Brauchen wir ein Alkoholverbot?

Seite 2: Ursachen des Alkoholkonsums

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Allgemeiner gesagt: Wer Alkohol nicht nur gelegentlich als Genussmittel konsumiert, sondern wirklich alkoholkrank ist, für den ist die Sucht vielleicht nur ein Symptom eines anderen Problems. Der genannte Facharbeiter behandelte damit seine Schmerzen. Andere (so auch ich früher) kompensieren ihren stressigen Alltag damit (Der Preis fürs perfekte Leben). Tatsächlich gaben 70% der Menschen an, Stress im Beruf zu haben. Warum verbieten wir nicht besser diesen?

Stressrepublik Deutschland? Laut Zahlen von Statista erfahren 70% der Befragten Stress im Beruf. Die Frage war: "Welche der folgenden Verhaltensweisen, Gewohnheiten und Belastungen im Alltag treffen auf Sie zu?"

Andere (und vor allem Männer) gleiten vielleicht durch eine Lebenskrise in die Abhängigkeit: Nach einem Jobverlust oder einer Scheidung steht man plötzlich mit leeren Händen da. Was dann? Für manche Menschen ist ihre Sucht der einzige Halt.

Es ist also eine Milchmädchenrechnung, wenn man so tut, als ließen sich die vorzeitigen Alkoholtode einfach so durch einen geringeren Konsum reduzieren. Ob die Alternative, die sich Menschen dann suchen, gesünder ist, das steht auf einem ganz anderen Blatt.

Verbieten wir doch alles Ungesunde!

Wo wir schon dabei sind: Verbieten wir doch gleich Fett, Salz und Zucker - oder jedenfalls Nahrungsmittel mit einem hohen Anteil daran (Die Doppelzüngigkeit der Gesundheitspolitik).

Also weg mit den Süßigkeiten, Kartoffelchips, Pommes, Steaks und Currywürsten (die Grünen werden jubeln), Tütensuppen, sowieso allen Fertiggerichten, Fast Food, Frischgetränken, Fruchtsäften, Fruchtjoghurts und vielem anderen mehr! Und natürlich Fasching/Karneval, das Oktoberfest und andere Volksfeste beim Verbieten nicht vergessen.

Abbildungen wie diese suggerieren eine Pflicht der Menschen, so lange wie möglich zu leben. Außerdem ist die Redeweise von "vermeidbaren Todesfällen" insofern irreführend, als viele Menschen ohne die hier genannten ungesunden Lebeweisen wohl auf nicht unbedingt gesündere Alternativen umsteigen würden. Bild: Kristie Pladson/Statista/CC BY-ND 3.0

Vorschlag der Steuererhöhung

Maßnahmen wie eine höhere Besteuerung von Alkoholgetränken, wie sie die Journalisten Saleh-Ebrahimi und Drepper fordern, träfen zudem die unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen unterschiedlich stark. Dabei ist laut der Studie Gesundheit in Deutschland Aktuell des Robert Koch-Instituts der Risikokonsum (im Schnitt für alle deutschen Erwachsenen: 26%) gerade bei den tendenziell wohl finanzkräftigeren oberen Bildungsschichten am höchsten.

Es ist eine Tradition des Abendlandes, in inspirierender Gesellschaft zu trinken. Das altgriechische "Symposion" (vergleiche etwa die gleichnamigen Schriften Platons oder Xenophons) bedeutet genau das: zusammen trinken. Alkohol hat für uns Europäerinnen und Europäer seit jeher eine soziokulturelle Funktion.

Weniger Bildung, weniger Alkohol

Die meisten Antialkoholiker (Durchschnitt insgesamt 21%) befinden sich laut der Robert Koch-Studie - über alle Altersgruppen und Geschlechter hinweg - bei Menschen der unteren Bildungsgruppe. Die einzige Ausnahme sind Männer über 65, von denen 36% der unteren Bildungsgruppe einen Risikokonsum pflegen, verglichen mit rund 30% der mittleren und oberen. Als Risikokonsum galt beispielsweise, zwei- bis viermal im Monat drei bis vier alkoholische Getränke und einmal im Monat sechs zu konsumieren - oder mehr.

Mit Verbots- und Steuermaßnahmen von oben wird man allenfalls Technokraten beglücken, gleichzeitig aber viele Menschen bestrafen, die verantwortungsbewusst mit Alkohol umgehen. Über weitere Einschränkungen von Werbung und Verkauf, zum Beispiel im Kassenbereich von Supermärkten, Kiosken und Tankstellen, könnte man nachdenken. Dies aber vor allem zum Schutz von Minderjährigen und denjenigen, die mit dem Trinken aufhören möchten.

Aufklärung, Prävention, Hilfe

Darüber hinaus sollte man konsequent über die Risiken aufklären - und Menschen dafür sensibilisieren, dass Alkoholabhängige nicht "Alkis" sind, sondern Menschen mit Problemen, die prinzipiell jeden treffen können. Aus der Versorgung mit Psychotherapie wissen wir, dass leider diejenigen, die sie am nötigsten haben, unterversorgt sind. Gleichzeitig sind diejenigen, die sie eher nicht brauchen, überversorgt.

Denjenigen, die ihren Alkoholkonsum nicht mehr unter Kontrolle haben, sollte man mit möglichst unbürokratischer Sozialarbeit oder Psychotherapie entgegenkommen. Ziel hierfür sollte die Ursachenbekämpfung sein, nicht bloß eine Symptombehandlung.

Für die meisten Probleme gibt es eine Lösung - und den Rest kann man lernen zu akzeptieren. Eine strengere Regulierung des allgemeinen Alkoholkonsums brauchen wir in Zeiten sinkender Nachfrage ebenso wenig wie immer mehr Sicherheitswahnsinn in Zeiten steigender Sicherheit (Wird die Polizei kaputtgespart?). Verbieten sollte man neben Stress allenfalls Gesundheitsartikel, die uns einen Bären aufbinden wollen.

Dieser Artikel erscheint ebenfalls im Blog "Menschen-Bilder" des Autors.