Bricht die Linkspartei mit der Friedensbewegung?

Seite 3: Brauchen wir die Rüstungsausgaben für soziale Zwecke?

Der Einwand von Stephan Schleim ist, dass auch ohne Senkung der Militärausgaben genug Geld vorhanden wäre, was er mit Zahlen aus den Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie belegt. Diese Sichtweise greift jedoch zu kurz. Sozialausgaben sind im Bundeshaushalt Transfergelder, während Militärausgaben im Wesentlichen in die Funktionsgruppe "Allgemeine Dienste" fallen, d.h. als Ausgaben für Institutionen des Bundes mit personellen und materiellen Ressourcen.

Bei einem Gesamtumfang von rund 104 Milliarden Euro im Haushaltsjahr 2021 entfallen davon 47 Milliarden Euro für "Verteidigung" und damit an das mit Abstand größte Dienstleistungsunternehmen des Bundes, mit einer Gesamtpersonalstärke (militärisch und zivil) von ca. 200.000, bei insgesamt ca. 500.000 Bundes-Bediensteten.

Die Frage ist deshalb, welche nützlichen "Dienstleistungen" von diesem Apparat in der Vergangenheit erbracht werden. Genannt werden können hier aber nur wiederholte Großeinsätze bei Hochwasserkatastrophen.

Wesentlich effizienter wäre dazu aber das strukturell ausbaufähige Technische Hilfswerk (THW), das sich derzeit auf etwa 1.200 hauptamtliche und 80.000 ehrenamtliche Mitarbeiter stützt. Auch werden statt irrwitziger neuer Kampfjets mit Drohnenschwärmen künftig Hubschrauber benötigt, die zur Bekämpfung von Waldbränden tatsächlich geeignet sind.

Mit solchen "Allgemeinen Diensten" im Bundeshaushalt kann die öffentliche Daseinsvorsorge direkt und kosteneffizient verbessert werden. Als Nebenwirkung wären damit auch viele Transfergelder für permanent notwendige Sozialleistungen verfügbar.

Brauchen wir eine europäische Armee?

Faktisch lassen sich für die "Armee im Einsatz" keine Ziele darstellen, die ohne die offene Bezugnahme auf Wirtschaftsinteressen kommuniziert werden könnten. Überlegungen für eine "europäische Verteidigungsarmee", wie von Stephan Schleim ins Spiel gebracht, sind aber allein wegen der Unschärfe des Begriffes "europäisch" unsinnig. Notwendig ist die Stärkung bzw. Wiederbelebung gesamteuropäischer Strukturen wie die der OSZE und des Europarates unter Einschluss Russlands.

Nur die Rückkehr zu den 1975 beschlossenen Prinzipien der "Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa", in dessen Nachfolge die OSZE steht, kann die zunehmende militärische Unsicherheit durch die Nato-Konfrontation gegenüber Russland entschärfen und eine neue Ära der globalen Kooperation einleiten. Eine sozial-ökologische Konversion kann heute nur global gelöst werden, was nur ohne militärische Aufrüstung und den Aufbau von Feindbildern gegen Russland und China möglich ist.

"Landesverteidigung" kann heute nur noch gegen global gemeinsam auftretende Folgewirkungen des Kapitalismus und insbesondere seinen neoliberalen Ausprägungen erfolgen. Diese heißen vor allem: Unvermittelt auftretende Umweltkatastrophen durch Wetterextreme, schleichende Umweltzerstörungen und soziale Verwerfungen.

Die globale Friedensfrage ist hierfür nach wie vor die Schlüsselfunktion. "Ohne Frieden ist alles nichts" stand sogar als Zwischenüberschrift im ausführlichen Wahlprogramm der Linken. Offen bleibt aber, für wen und für welchen Zweck dieses Wahlprogramm verfasst wurde.

Karl-Heinz Peil gehört zu den Mitverfassern der Erklärung von Frieden-Links: Das Debakel war vorauszusehen - was lernen wir daraus?