Drei Tory-Abgeordnete schließen sich Labour-Abspaltung an
Mit 324 von insgesamt 650 Abgeordneten hat Theresa Mays Bündnis nun theoretisch keine Mandatsmehrheit mehr
Am Montag verkündeten der ehemals als Labour-Vorsitzender gehandelte Chuka Umunna und sechs weitere britischen Labour-Abgeordnete im britischen Unterhaus, zukünftig als "unabhängige Gruppe" im Unterhaus von Westminster zu agieren (vgl. Abspaltung von der britischen Labour Party). Danach appellierte Umunna an Mitglieder anderer Parteien, dort ebenfalls auszutreten und sich seiner Gruppe anzuschließen.
Nach Joan Ryan, einer weiteren Labour-Mandatsträgerin, sind diesem Aufruf heute die drei Tory-Abgeordneten Heidi Allen, Sarah Wollaston und Anna Soubry gefolgt. Dadurch ist die neue Fraktion, die sich in Sozialen Medien die Abkürzung "GIMPs" ("Kordeln") für ("Group of Independent Members of Parliament") eingefangen hat, nun zusammen mit den ebenfalls elf Abgeordnete umfassenden Liberaldemokraten die viertstärkste nach Konservativen, Sozialdemokraten und schottischen Separatisten.
Schlacht verloren
Bei allen drei ausgetretenen Tories handelt es sich um dezidierte Brexit-Gegner. In einem offenen Brief an die Bürger ihres Wahlkreises meinte Soubry dazu, sie habe nun mehr mit ihrem neuen Fraktionskollegen Chris Leslie gemeinsam, der aus der Labour Party austrat, als mit vielen Abgeordneten ihrer alten Partei. "Die Schlacht" bei den Konservativen, so Soubry heute auf einer Pressekonferenz", sei geschlagen - und gewonnen habe "die andere Seite", die "Harte-Linie-Anti-EU-Bockbeinig-Truppe", die "in den letzten 40 Jahren jeden Anführer vernichtet" habe und die Partei nun "vom Scheitel bis zur Sohle" beherrsche.
In einer gemeinsamen Erklärung postulieren die drei außerdem, die Konservativen seien auch in den Klauen ihres kleinen Regierungsbündnispartners gefangen, der nordirischen Protestantenpartei DUP. Dass "eine Partei, die einst mehr als jede andere der Wirtschaft vertraute, das Land nun rücksichtslos auf die No-Deal-Klippe zumarschieren lässt", könnten sie, so Soubry. Allen und Wollaston, nicht mit ihren Gewissen vereinbaren.
Sinn Féin garantiert indirekt praktische Regierungsmehrheit
Da es im britischen Unterhaus insgesamt 650 Sitze gibt, hat das Regierungsbündnis von Premierministerin Theresa May nun theoretisch seine Mehrheit verloren. Die Tories verfügten dort bis heute über 317 Sitze, die DUP, die mit ihr zusammenarbeitet, hatte weitere zehn. Zieht man von diesen addierten 327 die der drei Aussteiger ab, bleiben mit 324 zwei weniger als für eine absolute Mehrheit nötig. Dafür, dass dieser theoretische Mehrheitsverlust kein praktischer ist, sorgt die nordirische Katholikenpartei Sinn Féin, deren sieben Abgeordnete dem Parlament aus ideologischen Gründen fernbleiben, weshalb sie auch nicht gegen die Regierung stimmen können.
Darüber hinaus verlautbarten die drei Tory-Abtrünnigen auch, sie seien bereit, Mays Regierung in Fragen abseits des Brexits weiter zu unterstützen. In der Abstimmung Mitte Januar hatte Theresa May schon vor dem Austritt von Heidi Allen, Sarah Wollaston und Anna Soubry keine Mehrheit (vgl. UK: Unterhaus stimmt gegen Mays Brexit-Vertrag). Für die Absetzung der Premierministerin durch ein Misstrauensvotum, die der Labour-Chef Jeremy Corbyn am Tag danach versuchte, reichten die Stimmen im Unterhaus aber auch nicht (vgl. May übersteht Misstrauensvotum).
Labour-Sprecher: "Effektiv eine Establishment-Koalition"
May meinte nach dem Austritt ihrer drei Ex-Parteifreundinnen, sie sei deshalb "traurig", werde aber fortfahren, eine "anständige, moderate und patriotische Politik" anzubieten. Die Mitgliedschaft in der EU war ihren Worten nach "lange Zeit eine Quelle der Zwietracht - sowohl für unsere Partei als auch für unser Land". Deshalb sei es erwartbar gewesen, dass eine Beendigung dieser Mitgliedschaft keine einfache Sache wird. Dadurch, dass man die Entscheidung des britischen Volkes umsetze, mache man aber das Richtige für das Vereinigte Königreich und könne sich danach "einer besseren Zukunft zuwenden".
Die GIMPs hießen ihre neuen Fraktionskollegen via Twitter öffentlich willkommen und postulierten, beide große britische Parteien seien "kaputt". Ein Sprecher der Labour-Partei meinte dazu, die neue Gruppe sei "effektiv eine Establishment-Koalition" auf der Grundlage einer Politik, die "in der Vergangenheit gescheitert" und von den Wählern abgelehnt worden sei.
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