Britische Army sucht exzessive Computerspieler, Klassenclowns und Selfie-Süchtige
Die Army hat die Rekrutierung privatisiert, aber nicht nur deswegen bleiben die jungen Mensch dem als "sinnvoll" verkauften Job fern
Die Briten sind seit Thatcher Vorreiter im Neoliberalismus, was immer bedeutet, den Staat zu schrumpfen und die angeblich allein seligmachende Privatisierung für den kapitalistischen Markt auszubauen. Kern des staatlichen, durch Steuergelder finanzierten Auftrags ist die Aufrechterhaltung der inneren und äußeren Sicherheit durch das Justizsystem, die Polizei und das Militär, letztlich geht es um die Sicherung des Eigentums. Man war 2012 in der konservativ-liberalen Regierung von David Cameron, der den schlanken Staat propagierte (Durch Privatisierung aus der Krise?), so auch der Meinung, die Rekrutierung von Armeesoldaten outsourcen zu müssen, weil das ja effektiver ist. Gewählt wurde Capita Business Services, um u.a. eine Online-Rekrutierung zu ermöglichen.
2013 sollte Capita beginnen, aber das Unternehmen schaffte es erst 2017 für den Preis von 113 Millionen britischen Pfund, das Dreifache der ursprünglich vereinbarten Kosten. Überdies hat das Unternehmen in den Jahren jährlich die Rekrutierungsvorgaben nicht erreicht, sondern zwischen 20 und 45 Prozent unterboten. 2017/2018 stiegen fast 50 Prozent aus dem Bewerbungsverfahren aus. Das Verfahren dauert zu lange, es gibt technische Probleme. Die britische Army hatte ihre Rekrutierungsbüros um die Hälfte verringert, um Kosten zu sparen, allerdings wird durch den zehnjährigen Outsourcing-Vertrag über fast 500 Millionen Pfund das Ziel nicht erreicht, 267 Millionen Pfund zu sparen.
Ob die Privatisierung daran schuld ist, dass die Army nicht genügend Rekruten findet, ist nicht sicher, auch in anderen Ländern haben die Militärs Probleme, Willige zu finden, die SoldatInnen werden wollen, auch die Öffnung für Frauen und bessere Angebote konnten die fehlenden Stellen nicht besetzen. Wahrscheinlich sind nicht nur demografische Gründe, also weniger junge Menschen, dafür verantwortlich, sondern auch die steigende Unlust, sich militärischer Disziplin zu unterwerfen, die sinkende Fitness der jungen Menschen, zu geringe finanzielle Anreize und die Weigerung, für das "Vaterland" den Tod zu riskieren, wenn zunehmend mehr Auslandseinsätze stattfinden, die mit nationaler Verteidigung nichts zu tun haben.
Eigentlich wollte man bis Ende 2018 erreichen, den Truppenbestand auf 82,500 erhöhen, aber mit 77.000 blieb man weit darunter. Capita hat nur 10 Prozent der geforderten oder erwünschten Offiziersrekruten für die Army und 7 Prozent für die anderen Ränge anwerben können, für die RAF, die Navy und die Marines sieht es etwas besser aus. Man habe, so heißt es, die "Komplexität unterschätzt". Vermutlich will man nun schnell mit einer neuen Rekrutierungskampagne die Attraktivität steigern.
Ähnlich wie die Bundeswehr (Slogan: "Mach, was wirklich zählt") setzt man offenbar darauf, dass das Militär sinnvolle Jobs anbieten kann, das dann wohl im Unterschied zu anderen Jobs in der Privatwirtschaft oder anderswo. Und weil es immer heißt, dass die Generation der Millennials weniger materiell und stärker wertorientiert sei, scheint man darauf zu hoffen, sie damit besser einfangen zu können. So zeige man in der Kampagne junge Menschen, die ehrgeizig sind, sich unterfordert sehen und daher für einen Job mit einem "echten Zweck" und "sinnvoller Arbeit" zu gewinnen seien. In einem Video ist eine natürlich hübsche junge und schwarze Frau zu sehen, die in einem Supermarkt arbeitet und von ihren Kollegen gemobbt wird. Eingeblendet sind Bilder von Soldaten bei Einsätzen, die u.a. Menschen im Ausland mit Nahrungsmitteln versorgen. Weil die junge Frau aber "perfektionistisch" ist und durchhalten kann, wäre sie für die Army geeignet.
Kampagne im Retro-Look
Mit einer Plakatkampagne versucht man bei den jungen Menschen anzukommen, die erst einmal gar nicht geeignet erscheinen, bei exzessiven Computerspielern, sensiblen, psychisch instabilen Mitgliedern der Generation Snowflakes, Klassenclowns, immer am Handy Hängenden, stets Selfies Machende oder ichbezogenen Millennials. Die letzte Kampagne zog Kritik auf sich, weil sie zu politisch korrekt gewesen sei. Die Army versuchte damit, pluraler und bunter zu werden, indem sie sich für Schwule, Muslime und Menschen mit Migrationshintergrund oder für solche öffnen wollte, die nicht "Superhelden" sind, sondern auch mal emotional reagieren.
Die aktuelle Kampagne kommt im weitgehend schwarz-weißen Retro-Look daher und ähnelt einer Rekrutierungskampagne aus dem Ersten Weltkrieg unter dem Slogan "Your Country Needs You". Jetzt sind die Köpfe von zwei Frauen und vier Männern, je ein Mann und eine Frau ist dunkelhäutig, während der Slogan personalisiert wird. Wie die Stereotpyen auf Geschlechter und Hautfarben verteilt werden, verrät die Vorurteile der Mitarbeiter der PR-Firma. So wird angeblich der exzessive Computerspieler als "Binge Gamer" deswegen von der Army gebraucht, weil er einen entsprechenden Antrieb habe. "Phone Zombies" sind natürlich Frauen, deren "Fokus" für die Army wichtig sei, während der Selfie-Süchtige - ein Schwarzer - wegen seines Selbstvertrauens, die Snowflakes wegen der Leidenschaft oder "ME ME ME Millenials" - eine Schwarze - wegen des Glaubens an sich selbst begehrt sind. Warum diese Eigenschaften für die Army, die gerade ihre letzten männliche Bastionen für Frauen geöffnet hat, interessant sind und was die Snowflakes, Selfie-Süchtigen oder ichbezogenen Millennials an Selbstverwirklichung bei der Army finden sollen, wird nicht weiter erklärt.
Generalmajor Paul Nanson sagt, die Kampagne zeige, dass die Army "hinter die Stereotypen sieht und das Potential in den jungen Menschen ausmacht", die Army sehe "Menschen anders" und verstehe auch den Antrieb, etwas Sinnvolles im Job zu machen. Der britische Verteidigungsminister Gavin Williamson meint, mit der Kampagne würden diejenigen angesprochen, die "als Teil eines innovativen und inklusiven Teams einen Unterschied machen wollen". Die Army biete "Kameradschaft, Abenteuer und Chancen wie kein anderer Job".