Brexit: Unterhaus lehnt auch No-Deal-Ausstieg ab

Grafik: TP

Entscheidung öffnet Weg in Abstimmung über ein Verschieben des Austrittstermins

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Im britischen Unterhaus kam gestern Abend erwartungsgemäß auch für einen Ausstieg Großbritanniens aus der EU zu den Konditionen der Welthandelsorganisation WTO keine Mehrheit zustande. 321 Abgeordnete stimmten dagegen, 278 dafür.

Das Ergebnis dieser Abstimmung ist allerdings insofern nur von symbolischer Bedeutung, als das Vereinigte Königreich der geltenden Rechtslage nach mit oder ohne Austrittsabkommen zum 29. März aus der EU ausscheidet. Bedeutsam ist es lediglich deshalb, weil es den Weg für eine weitere Abstimmung im Unterhaus öffnet, die heute Abend stattfinden soll: Eine Abstimmung über ein Verschieben des Austrittstermins. Eine Mehrheit dafür könnte zustande kommen, wenn sich genügend Oppositionsabgeordnete dem May-Lager anschließen, das so eine Verschiebung befürwortet.

Malthouse-Kompromiss

Gegen so eine Verschiebung ist unter anderem der ehemalige britische Außenminister Boris Johnson, der stattdessen den so genannten Malthouse-Kompromiss befürwortet, den das Parlament mit 374 zu 164 Stimmen ablehnte. Dieser auch von Jacob Rees-Moggs European Research Group (ERG) favorisierte Plan sieht vor, dass sich das UK und die EU informell an die vereinbarten Übergangsregeln- und fristen halten und bis dahin ein Freihandelsabkommen ausarbeiten.

Ausgenommen von der informellen Gültigkeit soll die "Backstop"-Regelung sein, die vorsieht, dass das Vereinigte Königreich faktisch so lange Mitglied der EU bleibt, bis in der Nordirlandfrage eine Lösung gefunden wird, mit der beide Seiten zufrieden sind. Aus so einer faktischen Backstop-Mitgliedschaft könnte das UK der Ansicht von Jacob Rees-Mogg und anderen Brexiteers nach sehr viel schwerer aussteigen als jetzt aus der EU.

Labour-Abgeordnete setzen trotz schlechter Umfragewerte auf Neuwahlen

In der Labour-Party hoffen Abgeordnete wie Rushanara Ali aus London dagegen immer noch auf einen Rücktritt von Theresa May, auch wenn die letzten Umfragen bei einer Neuwahl durchwegs die Tories mit deutlichem Abstand vorne sehen.

Die EU-verbleibsfreundliche Labour- und Tories-Abspaltung GIMPs favorisiert dagegen ebenso wie die schottischen Separatisten von der SNP ein zweites Referendum, auf das auch der wahrscheinlich künftige EU-Kommissionschef Manfred Weber hofft. Ohne diese oder eine ähnliche "Vision" wäre der Wildenberger gegen einen Aufschub des Austritts.

Zölle auf Autos, Rindfleisch und Cheddar-Käse geplant

Andere Politiker wie der slowakische Europaabgeordnete Richard Sulik, die polnische Europaabgeordnete Danuta Huebner und der bulgarische Ministerpräsident Boyko Borissov richten sich dagegen ihren eigenen Angaben nach auf einen Ausstieg ohne Abkommen ein. Das macht auch die britische Regierung, die am Mittwoch verkündete, im Falle eines Auscheidens am 29. März 82 Prozent aller Importe vorerst von Zöllen auszunehmen. Durch diese Maßnahme sollen Grenzkontrollen zwischen Nordirland und der Republik Irland vermieden werden.

Nicht zu diesen 82 Prozent gehören wird eine Warengruppe, die vor allem deutsche Hersteller trifft: fertige Automobile, auf die ein Zoll in Höhe von elf Prozent aufgeschlagen wird. Zwei andere Warengruppen kümmern dagegen vor allem Hersteller und Händler in der Republik Irland: Rindfleisch und Cheddar-Käse. Die irische EU-Ministerin Helen McEntee befürchtet eine "absolute Katastrophe für die irische Landwirtschaft", wenn das Vereinigte Königreich dafür nach dem 29. März Importgebühren verlangt.

Da jedoch vorerst auch Zollkontrollen an der Grenze zwischen der Republik Irland und Nordirland unterbleiben sollen, ist fraglich, inwieweit sich diese Zölle nicht nur theoretisch, sondern praktisch auswirken. Diese Frage stellt sich auch für einen Teil der deutschen Automobile, die als Luxusgüter relativ unempfindlich gegen Preissteigerungen sind: Kosten sie mehr, erhöht sich potenziell auch ihr Prestigewert.

Die EU-Kommission will dagegen Zölle auf mehr britische Produkte erheben, wie ein Sprecher der Kommission gestern der ARD in Aussicht stellte: Man werde, so der Funktionär, "die Integrität des Binnenmarkts und der Zollunion unter allen Szenarien sicherstellen" und "Großbritannien genau wie andere Drittländer auch behandeln", um "ein verlässlicher Handelspartner für die übrige Welt zu bleiben".

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