Brexit: Woche der Entscheidungen
Am Dienstag, Mittwoch und Donnerstag stimmt das britische Unterhaus über Mays Deal, einen Ausstieg ohne Deal und eine Verschiebung des Ausstiegstermins ab
Am 8. Januar sah die Wettbörse PredictIt die Wahrscheinlichkeit, dass das Vereinigte Königreich wie geplant am 29. März aus der EU austritt, bei 41 Prozent. Einen Monat später waren diese 41 Prozent auf 36 Prozent zurückgegangen. Am 8. März hatte sich dieser Wert dann noch sehr viel deutlicher verringert: Auf jetzt nur mehr bloße 18 Prozent.
Wie die Wetten ausgehen, entscheidet sich am Dienstag, Mittwoch und Donnerstag: Am Dienstag stimmt das britische Unterhaus erneut über Theresa Mays Brexit Deal ab, den die EU nicht mehr ändern, sondern höchstens mit zusätzlichen Erklärungen ergänzen will. Lehnt es den Deal erneut ab, entscheidet es am Mittwoch über einen Ausstieg ohne Vereinbarung am 29. März. Findet auch der keine Mehrheit, wird am Donnerstag darüber abgestimmt, ob man den Austritt verschieben soll.
Erneutes Treffen zwischen May und Juncker
Vor dieser Abstimmungskaskade will sich die britische Premierministerin in Brüssel noch einmal mit dem EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker treffen. Ihr Brexit-Minister Steven Barclay und ihr Generalstaatsanwalt Geoffrey Cox hatten dort letzte Woche nichts erreicht, als sie dem EU-Generalunterhändler Michel Barnier vorschlugen, dass die in Artikel 178 der Austrittsvereinbarung vorgesehene Schiedsstelle das Vereinigte Königreich nicht erst dann von einem Backstop-Verbleib in einer Zollunion mit der EU entbindet, wenn sie den Eindruck hat, dass die EU-Vertreter nicht wirklich an einer langfristigen Lösung arbeiten, sondern bereits dann, wenn sie meint, dass dabei nichts mehr herauskommt.
Der Franzose lehnte das ebenso ab wie eine Lösung ohne Zollunion und ohne Kontrollposten an der Grenze zwischen Nordirland und der Republik Irland und brachte stattdessen den leicht modifizierten alten Wunsch der EU erneut aufs Tablett, Nordirland in einer Backstop-Zollunion mit der EU zu belassen und lediglich mit England, Wales und Schottland wirklich auszutreten. Diesen Vorschlag hatte in der Vergangenheit vor allem die nordirische Protestantenpartei DUP abgelehnt, die Mays Tories im Regelfall zu Mehrheiten im Parlament verhilft. Sie fürchtet, dass es dann Zollkontrollen zwischen Nordirland und dem Rest des Vereinigten Königreichs geben würde.
Warnung an EU und Tories
Barclay wies Barniers Angebot deshalb erwartungsgemäß zurück und meinte auf Twittter, es sei "nicht die Zeit, noch einmal alte Argumente aufzugreifen". Stattdessen müsse man eine "ausgewogene Lösung" finden, "die für beide Seiten funktionieren kann".
Darauf hofft anscheinend auch May noch, die sich in einer Rede im nordostenglischen Grimsby womöglich weniger an die persönlich Anwesenden als an die Vertreter der EU-Kommission und der anderen EU-Mitgliedsländer richtete, als sie verlautbarte, die "Entscheidungen der EU in den nächsten Tagen" würden einen "großen Einfluss" auf das Ergebnis der britischen Unterhausabstimmung am Dienstag haben. Damit dort eine Mehrheit der Abgeordneten zustimmen kann, fehlt ihr zufolge nur noch "ein einziger Schubs".
An die Abgeordneten ihrer eigenen Partei gerichtet schien dagegen folgende Passage in Mays Grimsby-Rede:
Es geht darum, den Brexit-Deal zu unterstützen - oder ihn zurückzuweisen. Unterstützt ihn - und das Vereinigte Königreich wird die EU verlassen. Weist ihn zurück - und niemand weiß, was passieren wird. Wir könnten für viele weitere Monate in der EU bleiben. Wir könnten ohne die Schutzmechanismen ausscheiden, die der Deal liefert. Oder wir könnten die EU überhaupt nicht mehr verlassen. (Theresa May)
Strukturwandelfonds könnte nordenglische Labour-Abgeordnete zur Zustimmung bewegen
Dass alle Tory- und DUP-Abgeordneten am Dienstag für ihren Deal stimmen, ist trotzdem sehr unwahrscheinlich. May ist deshalb darauf angewiesen, dass auch Abgeordnete der Opposition dafür votieren. Medienberichten nach wurden dafür vor allem Labour-Abgeordnete kontaktiert, die ihre Wahlkreise in Nordengland haben, wo die Bürger bei der Brexit-Volksabstimmung häufig mit recht klaren Mehrheiten für einen Austritt aus der EU waren. Den Informationen der Boulevardzeitung The Sun nach könnten dazu etwa 30 Labour-Politiker bereit sein.
Der Labour-Schattenschatzkanzler John McDonnell wirft May wegen dieser Konstellation vor, dass sie sich mit einem gerade aufgelegten 1,6 Milliarden Pfund schweren Stronger Towns Fund für potenziell besonders vom Brexit betroffene Kommunen Stimmen von Labour-Abgeordneten "kaufen" will, die sich mit einem Votum für einen mit Geld für ihre Wähler verbundenem Ausstieg bessere Wahlchancen erhoffen als im Falle einer Blockade.
Mays Kommunalminister James Brokenshire meinte zu diesem Vorwurf, die Strukturwandelbeihilfen würden "unabhängig vom Ergebnis" gezahlt und und könnten einen entscheidenden "Unterschied ausmachen, wenn es darum geht, Arbeitsplätze zu schaffen, die Fähigkeiten tatsächlich einzusetzen und das Leben der Menschen in einer modernen, positiven Wirtschaft zu verändern".
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