Brasiliens korrupte Bonzen setzen zum Putsch an

Seite 2: Ermittlungen gegen zahlreiche Rousseff-Gegner

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Das Absurde an der Staatskrise in Brasilien ist eben diese Konstellation: Rousseff, die einer nun schon Jahre währenden Kampagne mit oft antikommunistischen und sexistischen Untertönen ausgesetzt ist, soll von einer korrupten Bonzokratie wegen Veruntreuung staatlicher Gelder aus dem Amt gedrängt werden.

Von 65 Mitgliedern der Amtsenthebungskommission sind 37 - über alle politischen Lager hinweg - wegen Korruption und anderer Verbrechen angeklagt. Das geht aus einer ständig aktualisierten Aufstellung hervor, die von der Organisation Transparency International in Brasilien erstellt wurde. Krasser noch sieht es im Parlament aus: 303 Abgeordnete sehen sich Ermittlungen wegen Straftaten ausgesetzt, im Senat wird gegen 49 von 81 Mitgliedern ermittelt.

Diese Daten berücksichtigen noch nicht einmal den Korruptionsskandal "Lava Jato", in den Petrobras und Politiker aller großen Parteien verstrickt sind. Rousseff stand zwar der Petrobras-Führung vor, als staatliche Aufträge überteuert vergeben wurden, konnte bisher aber in keinem Fall persönlich verantwortlich gemacht werden.

Anders sieht das bei ihren Gegnern aus. Gegen fünf Mitglieder der Amtsenthebungskommission wird wegen Geldwäsche ermittelt, gegen weitere fünf wegen eines politischen Komplotts und gegen 19 wegen Abrechnungsbetrugs. 33 Mitglieder sind entweder wegen Korruption oder Verwaltungsvergehen angeklagt. Insgesamt haben 37 Mitglieder nach Ansicht der Staatsanwaltschaft Dreck am Stecken, manche sehen sich Mehrfachanklagen gegenüber. Doch damit nicht genug:

  • Vizepräsident Michel Temer, der Rousseff nach deren angestrebten Sturz beerben will, soll in illegalen Ethanol-Handel verstrickt sein; Oppositionsführer Aécio Neves taucht auf Listen der Bundespolizei mit den Namen von Nutznießern des Lava-Jato-Skandals auf. Seine Familie soll Geheimkonten in Liechtenstein unterhalten;
  • Paulo Maluf, Mitglied der Amtsenthebungskommission, stand auf Fahndungslisten von Interpol und wurde in Paris in Abwesenheit wegen Geldwäsche verurteilt.

Widerstand gegen parlamentarischen Putsch

Das Verfahren gegen Rousseff in Brasilien wird von sachkundigen Beobachtern mit zunehmender Sorge beobachtet - auch, weil ein Teil des politischen Establishments das für die Weltwirtschaft wichtige Land aus Egoismus vorsätzlich in eine Krise führt.

Die Beschuldigungen gegen Rousseff überzeugen kaum jemanden. Der US-amerikanische Lateinamerika-Experte und Ko-Direktor des Center for Economic and Policy Research, Mark Weisbrot, bezeichnet die Vorwürfe als konstruiert und führt eine Analogie aus den USA an: "Als sich die Republikaner 2013 weigerten, die Schuldenobergrenze zu erhöhen, nutzte die Regierung von (US-Präsident Barack) Obama eine Reihe haushalterischer Tricks, um die Deadline zu verschieben - und das hat niemanden gestört." In Brasilien soll Rousseff wegen vergleichbarer Tricks nun gestürzt werden.

Cecilia MacDowell Santos, Vorsitzende der Lateinamerika-Studien an der Universität von San Francisco, ist sich sicher, dass die brasilianische Rechte Korruptionsvorwürfe nutzt, "um eine demokratisch gewählte Regierung zu destabilisieren".

Was in Brasilien geschieht, ist also tatsächlich eine Art institutioneller oder parlamentarischer Putsch. Zuvor waren in ähnlichen Staatstreichen bereits in Honduras (2009) (Politische Verfolgung nach Putsch in Honduras) und Paraguay (2012) (Linker Präsident in Paraguay abgesetzt) die Präsidenten gestürzt worden. Es ist das große Verdienst der PT-Führung, die aus dem Widerstand gegen die Militärdiktatur (1964-1985) hervorgegangen ist, mit stoischer Ruhe auf rechtsstaatliche Prinzipien zu bestehen. Die Rousseff-Regierung bekommt dabei Unterstützung aus der Region.

In Uruguay forderten Abgeordnete des regierenden Linksbündnisses das Außenministerium bereits auf, Maßnahmen auf Basis der Demokratiecharta des Wirtschaftsbündnisses Mercosur zu ergreifen. Dies sei spätestens möglich, seit sich die oppositionelle Mehrheit im Parlament ohne Belege gegen Rousseff für deren Sturz ausgesprochen hat. Dies berge die Gefahr, "dass die demokratische Ordnung beseitigt wird".