Braunkohle-Boom: Preiskrieg gegen den Rest der Welt?

Für den vergangenen Montag vorhergesagte Temperaturanomalien, das heißt Abweichungen der Temperatur vom jeweiligen örtlichen Mittel, und zwar nicht am Boden, sondern in etwa 1500 Metern Höhe. (Genauer: Auf der 850-Hectopascal-Fläche, d.h. einer Fläche gleichen Drucks, die je nach der Temperatur der Luftsäule und der örtlichen Strömungsverhältnisse in der Höhe etwas variiert.) Bild: Climate Central, EMCWF

Die Energie- und Klimawochenschau: Die Braunkohle boomt, die Börsenpreise in Leipzig purzeln und in den USA gefriert das Kerosin

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Wie bereits letzte Woche berichtet, hat die Braunkohle 2013 ihre Renaissance fortgesetzt (Stromproduktion aus Braunkohle wieder auf Höchststand seit 1990). Anfang der Woche war die Nachricht auch in den Mainstreammedien angekommen und wurde erwartungsgemäß hier und da mit Untertönen verbreitet, die eine Ursache bei der Energiewende nahelegten.

Das ist natürlich Unfug. Wahr ist höchstens, dass die Rahmenbedingungen von den verschiedenen Bundesregierungen so ausgestaltet wurden, dass die Braunkohlekonzerne - im Wesentlichen sind das RWE, Vattenfall und die Mibrag AG - weiter Gewinn machen können. Zum Beispiel sind, wie berichtet, die Betriebe der Vattenfall Europe Mining AG, die die Lausitz auf der Suche nach Braunkohle umpflügen, weitgehend von der Zahlung der EEG-Umlage auf ihren Stromverbrauch befreit. Außerdem bezahlen die Unternehmen, wenn überhaupt, dann nur lächerlich niedrige Abgaben für die von ihnen aus der Erde geholten Rohstoffe.

Noch wichtiger dürfte allerdings die Tatsache sein, dass Kraftwerksbetreiber für die Umweltschäden nicht aufkommen müssen, die sie anrichten. Einige hunderttausend Tonnen Schwefeldioxid, einige zehntausend Tonnen Feinstäube, mehrere hundert Tonne Blei sowie jeweils mehrere Dutzend Tonnen Quecksilber, Arsen und Cadmium blasen deutsche Stein- und Braunkohlekraftwerke jährlich in die Luft.

Und dann ist da natürlich noch das Treibhausgas CO2, von dem die Braunkohlekraftwerke besonders viel emittieren. Rund 1,2 Kilogramm pro erzeugter Kilowattstunde Strom fallen im Schnitt in hiesigen Braunkohlekraftwerken an. Moderne Anlagen sind da etwas besser, aber die alten Kessel, wie sie zum Beispiel von Vattenfall im südostbrandenburgischen Jänschwalde betrieben werden, bringen es zum Teil auf wenig mehr als 30 Prozent Wirkungsgrad.

Eigentlich, so hatten es einst die grünen, sozialdemokratischen und schwarzen Freunde der Marktwirtschaft versprochen, sollte die Umweltverschmutzung durch Emissionsrechte, sogenannte CO2-Zertifikate, einen Preis bekommen. Je mehr die Kraftwerksbetreiber für den Ausstoß von Treibhausgasen zahlen müssten, desto mehr würde der Wettbewerbsvorteil der Braunkohle gegenüber den deutlich weniger emissionsintensiven Gaskraftwerken schwinden. 30 Euro pro Tonne CO2 gilt als Richtwert, bei dem der Emissionshandel gut funktionieren sollte.

Tatsächlich bekamen die Unternehmen in den ersten beiden Handelsperioden 2005 bis 2007 und 2008 bis 2012 fast alle Zertifikate umsonst zugeteilt, was allerdings die Stromkonzerne nicht davon abhielt, ihre fiktiven Kosten den Stromkunden in Rechnung zu stellen. Verteilt wurden die Erlaubnisscheine zudem so reichlich, dass es jetzt eine Schwemme gibt. Das Ergebnis: Die Zertifikatspreise sind seit mehreren Jahren weit unter dem angestrebten Wert. Seit Anfang 2013, also gerade pünktlich zum Start der dritten Handelsperiode, in der die Kraftwerke die Emissionsrechte nun endlich nicht mehr kostenlos zugeteilt bekommen, sondern vollständig ersteigern müssen, liegt der Preis unter fünf Euro pro Tonnen CO2.

