Bruder Sensenmann
THQs "Darksiders II" für PS3, XBox360 und PC
Mit "Darksiders" veröffentlichte THQ vor zwei Jahren ein interessantes und gutes Action-Adventure, das deutliche Anteile von Nintendos "Zelda" und Sonys "God of War" enthielt. Der Nachfolger "Darksiders II" rundet die Rezeptur noch mit einer Prise von Ubisofts "Prince of Persia" ab und bringt zahlreiche neue Elemente mit.
Der apokalyptische Reiter "Krieg" greift im ersten Darksiders in den Konflikt zwischen Himmel und Hölle ein. Seiner ehrenhaften Intention zum Trotz, wirft ihm der allmächtige "Feurige Rat" vor, dass er vorzeitig die Apokalypse herbeigeführt hat.
Sein Bruder "Tod" glaubt an eine mächtige Verschwörung und macht es sich zur Aufgabe die Ehre wiederherzustellen und sich den zerstörerischen Mächten entgegenstellt. Mit diesem Szenario beginnt Darksiders II.
THQs Spiel greift diverse überwiegend biblische Mythen auf und schafft damit ein eigenes Fantasieuniversum ähnlich wie die "God of War"-Reihe aus der griechischen Sagenwelt. Sonys Spiel gehört ebenso wie Capcoms Devil May Cry zweifelsohne zu den Vorbildern, die das Entwicklerstudio Vigil Games bei der Erstellung des ersten "Darksiders" hatte. Das Kampfsystem war ähnlich und sogar die Truhen folgten demselben Prinzip der farblichen Kennzeichnung, bei der beispielsweise grüne Kisten die Lebensenergie auftanken.
Ein weiterer geistiger Vorfahre ist die "Zelda"-Reihe. Der Aufbau der Dungeons und die darin enthaltenen Puzzles erinnern an Nintendos Action-Adventures. Bei den hilfreichen Artefakten schimmerte im ersten "Darksiders" das Original überdeutlich durch: Der Reiter findet üblicherweise pro Dungeon eine Karte, einen Schlüssel für den Raum des Bossgegners und ein Artefakt, das die Schätze des Bereichs anzeigt.
Trotz der deutlichen Anleihen schuf Vigil Games mit "Darksiders" ein eigenständiges Spiel, das ein interessantes Setting, gute Kämpfe und interessanten Dungeons hatte.
"Darksiders II" behält das grundsätzliche Spielprinzip des Vorgängers bei, nutzt aber den neuen Protagonisten für einige Änderungen. Der Reiter "Krieg" war getreu seinem Namen ein starker Kämpfer, der sich mit seinem mächtigen Schwert den Widersachern stellt und feindliche Angriffe im Zweifel abblockt. "Tod" ist deutlich wendiger und kämpft als Sensenmann vor allem mit den ihm typischen Erntewerkzeugen. Gegnerische Angriffe blockt er nicht, sondern weicht ihnen aus.
Er ist ein guter Kletterer. Ähnlich wie der Protagonist in Ubisofts "Prince-of-Persia"-Titeln (vgl.: Der Krummschwert-Akrobat) überwindet er schmale Abgründe durch Wandläufe und erklimmt Wände über herausstehende Balken und Vorsprünge.
Die Kletterpartien sind nicht so flüssig wie im Vorbild, da die Passagen meist relativ kurz und verwinkelt sind und auch die Steuerung nicht ganz so gut von der Hand geht beziehungsweise gelegentlich etwas träge reagiert. Dennoch bringt das neue Element eine frische Dynamik, die den Flügel-Gleitpassagen des Vorgängers deutlich überlegen ist.
