Britische Regierung stellt Haushaltsmittel für einen Hard Brexit bereit

Symbolbild: Piotr Kuczyński. Lizenz: CC BY-SA 4.0

Vor dem 29. März stockten viele Unternehmen ihre Lagerbestände massiv auf - das dürfte sich jetzt wiederholen

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Ein Slogan von Boris Johnson um Wahlkampf um den Tory-Vorsitz war: "Delays don't make deals - Deadlines do". Sprich: Um jemanden zu Zugeständnissen zu bewegen, darf man Entscheidungen nicht hinauszögern, sondern muss glaubhaft machen, dass man bereit ist, auch ohne sein Angebot auszukommen. Diesem Slogan entsprechend hat Johnson auch sein Kabinett gestaltet (vgl. Neue Minister: Boris Johnson suggeriert Brüssel, dass er es ernst meint).

Sajid Javid, der darin neuer Finanzminister ist, sagte dem Telegraph gestern, er werde jetzt mit "neuen Prioritäten" bis zu eine Milliarde Pfund für einen so genannten "Hard Brexit" ohne Ausstiegsabkommen bereitstellen. Mit diesem Geld könnten dann unter anderem 500 neue Grenzbeamte eingestellt und Infrastrukturmaßnahmen für eine schnellere Zollabfertigung finanziert werden.

Keine napoleonische Kontinentalsperre

Britische Händler und Produzenten hatten sich bereits in der Zeit vor dem 29. März auf einen Hard Brexit vorbereitet. Die Importe aus anderen EU-Ländern nahmen in der Zeit davor stark zu, weil die Unternehmen ihre Lager füllten, um auf mögliche Engpässe und Teuerungen vorbereitet zu sein. Den Zahlen der Frachtbörse Timocom lagen deshalb die LKW-Transporte im ersten Quartal 2019 um 119 Prozent über dem Vorjahresniveau, wobei besonders die Lieferungen aus Deutschland, Frankreich und Polen zugenommen hatten. Danach wurden die Lagerbestände - vor allem bei verderblichen Waren - teilweise wieder abgebaut.

Ein Ausstieg Großbritanniens aus der EU ist allerdings auch ohne Abkommen keine napoleonische Kontinentalsperre, weshalb die Krisensituationen, die Boulevard- und Agendamedien teilweise an die Wand malten, eher unwahrscheinlich sind. Der Klopapiernotstand, der dort teilweise beschworen wurde, ließe sich zudem auch mit dem Zerschneiden solcher Medien in etwa postkartengroße Stücke überbrücken, wenn man etwas kräftiger spült.

May wollte den Großteil der Importe aus der EU von Zöllen ausnehmen

Zudem hatte bereits die Regierung von Theresa May angekündigt, im Falle eines Hard-Brexit-Ausscheidens 82 Prozent aller Importe vorerst von Zöllen auszunehmen. Nicht zu diesen 82 Prozent gehören sollte eine Warengruppe, die vor allem deutsche Hersteller trifft: fertige Automobile, denen ein Zollaufschlag in Höhe von elf Prozent droht.

Zwei andere Warengruppen kümmern dagegen vor allem Hersteller und Händler in der Republik Irland: Rindfleisch und Cheddar-Käse. Falls jedoch - wie May das angekündigt hatte - Zollkontrollen an der Grenze zwischen der Republik Irland und Nordirland unterbleiben, wäre fraglich, inwieweit sich diese Zölle nicht nur theoretisch, sondern praktisch auswirken. Diese Frage stellt sich auch für einen Teil der deutschen Automobile, die als Luxusgüter relativ unempfindlich gegen Preissteigerungen sind: Kosten sie mehr, erhöht sich potenziell auch ihr Prestigewert.

Truss beginnt mit Vorbereitungen für ein amerikanisch-britisches Freihandelsabkommen

Liz Truss, die neue britische Handelsministerin, hat darüber hinaus ein schnelles Freihandelsabkommen mit den USA in Aussicht gestellt. Dazu will sie sich diese Woche mit dem US-Botschafter Woody Johnson besprechen, um ein Treffen mit dem amerikanischen Handelsminister Wilbur Ross und dem amerikanischen Handelsbeauftragten Robert Lighthizer zu vereinbaren. Kritiker glauben zwar, dass so ein Freihandelsabkommen sehr viel Zeit benötigt - aber das hatten viele davon auch von einer Reform des NAFTA-Abkommens geglaubt, die Donald Trump dann doch überraschend schnell über die Bühne brachte (vgl. Aus NAFTA wird USMCA).

Mit Theresa Mays Ausstiegsdeal wäre so ein amerikanisch-britisches Freihandelsabkommen nicht möglich, weil die so genannte Backstop-Regelung, die Kontrollen an der Grenze zwischen Irland und Nordirland verhindern soll, dem kompletten UK bis auf weiteres die Beachtung von EU-Regeln auferlegt.

Lenkt die EU in dieser Backstopp-Frage nicht ein, haben Remainer-Tories im Unterhaus bereits angekündigt, zusammen mit der Opposition an der Regierung vorbei eine erneute Verschiebung des Austrittstermins zu erzwingen. Gelänge ihnen das, würden vorgezogene Neuwahlen wahrscheinlicher.

Die würde den aktuellen Umfragen nach Boris Johnson gewinnen, dessen Tories nach der Machtübergabe an ihn bei YouGov um sechs Punkte auf 31 Prozent zulegten. Obwohl die Labour Party nur bei 21 Prozent liegt, ist unklar, ob Johnson diese 31 Prozent für eine Mandatsmehrheit im Unterhaus reichen würden, weil die Liberaldemokraten mit 20 Prozent ebenfalls Chancen auf zahlreiche Sitze haben.

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