Da verwundert es auch nicht weiter, dass hiesige Braunkohlekraftwerke im In- und Ausland die weniger bedenklichen Gaskraftwerke nieder konkurrieren. Insbesondere in den Niederlanden stellen diese ihren Betrieb ein, weil Deutschland mit rund 33 Milliarden Kilowattstunden (TWh) einen neuen Rekordüberschuss beim Stromexport erzielt.

Dabei wären Gaskraftwerke für den wachsenden Anteil an Wind- und Solarstrom im Netz besonders wichtig als flexible Lückenbüßer, die innerhalb weniger Minuten hoch und runter gefahren werden können. Braunkohlekraftwerke sind hingegen deutlich träger und nur für den Dauerbetrieb konzipiert. Hoch- und Runterfahren verkürzt ihre Lebensdauer und ist aus der Sicht des Betreibers sehr unwirtschaftlich.

Aber offensichtlich ist die Situation gewollt. Seit Ende 2011 gibt es bereits im EU-Parlament, in der Kommission und zwischen den Regierungen gibt es bereits eine Diskussion darüber, wie der Preis der CO2-Zertifikate stabilisiert werden könnte. Doch die alte Bundesregierung hat lange Zeit blockiert. Angela Merkel hatte im letzten Sommer verkündet, man werde sich dem Problem erst widmen, wenn das deutsche Erneuerbare-Energiengesetz geändert sei. Im Koalitionsvertrag hat die neue Regierung dann endlich vereinbart, der vorübergehenden Verknappung der Zertifikate zuzustimmen, doch offensichtlich hat man noch immer keine Eile. Auch Anfang Januar wurden die Zertifikate weiter zu Preisen von rund 4,70 Euro pro Tonne CO2 verschleudert.

Das hat letztlich auch Auswirkungen auf den Börsenpreis des Stroms und damit auf die Höhe der EEG-Umlage. Dadurch, dass RWE&Co. günstig an die Emissionsrechte kommen, können sie ihre Braunkohlekraftwerke Tag und Nacht laufen lassen. In Zeiten mit viel Sonnen- oder Windstrom, wie wir sie in den letzten Wochen hatten, führt das zu einem Preis drückenden Überangebot.

Entsprechend rutschten am 24. Dezember die Preise mal wieder in den negativen Bereich. Am Heiligen Abend bekamen Großabnehmer an der Leipziger Börse noch Geld dazu, wenn sie kurzfristig Strom abnahmen. Nun, das war immerhin ein eher verbrauchsarmer Tag, auch wenn die Energieversorger immer vor dem Gänsebraten zu warnen pflegten (Gänsebraten-Blackout: Windige Weihnachten).

Aber auch in diesen Tagen, da die meisten Behörden und Betriebe wieder arbeiten ist der Strom noch immer extrem günstig. Am Montag und Dienstag musste durchschnittlich für Grundlast nur 2,2 bzw. 2,8 Cent pro Kilowattstunde (Ct/KWh)gezahlt werden, und selbst für kurzfristige Bestellungen musste am Dienstag lediglich 3,9 Ct/KWh gezahlt werden. In der Nacht von Montag auf Dienstag war der Strom zeitweise gar für weniger als 1 Ct/KWh zu haben.

Solche Preise müssten eigentlich auch für die Betreiber von Braunkohlekraftwerken ruinös sein. Über die Gründe, weshalb diese Niedrigpreis-Politik über den Emissionshandel dennoch fortgesetzt wird, lässt sich nur spekulieren. Eine denkbare Erklärung wäre, dass sie der deutschen Exportindustrie vielleicht einen Wettbewerbsvorteil gegenüber der europäischen Konkurrenz verschafft. Allerdings nicht sehr nachhaltig, denn auf Dauer lassen sich die niedrigen Börsenstrompreise des letzten Jahres sicherlich nicht halten.

Eine andere Erklärung wäre die eines Preiskrieges. Kleinere Betreiber von Steinkohle- und Gaskraftwerken werden an die Wand gedrückt, während die Großen etwaige Verluste im Kraftwerkssektor mit Gewinnen in anderen Geschäftsbereichen abfedern können. Außerdem hat man in der Öffentlichkeit durch die mit dem niedrigen Börsenstrompreis in die höhe getriebene EEG-Umlage inzwischen reichlich Druck aufgebaut, der in den nächsten Monaten im Rahmen der Novelle des EEG für einen weiteren Angriff auf die Energiewende ausgenutzt werden könnte.