Einen Großteil der Zeit verbringt "Tod" wie seinerzeit "Krieg" in Dungeons. Von der Struktur bleibt "Darksiders II" damit den Zelda-Spielen ähnlich. Die Außenwelt ist meist die Heimat der Händler und Auftraggeber. Die zentralen Quests führen "Tod" durchs Geschehen zunächst zu den Erschaffern, die Meister der Schöpfung sind, dann ins Reich der Toten und schließlich zu den miteinander verfeindeten Engeln und Dämonen. Zusätzlich gibt es Sidequests, die von den Auftraggebern mit Erfahrungspunkten und gelegentlich mit exklusiven Gegenständen belohnt werden.
Die Ausrüstung spielt eine große Rolle und ist deutlich vielseitiger als im Vorgänger. "Tod" sammelt diverse Waffen und Rüstungsteile. Neben der benötigten Erfahrungsstufe hat jeder Gegenstand einen Seltenheitswert, der ähnlich wie in Blizzards "Diablo"-Spielen (vgl.: Teuflische Erwartungen) farblich gekennzeichnet ist. Als Besonderheit hat "Darksiders II" besessene Waffen, die der Spieler durch das Opfern anderer Gegenstände aufwerten kann. "Tod" erobert von einigen Bossen einmalige Items und verwendet so beispielsweise den Giftzahn einer Riesenschlange als Sekundärwaffe.
Diverse Attribute beeinflussen rollenspieltypisch die Kämpfe und die meisten Ausrüstungsgegenstände verstärken mehrere davon. Ein Schulterstück kann durchaus die Zauberkraft erhöhen oder eine Sense die Verteidigung. Der Spieler entscheidet, ob er lieber auf einen höheren Rüstungswert, mehr Stärke, elementare Angriffsboni oder eine ausgeglichene Verteilung setzt. Einige Gegenstände steigern zusätzlich die gesammelte Erfahrung oder das gefundene Gold, andere führen dem Helden einen Teil des ausgeteilten Schadens als Lebensenergie zurück.
Dass der Protagonist eines Actionspiels ähnlich wie in Rollenspielen Erfahrungspunkte sammelt und über diverse Stufen aufsteigt, ist inzwischen fast Standard. Mit dem Erreichen eines neuen Levels erhält "Tod" Skill-Punkte, deren Einsatz der Spieler relativ frei gestaltet. Die Fähigkeiten sind in die zwei Gruppen Nekromant und Todesbote unterteilt. Letztere steigern meist den Helden direkt, während erstere auf Beschwörungen untoter Helfer setzen, die selbstständig die Gegner angreifen. Der Spieler darf die beiden Richtungen kombinieren, allerdings setzen höhere Fähigkeiten zunächst den Erwerb von Basis-Skills voraus.
Mindestens ebenso wichtig wie die Kämpfe sind die Puzzles in den einzelnen Dungeons. Hier hebt sich THQs Spiel deutlich von anderen Action-Titeln ab. Das Erkunden und Lösen der Aufgaben ist anspruchsvoller als im Vorgänger. Auch wenn die Anlehnung an die "Zelda"-Titel weniger deutlich als im Vorgänger ist, schimmert das Grundprinzip deutlich durch. Dazu gehört auch, dass "Tod" im Laufe der Zeit wichtige Schlüsselgegenstände findet, die er für das Lösen der Puzzles einsetzen muss. Relativ bald lernt er den Todesgriff, mit dem er entfernte Gegenstände aufnimmt oder sich an Haken über einen Abgrund schwingt.
Eine der interessantesten Items ist der Seelenteiler, mit dem sich der Protagonist in die ihm innewohnenden Wesen "Leben" und "Tod" aufteilt. So ist er an zwei Orten zur gleichen Zeit und bedient beispielsweise mit der einen Seelenhälfte den Aufzug, auf dem die andere steht.
Der schon im ersten Teil verwendete Voidwalker erinnert an Valves Portal: "Tod" öffnet zwei Tore, durch die er sich selbst oder Gegenstände teleportiert und so ansonsten unerreichbare Stellen aufsucht. Allerdings ist der im Deutschen mit dem unsäglichen Wort "Leereläufer" bezeichnete Gegenstand auf vorgezeichnete blaue Tore beschränkt.
