Briten sollen länger auf dem Klo sitzen, als sie körperlich aktiv sind
Eine interessengeleitete Umfrage wird von einer Studie ergänzt, nach der 150 Minuten körperlicher Aktivität wöchentlich 13 Prozent der Todesfälle verhindern soll
Bewegung soll über alles gehen und die Menschen länger gesund erhalten. Gerade wurde eine Studie in The Lancet veröffentlicht, nach der 30 Minuten körperlicher Aktivität an 5 Tagen in der Woche weltweit einen von 12 Todesfällen verhindern soll. Zudem könnten 5 Prozent von Herz-Kreislauf-Erkrankungen verhindert werden. Dabei sei es egal, ob man Sport treibt, in die Arbeit geht oder körperlich im Job oder im Haushalt arbeitet.
Die Wissenschaftler haben für ihre Studie die Daten von 130.000 Menschen im Alter von 35 bis 70 Jahren aus 17 Ländern ausgewertet. Die Teilnehmer gaben Informationen über ihren sozioökonomischen Status, ihre medizinische Geschichte, die Familiengeschichte von Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie über ihr Gewicht, ihre Größe, ihren Blutdruck und ihren Bauchumfang an. Zudem füllten sie eine Woche lang einen Fragebogen aus, in dem sie Art und Länge der körperlichen Aktivitäten festhielten. Alle drei Jahre wurden sie während einer Zeitspanne von 6,9 Jahren kontaktiert, um Informationen über Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Todesfälle zu erhalten.
Von den fast 107.000 Teilnehmern, die die WHO-Richtlinien von 150 Minuten mittelmäßig anstrengender körperlicher Aktivität in der Woche erfüllten, starben 3,8 Prozent an Herz-Kreislauf-Erkrankungen, von den 23.549 Teilnehmern, die sich weniger bewegten, starben 5,1 Prozent. Das Sterberisiko war für diese mit 6,4 Prozent höher als bei den Aktiveren, bei denen es bei 4,2 Prozent lag. Aus den statistischen Korrelationen schließen die Wissenschaftler, dass dann, wenn in einem Land alle Menschen die WHO-Richtlinien einhalten würden, 8 Prozent aller Todesfälle und 4 Prozent der Todesfälle aufgrund von Herz-Kreislauf-Erkrankungen verhindert werden könnten. Eigentlich müsste man eher davon sprechen, dass vorzeitige Todesfälle verhindert werden bzw. der Todesfall nach hinten verschoben wird.
Wenn eine ganze Bevölkerung mehr als 750 Minuten wöchentlich körperlich aktiv wären, dann könnten statistisch 13 Prozent der Todesfälle oder 9,5 Prozent der Todesfälle aufgrund von Herz-Kreislauf-Erkrankungen verhindert werden. 18 Prozent der Teilnehmer erfüllten die Richtlinien nicht, 44 Prozent waren sehr aktiv oder hatten dies zumindest angegeben, da die tatsächliche körperliche Aktivität nicht gemessen wurde, also der Verdacht besteht, das manche Teilnehmer diese ein wenig übertrieben haben. Ein Ergebnis ist jedenfalls, dass praktisch nur Menschen sehr aktiv sind, wenn sie einen Großteil der körperlichen Aktivität während der Arbeit, im Haushalt oder bei der Fortbewegung leisten. 40 Prozent aus dieser Gruppe kommen auf die 750 Minuten und mehr wöchentlich, während es nur 2,9 Prozent von denen sind, die aktiv in der Freizeit sind.
Tödliche "Inaktivitätskrise"?
Dazu passt die Umfrage, die für die britische Organisation ukactive, die die Briten aktivieren will, zum National Fitness Day am 27. September durchgeführt wurde. Das geschieht keineswegs uneigennützig, denn Mitglieder sind Fitnesscenter, alle Arten von Sport- und Sportausrüstungsfirmen, Livestyle-Unternehmen und Stiftungen, am National Fitness Day ist auch die private Krankenkasse AXA PPP healthcare beteiligt.
Wie zu erwarten, wird mit drastischen Ergebnissen aufgewartet. Man spricht von einer "Inaktivitätskrise", die jährlich 37.000 Menschen den Tod bringe und 20 Milliarden Pfund koste. Die Briten sollen sich länger auf dem Klo aufhalten, als sie sich körperlich betätigen. Durchschnittlich verbringe der Brite 3 Stunden und 9 Minuten wöchentlich auf dem Klo - vermutlich sitzend -, während er gerade einmal 1 Stunde und 30 Minuten körperlich aktiv sei, also die geforderte Zeit von 150 Minuten deutlich unterschreitet. 26 Prozent würden sogar weniger als 30 Minuten wöchentlich körperlich aktiv sein.
Nur 12 Prozent würden die Empfehlung der WHO und des britischen NHS kennen. 64 Prozent verbringen täglich mindestens 6 Stunden im Sitzenm was "signifikant das Risiko eines vorzeitigen Tods erhöht". 20 Prozent sagen, sie hätten so viel Arbeit, dass sie nicht zu mehr körperlicher Aktivität kämen. Allerdings hindert angeblich auch das Familienleben 18 Prozent der Männer und 12 Prozent der Frauen daran, etwas zu machen. Dafür gibt es aber auch Werbung für soziale Netzwerke: 41 Prozent der 18-24-Jährigen würden nämlich sagen, dass Bilder und Videos von Freunden oder Prominenten auf Instagramm würden sie motivieren, selbst körperlich aktiver zu werden. Das sei auch bei Facebook so, wobei von solchen Vor-Bildern eher Frauen als Männer angesteckt würden.
Die Botschaft lautet: "Menschen sind geschaffen, um sich zu bewegen, aber das moderne Leben hat körperliche Aktivität bis zu dem Punkt aus unserem Leben entfernt, wo wir mehr Zeit damit verbringen, einen Penny auszugeben, als zu schwitzen. … Körperliche Aktivität ist der stille Killer der Gesellschaft", so Steven Ward, der Geschäftsführer von ukactive.