Ausbau der Fotovoltaik

Wie dem auch sei, der Ausbau der Fotovoltaik scheint auch 2013 ganz gut voran gegangen zu sein, auch wenn noch keine Zahlen fürs ganze Jahr vorliegen. Die letzten sind vom November. Nach Angaben der Bundesnetzagentur sind im 11. Monat 2013 rund 219 Megawatt (MW) an neuer Leistung hinzugekommen. Damit wurden von Januar bis November 2013 3.139 MW neuer Solarleistung installiert. Angesichts der Verhinderungspolitik ist das eigentlich immer noch ein ganz beachtliches Ausbautempo. Pessimistisch kann man eigentlich nur sein, wenn man den außerordentlichen Boom der Vorjahre zum Maß der Dinge erklärt.

Immerhin hat der rasche Ausbau in Deutschland und einigen anderen europäischen Ländern inzwischen dazu geführt, dass die Fotovoltaik vor dem weltweiten Durchbruch steht. In zwei Jahren könnten die weltweiten Zubauraten schon bei über 50 Gigawatt pro Jahr liegen. Die Großmarktpreise für Solarmodule lagen im November nur noch bei 0,51 bis 0,7 Cent pro Watt Nennleistung. Das waren nochmals je nach Herkunftsland 10 bis 14 Prozent weniger als im Januar 2013. Lediglich chinesische Produkte machten eine Ausnahme, sie haben sich leicht verteuert. Vermutlich aufgrund des Abkommens mit der EU, dass Strafzölle bei zu niedrigen Preisen vorsieht.

Übrigens: Die Netzagentur berücksichtigt nur Anlagen, die im Rahmen des EEG gefördert werden. Solarkraftwerke mit mehr als zehn MW oder solche, die lediglich für den Eigenbedarf arbeiten werden nicht gezählt. Der deutsche Ausbau könnte also auch noch etwas rascher erfolgt sein, nur führt darüber keiner so recht Buch.

Jedenfalls wurde aber zum 1. Januar die Vergütung von PV-Strom erneut abgesenkt. Nach Angaben der Bundesnetzagentur gibt es für Strom aus Neuanlagen künftig nur noch je nach Anlagengröße 9,47 bis 13,58 Cent. Der höchste Preis erzielt Strom aus Kleinanlagen von bis zu zehn Kilowatt Peak-Leistung, den geringsten gibt es für große Anlagen bis zehn Megawatt Peak-Leistung. Alles, was darüber hinaus geht, wird bereits seit der letzten EEG-Novelle nicht mehr gefördert.

Hat die derzeitige ungewöhnliche Verteilung von Kälte und Wärme etwas mit dem Klimawandel zu tun?

Über die aktuelle Hitzewelle in Australien hatten wir ja bereits berichtet, ebenso über die nicht minder rekordverdächtige Kältewelle in den USA, die sogar Treibstoff gefrieren lässt. Die Kälte jenseits des Atlantiks ist die Folge einer eher ungewöhnlichen Konstellation in den gemäßigten Breiten der Nordhalbkugel, die Mitteleuropa das derzeitige sehr milde Wetter, dem Mittelmeerraum ein Niederschlagsdefizit und den Britischen Inseln eine ganze Serie von schweren Stürmen und Sturmfluten beschert. Auch Spaniens Nordwesten war betroffen (Wellen am Atlantik immer größer).

Die Vorhersage für den vergangenen Montag (6.1., siehe Abbildung) zeigt deutlich die Verteilung der regionalen Abweichungen von den Durchschnittstemperaturen. Blau und Grün zeigen leichte Abweichungen nach unten, Violett sehr starke. Gelb und Rot markieren Abweichungen nach oben. Die Grafik veranschaulicht ganz gut, dass es wenig Sinn macht, allein aus sehr mildem Wetter an einem Ort oder besonders kaltem an einem anderen auf die Verhältnisse der ganzen Hemisphäre oder gar die globalen zu schließen.

Ein Zusammenhang mit dem Klimawandel lässt sich erst etablieren, wenn weitere Indizien hinzukommen. Die derzeitige ungewöhnliche Verteilung von Kälte und Wärme könnte zum Beispiel an Veränderungen im Jet Stream liegen, einem mächtigen Windband in größeren Höhen, das polare und gemäßigte Luft voneinander trennt. An ihm ziehen die das Wetter unserer Breiten bestimmenden Tiefdruckgebiete entlang. Offensichtlich mäandriert dieses Windband im Augenblick besonders stark.

Was der Auslöser für die aktuelle Situation ist, ist unklar. Es gibt jedoch einige Meteorologen, die auf einen Zusammenhang zwischen dem abnehmenden Eis in der Arktis und den damit geringeren Temperaturgegensätzen einerseits und den stärkeren Ausschlägen des Jet Streams nach Nord und Süd andererseits hinweisen. Die Forschung dazu ist aber relativ neu und noch nicht abgeschlossen.