Brexit: Labour hält sich nicht an Neuwahl-Versprechen
Obwohl das Oberhaus ihr No-No-Deal-Gesetz passieren ließ, will die Opposition am Montag die Verabschiedung einer Unterhauswahl am 15. Oktober blockieren
Gestern ließ das britische Oberhaus ein am Mittwoch vom Unterhaus verabschiedetes Gesetz passieren, das die britische Regierung verpflichtet, am 19. Oktober in Brüssel einen Antrag auf einen Aufschub des Austritts aus der EU zu stellen, wenn es bis dahin keinen mehrheitsfähigen Austrittsdeal gibt. Versuche dieses Gesetz zu blockieren, gab es im Oberhaus nicht. Mit der Befürchtung solcher Versuche hatte der Labour-Party-Chef Jeremy Corbyn seine Weigerung begründet, noch am Mittwoch Neuwahlen zuzulassen (vgl. Brexit: Unterhaus verabschiedet Verlängerungszwang).
Gestern verkündete Corbyn dann, dass seine Labour Party dem von Boris Johnson für Montag angekündigten erneuten Antrag auf Neuwahlen am 15. Oktober trotz der verzögerungslosen Genehmigung im Oberhaus nicht zustimmen werde. Darauf habe er sich mit den Führungskräften der Liberaldemokraten, der Scottish National Party (SNP) und der walisischen Plaid Cymru geeinigt.
Twitter-Angebot von Nigel Farage
Einen Tag davor hatte Nigel Farage, der Gründer der Brexit Party, Johnson auf Twitter das Angebot gemacht, bei einer vorgezogenen Neuwahl zusammenzuarbeiten, um einen "sauberen Brexit" sicherzustellen. So eine Zusammenarbeit würde Corbyns Chancen auf einen Wahlsieg deutlich schmälern.
Während Vertreter der Labour Party und der SNP ihren Sinneswandel offiziell damit begründeten, dass ihnen die Zustimmung des Oberhauses nun doch nicht als Sicherheit reicht, wirkte die davon abweichende Erklärung der Plaid-Cymru-Fraktionschefin Liz Saville Roberts erfrischend ehrlich: "Wir haben", so die Waliserin, nun "eine Gelegenheit, Boris [Johnson] zu Fall zu bringen, und die sollten wir nutzen". Die Liberaldemokraten hatten sich bereits am Dienstag und Mittwoch gegen vorgezogene Neuwahlen ausgesprochen.
SNP-Chefin hofft auf erneutes schottisches Unabhängigkeitsreferendum im nächsten Jahr
Bei der SNP könnte die Hoffnung im Vordergrund stehen, dass ihr ein anderer Premierminister als Boris Johnson eher ein erneutes Unabhängigkeitsreferendum gewährt, das die Regionalregierungschefin Nicola Sturgeon im nächsten Jahr anstrebt. Der deutschen Tageszeitung Die Welt sagte sie am Freitag, es sei "viel besser, selber die Kontrolle zu haben", und die komme "mit der Unabhängigkeit".
Die von Liz Saville Roberts angesprochene "Gelegenheit, Boris [Johnson] zu Fall zu bringen" besteht darin, ihn zwischen zwei Übeln wählen zu lassen: Entweder bricht er sein Versprechen, Großbritannien spätestens zum 31. Oktober aus der EU zu führen - oder er tritt zurück. Auf Fragen dazu verweist Johnson bislang weiter auf die Möglichkeit, dass er in Brüssel einen neuen Deal ohne Backstop-Falle heraushandeln könne.
Optionen, dem Dilemma zu entkommen
"Ich werde", so der Premierminister gestern, "nach Brüssel gehen. Ich werde ein Abkommen erreichen. Und wir werden am 31. Oktober austreten. Das müssen wir machen." Der finnische Ministerpräsident Antti Rinne, dessen Land gerade den EU-Vorsitz innehat, meinte auf diese Möglichkeit hin angesprochen, man sei zwar "offen für Vorschläge aus London", werde aber den mit Theresa May ausgehandelten Deal "verteidigen", weil er der "bestmögliche" sei.
Andere Optionen, dem Dilemma zu entkommen, scheinen noch theoretischer. Dass sich das Staatsoberhaupt, das Johnson gestern traditionsgemäß im schottischen Balmoral besuchte weigert, ein Gesetz des Parlaments zu akzeptieren, kam schon so lange nicht mehr vor, dass es als ausgeschlossen gilt. Und die Option, dass Johnson ein EU-Land zu Hilfe kommt und eine beantragte Terminverschiebung verweigert, ist nach dem Ausscheiden Matteo Salvinis aus der italienischen Regierung noch unwahrscheinlicher geworden als sie vorher schon war.
Edinburgher Gericht und High Court wiesen Klage gegen Parlamentsferien ab
Angesichts dieser Lage scheinen die Klagen, die gegen Boris Johnsons Parlamentspause eingelegt wurden, eher obsolet. Die Kläger hatten sie nämlich damit begründet, dass sie dem Parlament zu wenig Zeit geben würden, einen No-Deal-Brexit zu verhindern. Entsprechend wenig überraschend wies ein Edinburgher Gericht eine der Klagen am Mittwoch ab. Ebenso entschied der Londoner High Court, der jedoch eine Berufung vor dem Supreme Court zuließ.
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