Brexit Party schießt in Umfrage auf Platz 1
Tories sind auf 15 Prozent abgesackt und haben Schwierigkeiten, für einen Wahlkampf zu motivieren, den sie eigentlich nicht wollen
In einer neuen YouGov-Umfrage zur Europawahlabsichten im Vereinigten Königreich ist Nigel Farages Brexit Party (die erst letzte Woche von acht auf 15 Prozent zugelegt hatte) mit einem Zuwachs von 15 Punkten neue stärkste Partei vor der von 24 auf 22 Prozent abgesackten Labour Party. Farage hatte bereits vor der Veröffentlichung der neuen YouGov-Umfrage zum Kurs von 3 zu 1 tausend Pfund darauf gewettet, dass seine Brexit Party bei der Europawahl stärkste britische Partei wird.
Noch deutlich weniger Wähler als für die Labour Party würden für Theresa Mays Tories stimmen, die nun mit nur mehr 15 Prozent Stimmenanteil abgeschlagen auf Platz drei liegen. Die Plätze dahinter teilen sich die bei sieben Prozent liegende UKIP (die unter anderem den You-Tube-Star Carl Benjamin alias Sargon of Akkad aufgestellt hat) und diverse "Remainer"-Parteien, die einen Verbleib des Vereinigten Königreichs in der EU befürworten.
34 Prozent eindeutige Brexiteers zu 29 Prozent eindeutige Remainer
Die stärkste von diesen Parteien wären aktuell mit zehn Prozent die Grünen. Auf sie folgen mit neun Prozent Stimmenanteil die Liberaldemokraten, die bei der letzten Europawahl 2014 auf 6,61 Prozent Stimmenanteil kamen. Für die unter dem Namen "Change UK" antretende Abspaltung aus ehemaligen Labour- und Tory-Abgeordneten (vgl. Drei Tory-Abgeordnete schließen sich Labour-Abspaltung an), die mit dem ehemaligen konservativen Gesundheitsminister Stephen Dorrell antritt, würden sechs Prozent der Wähler stimmen.
Rechnet man die eindeutig positionierten Lager zusammen, kommen Brexit-Party und UKIP gemeinsam auf 34 und Grüne, Liberaldemokraten und Change UK auf 25 Prozent. Selbst dann, wenn man die gemeinsam bei vier Prozent gemessenen schottischen und walisischen Regionalparteien SNP und Plaid Cymru hinzurechnet, hätte dieses Lager fünf Punkte weniger als das der Brexiteers.
Tories gespaltener als Labour
Die Labour-Partei steht aktuell für einen "Soft Brexit" mit anschließender Zollunion, die ihr Parteichef Jeremy Corbyn in seinen Verhandlungen mit Premierministerin Theresa May durchsetzen will. Richard Corbett und 19 weitere Labour-Abgeordneten drängten ihn letzte Woche brieflich dazu, sich vor den Europawahlen öffentlich für ein zweites Referendum auszusprechen. Damit soll die Labour Party vor der Europawahl Stimmen einsammeln, die in den aktuellen Umfragen an Remainer-Parteien gehen.
Noch deutlich stärker gespalten sind die Tories, die Schwierigkeiten haben, ihre Mitglieder für einen Wahlkampf zu motivieren, der dem Willen ihrer Vorsitzenden nach eigentlich überflüssig sein soll. Theresa May strebt nämlich an, bis zum 22. Mai die Zustimmung des Unterhauses zu ihrem Brexit-Deal oder einer anderen Ausstiegsoption zu erreichen. Gelingt das nicht, hat sie als nächste Deadline den 1. Juli angepeilt - den Tag, bevor das neue Europaparlament erstmals zusammentritt.
Schwester von Jacob Rees-Mogg tritt für Brexit Party an
Die Gespaltenheit der Tories in der Brexit-Frage spiegeln auch die Kandidaten für die Europawahl wider: Der "Erz-Remainer" Sajjad Karim, der ihr Spitzenkandidat im Nordwesten Englands ist, kommt Nigel Farage dabei ausgesprochen entgegen. Der ehemalige UKIP-Chef hatte am Wochenende vor der aktuellen YouGov-Umfrage seine eigene Kandidatenliste präsentiert, auf der für jeden Briten etwas dabei ist: Vom Medizinstudenten Joel Chilaka über die Politikstudentin Dominique Samuels und den Geschäftsmann Ben Habib bis hin zu Annunziata Rees-Mogg, der Schwester des Tory-Brexiteers Jacob Rees-Mogg.
Dass Farage sich von seiner alten UKIP trennte, sahen manche britische Medien zuerst als Hindernis - tatsächlich könnte es ein Vorteil sein, weil er nun mit neuen Kandidaten ohne den personellen und ideologischen Ballast antreten kann, der sich in seiner alten Partei im Laufe der Jahre angesammelt hat. Damit lassen sich potenziell mehr ehemalige Tory-Wähler ansprechen, die mit dem bisherigen Verlauf des Ausstiegsprozesses unzufrieden sind.
Für die Kandidatenliste der Brexit Party hatten sich über tausend Briten beworben. Andere spendeten kleine Beträge, die sich auf inzwischen mehr als 750.000 Pfund summierten. Und anders als weniger unterhaltsame Politiker kann Farage sogar dann Hallen füllen, wenn er von seinen Zuhörern zweieinhalb Pfund Eintritt verlangt, um den Wahlkampf zu finanzieren.
Die neuen Umfragewerte dürften auch Einfluss auf die Stimmung im Unterhaus haben, das derzeit in der Osterpause weilt und seine Beratungen am Dienstag fortsetzen will. Dann wollen sich auch die Verhandlungsteams von Theresa May und Jeremy Corbyn erneut treffen, um über die Bedingungen der Labour Party für eine Zustimmung zu einem Ausstiegsvertrag zu sprechen. Kabinettsminister David Lidington zufolge wird es dabei auch darum gehen, wie sich Corbyns Wunsch nach einer Zollunion mit der EU mit Mays Wunsch verbinden lässt, neue Freihandelsabkommen abzuschließen.
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