Im späteren Verlauf darf der Protagonist grüne Tore aktivieren, die ihn nicht durch den Raum, sondern durch die Zeit führen. So überwindet er beispielsweise eine in der Gegenwart zerfallene Brücke durch eine Reise in die Vergangenheit, in der noch alle Steine an ihren Plätzen sind.
Die späteren Dungeons kombinieren alle Möglichkeiten zu Puzzles, die deutlich anspruchsvoller als im Vorgänger oder den "God-of-War"-Spielen sind. Der aufmerksame Blick auf die Umgebung lohnt sich bereits von Anfang an. Einige Kisten oder Boni sind beim ersten Besuch nicht erreichbar, da "Tod" noch nicht im Besitz des benötigten Gegenstandes ist.
Grafisch hinterlässt "Darksiders II" einen gemischten Eindruck. Vielfach wirken die Umgebung und die Figuren recht grob. Zum Teil ist das sicherlich dem künstlerischen Stil von geschuldet ist, der mit relativ kantigen Figuren im Comic-Look seinen eigenen Charme hat.
Die atmosphärische Gestaltung ist durchweg gelungen: "Tod" reist durch düstere Verliese und feurige Höhlen. In den Kämpfen bleibt das Spiel auch bei vielen Gegnern flüssig. Einige offene Bereiche wie beispielsweise die Engelshochburg bringen dagegen das Spiel sogar in ruhigen Passagen zum Stottern.
Der Soundtrack ist gelungen, wenn auch an einigen Stellen etwas mehr musikalische Abwechslung nicht geschadet hätte. Die Soundeffekte sind sehr gut und schaffen häufig eine bedrohliche Atmosphäre, wenn sich beispielsweise der nahende Boss durch unheimliche Geräusche ankündigt.
Die Handlung überzeugt leider wenig. Das ist besonders schade, da die einzelnen Charaktere und Gebiete reizvoll sind. Auch der Start ist vielversprechend. Der gesamte Spannungsbogen enttäuscht daher umso mehr. Im Verlauf kommt sich der Spieler ein wenig wie Karl Valentins "Buchbinder Wanninger" vor, der von einem Auftraggeber zum nächsten geschickt wird und dabei das ungute Gefühl hat, seinem Ziel nicht wirklich näher zu kommen.
Die Freude beeinträchtigen zudem einige kleinere Fehler, die den Spielfluss behindern können - wenn auch nicht nachhaltig. Beispielsweise ließ sich beim Testen an der PS3 eine Lampe, deren Schein eine Türe öffnet, erst nach dem Beenden und Neustart an die passende Statue anbringen. Auf einer Landkarte waren schon beim ersten Anschauen alle Orte für "fast travel" freigeschaltet, eine Komfortfunktion, die "Tod" direkt an - eigentlich zuvor besuchte - Orte führt.
Wichtiger ist jedoch der gesamte Spielspaß. Hierbei überzeugt "Darksiders II" mit viel Abwechslung und ist ein mehr als würdiger Nachfolger des ersten Teils. Seine Stärke liegt in der Kombination aus Hack-And-Slay mit einem gelungen Kampfsystem und interessanten Dungeons. Die Bosse könnten ein wenig anspruchsvoller sein, dafür sind die Puzzles gelungen und steigern über die Spieldauer die Schwierigkeit im richtigen Maße. Das Ausrüstungssystem und die Fähigkeiten bringen Rollenspielelemente auf eine angenehme Weise ins Geschehen, ohne zu komplex zu werden. Vigil Games verwenden viele Komponenten anderer Spiele und fügen daraus ein sehr gutes Action-Adventure zusammen, das deutlich mehr ist als die Summe der einzelnen Elemente. Mit ein wenig mehr Feinschliff im Detail und einer packenden Story hätte "Darksiders II" das Zeug zum Kultspiel gehabt.
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