Britische Regierung will Skripal-Haus kaufen
Die russische Botschaft verlangt Aufklärung, die Ermittlung kommt weiter nicht voran, derweil gibt es über eine von London initiierte Erweiterung des OPCW-Mandat Ärger zwischen Moskau und dem Westen
Die britische Regierung hält weiter Sergei Skripal und seine Tochter Julia, die am 4. März zum Opfer eines Anschlags mit Nervengift wurden, aber sich davon erholt haben, unter Verschluss. Wo sich die beiden aufhalten und ob beide mit der Quarantäne oder Isolation einverstanden sind, bleibt weiter offen. Von der britischen Regierung hört man weiter nichts über den Fortgang der Ermittlungen. Bekannt ist bislang nur, dass es sich wohl um das Nervengift Nowitschok handelte, was die OPCW bestätigte, und dass dies vermutlich am 3. März am Griff der Haustür von Skripal angebracht worden war. Woher das Nervengift stammt, ist unbekannt, auch wenn klar wurde, dass Militärlabors mehrerer Staaten dieses produziert haben, ebenso unbekannt sind trotz aufwändiger Ermittlungen der oder die Täter.
Klar scheint aber zu sein, dass die Schuldzuweisung an Russland weiterhin nicht belegt ist und dass die Regierungen, die sich London anschlossen und russische Diplomaten auswiesen, auch nicht mehr wussten. Es handelte sich primär um einen Versuch, die britische Regierung zu stützen und transatlantische Einheit gegen die "russische Aggression" herzustellen.
Klar ist aber auch, dass die monatelange, aber bislang weitgehend ergebnislose Polizeiaktion nicht nur eine der größten, sondern auch eine der teuersten war. Noch immer sind 100 Beamte der Antiterrorabteilung der Polizei in Salisbury tätig, drei Monate lang waren es 250. Der für die Stadt zuständigen Polizei von Wiltshire alleine sind durch den Skripal-Fall mehr als 7 Millionen Pfund an Kosten entstanden. Insgesamt wird sie Dutzende von Millionen kosten.
Vor kurzem wurde durch die Sunday Times bekannt, dass das Haus von Skripal in Salisbury, in dem angeblich weiterhin ermittelt wird und das noch nicht für eine Säuberung freigegeben ist, ebenso wie dessen Auto und persönliche Gegenstände von der Regierung für 350.000 Pfund (fast 400.000 Euro) gekauft werden soll. Es wird aber weiter keine Auskunft gegeben, da es unangemessen sei, über persönliche Angelegenheiten von allen zu sprechen, die in den Fall verwickelt sind. Will man das Haus zum Museum machen oder will man mit dem Geld den Skripals helfen, unterzutauchen und sich unter neuer Identität irgendwo anzusiedeln, um sie dem Zugriff der Medien und/oder Russlands zu entziehen. Es war schon gemunkelt worden, dass die Skripals womöglich mit der Hilfe der CIA in den USA untertauchen könnten.
Unter die Hände greifen will die Regierung auch Detective Sergeant Nick Bailey, der, obgleich mit Handschuhen geschützt, beim Berühren der Haustürklinke, mit dem Gift in Berührung gekommen war. Er war der einzige, der neben den Skripals im Krankenhaus behandelt wurde, andere wurden nur untersucht und wieder heimgeschickt. Das angeblich so reine und als tödlich dargestellte Nowitschok scheint bei diesem Anschlag weitaus weniger wirksam gewesen zu sein, als vielfach befürchtet worden war. Als unerklärlich wird bezeichnet, warum die beiden Skripals in relativ kurzer Zeit aus dem Krankenhaus wieder entlassen wurden. Bailey, der mitunter als "Held" bezeichnet wird, soll für sein Haus 430.000 Pfund, fast eine halbe Million Euro, erhalten - als eine Art Schadensersatz? Der Verdacht könnte freilich auch aufkommen, sein Stillschweigen zu kaufen.
Die russische Botschaft hat, wie man dort berichtet, einen Brief an das britische Außenministerium geschickt, in dem gefordert wird, die von der Sunday Times erhobenen Behauptungen zu bestätigen oder zu zurückzuweisen. Die Briten sollten auch klären, was sie mit Haus vorhaben. Man habe die britischen Regierung wieder einmal darauf hingewiesen, dass alle Maßnahmen im Hinblick auf die kontaminierten Orte in Salisbury - Skripals Haus, das Pub The Mill oder das Restaurant Zizzi -, die zu deren Zerstörung führen, "nur unsere Schlussfolgerung bestätigen würden, dass die britischen Behörden absichtlich versuchen, eine transparente und gemeinsame Untersuchung unmöglich zu machen". Ein solche habe man wiederholt angeboten, ohne darauf und auf viele andere Fragen eine Antwort erhalten zu haben. Man sei daher überzeugt, dass der Vorfall geheimgehalten würde, so dass "der internationalen Gemeinschaft die Möglichkeit verweigert wird, die Wahrheit über das herauszufinden, was wirklich in Salisbury geschehen ist".
