflächen genutztes Land umgewidmet wurde. Die Folge: Die Eigenproduktion von Milch, Fleisch, Kartoffeln, Erbsen, Linsen und Bohnen ist seither rapide gesunken. Die kleinbäuerliche Landwirtschaft wurde durch exportorientierte Großindustrie abgelöst.
Die nationalen Saatgutfirmen sind inzwischen bankrott. Das GV-Saatgut stellt Monsanto und nützt seine Monopolstellung weidlich aus, um unliebsame Bauernrechte auszuhebeln.
Auch der Vorteil, weniger Unkrautvernichtungsmittel ausbringen zu müssen, scheint nur von kurzer Dauer zu sein. Eine neue Studie von Greenpeace zeigt, dass die Gesamtmenge an Glyphosat (Handelsname Roundup), die in Argentinien für Sojabohnen eingesetzt wird, sich von 1996/97 bis 2003/04 ver-56-facht hat. "Zum einen, weil sich Anbaufläche für Gen-Soja in diesen acht Jahren ver-35-fachte; zum anderen, weil auch pro Hektar 58 % mehr Glyphosat zum Einsatz kam", erklärt die Studie. Eine Abhängigkeit von Konzernen wie Monsanto halten die Gentech-Gegner in Brasilien für fatal. Und: "Mit der hoch subventionierten US-Gentechsoja könnten wir im Falle einer Überproduktion nicht konkurrieren", warnt Roberto Requião.
Vorerst darf sich aber Monsanto über einen neuen Absatzmarkt für Saatgut und Pflanzenvernichtungsmittel die Hände reiben. Interessant ist, dass der Konzern - der übrigens in den letzten Jahren immer wieder deutliche Geschäftsverluste hinnehmen musste - auch eine andere Linzenzpolitik in Brasilien einzuschlagen scheint. So meldet die Internetseite transgen.de:
Das US-amerikanische Agro-Unternehmen Monsanto hat mit dem brasilianischen Landwirtschaftsministerium eine Vereinbarung getroffen, wie die Lizenzgebühren für gv-RoundupReady-Saatgut erhoben werden. Anders als etwa in Nordamerika werden diese nicht auf den Saatgut-Preis aufgeschlagen, sondern werden bei der Anlieferung der Ernte fällig. Verarbeiter oder Exporteur überprüfen sie auf ihren GVO-Anteil und führen die Gebühren an Monsanto ab. Damit müssen auch diejenigen Landwirte zahlen, die geschmuggeltes Saatgut verwenden oder einen Teil der eigenen Ernte einbehalten und im Folgejahr erneut aussäen.
Damit hebelt der Konzern eine in ganz Lateinamerika gängige landwirtschaftliche Praxis aus, die Monsanto bereits in Argentinien ein Dorn im Auge war. Und es stellt sich auch die Frage, ob mit einer solchen Lizenz-Regelung künftig nicht auch Bauern zur Kasse gebeten werden, deren Felder durch Gensoja verunreinigt werden, die es also gar nicht anbauen wollten.