Wie die Daily Mail berichtet, sollen nun Gegenstände, die mit Nowitschok kontaminiert wurden, verbrannt werden. Um ganz sicher zugehen, soll dies mit einer Temperatur von 1200 Grad Celsius geschehen. In verschlossenen Containern sollen Erde, Ziegel und andere Dinge von Skripals Haus, aber auch von anderen Orten, wo die beiden sich am 4. März aufhielten, entfernt werden. Was nicht verbrannt werden könne, werde unter Sicherungsvorkehrungen in einer Müllhalde entsorgt.
Auf einer Sondersitzung der OPCW hat sich die britische Vorlage durchgesetzt
Die britische Regierung hat inzwischen erfolgreich eine Kampagne zur Verschärfung der Chemiewaffenkonvention durchgeführt. Auf einer Sondersitzung der OPCW in Den Haag am Mittwoch sprachen sich 82 Mitgliedsstaaten für die britische Vorlage und 24 dagegen aus. Darin wird die Anwendung von Chemiewaffen im Irak sowie in Malaysia, Syrien und Großbritannien verurteilt. Insbesondere wurde der Chemiewaffeneinsatz bei Angriffen 2014, 2015 und 2017 (Khan Scheichun)verurteilt. Der OPCW-UN Joint Investigative Mechanism habe genügend Nachweise erbracht, die eine Verantwortung der syrischen Armee belegen. Syrien habe nicht alle Chemiewaffen erklärt und zerstört. OPCW-Missionen in Syrien sollen nun auch die Täter ausfindig machen.
Russland beschwert sich, "der Westen" habe großen Druck vor allem auf kleine Länder ausgeübt, um das erweiterte Mandat durchzusetzen. Alexander Schulgin, der russische Vertreter bei der OPCW, sagte: "Unsere westlichen Partner haben offensichtlich nicht nach den Regeln gespielt und einen beispiellosen Druck auf andere Länder ausgeübt. Die Diplomaten der Länder, die Großbritannien unterstützten, kamen massenhaft in die Außenministerien verschiedener Länder und übten Druck aus. Uns sind sogar Fälle bekannt, bei denen unsere nächsten Verbündeten unverhohlen erpresst wurden."
Sergej Schelesnjak, Mitglied des Auswärtigen Ausschusses der Duma, sprach von einer "Verhöhnung der Völkerrechtsnormen", die gegen die Bemühungen Russlands und "unserer Partner in Syrien und dem Iran" gerichtet sei, mögliche chemische Attacken zu verhindern. Die "mangelnde Souveränität" der Länder, "auf Londons Anordnung geschützt von Washington blind dem antirussischen Kurs" folgen, würden verhindern, die tatsächlichen Täter zu finden: "Mit einem beispiellosen Druck auf das gesellschaftliche Bewusstsein versucht Großbritannien, die tatsächlichen Verantwortlichen für die chemischen Attacken in Syrien und die Organisatoren der Provokation in Salisbury geheim zu halten."
Im Grund heißt dies, dass Russland der OPCW bzw. der Unabhängigkeit der OPCW-Untersuchungen nicht traut bzw. gerne an den Untersuchungen beteiligt wäre. Ob Russland damit etwas verbergen will, wird Moskau gerne unterstellt, man wird sich allerdings daran erinnern, wie stark die UN-Inspektoren vor dem Irak-Krieg unter Druck gesetzt wurden, um ein gewisses Misstrauen nachvollziehen zu können. So hat Russland das im Dezember 2017 abgelaufene Mandat des Joint Investigative Mechanism nach dem Bericht über den Angriff in Khan Scheichun verhindert. An dem Bericht und der Arbeitsweise wurde von russischer Seite Kritik geübt (Chemiewaffen in Syrien: Es geht nicht mehr um Beweise …). Nach dem angeblichen Giftgasangriff in Douma haben die USA, Frankreich und Großbritannien weder Beweise für die Verantwortlichen noch darüber, ob es tatsächlich ein Angriff mit Chemiewaffen war, abgewartet, sondern gleich syrische Ziele beschossen.