Brüssel übt den Kotau

Das Gipfeltreffen USA - EU in Brdo lief ausgesprochen harmonisch ab

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Der US-Präsident hat den Europäern seine politische Linie diktiert: Drohgebärden gegenüber Iran, Verschärfung der Einreisebestimmungen in die Vereinigten Staaten, Marktöffnung der Europäer, keinerlei Festlegungen beim Klimaschutz. Besonders makaber dabei ist, dass selbst ein zumindest symbolisches Aufbegehren der EU angesichts der ablaufenden Amtszeit von Bush wohl keinerlei negativen Folgen für die transatlantischen Beziehungen gehabt hätte.

Die Pressehinweise zum diesjährigen USA-EU-Gipfel am Dienstag waren ungewöhnlich knapp ausgefallen. Was zur letzten Spitzenbegegnung am 30. April 2007 in Washington mehrseitige Broschüren füllte, brachten die Gastgeber im slowenischen Brdo auf Vor- und Rückseite eines DIN-A-Blattes unter: eine Skizze des Tagungsgebäudes (die allerdings wenige Tage vor dem Treffen vom Online-Formular entfernt wurde), einige technische Hinweise und natürlich die obligatorischen Sicherheitsbestimmungen. Möglicherweise rechnete die slowenische EU-Ratspräsidentschaft auch gar nicht mit einem übermäßigen Medienandrang, schließlich sollten größere Konflikte vermieden werden.

Jose Manuel Barroso, George W. Bush und Janez Jansa auf dem Weg zur Pressekonferenz. Bild: ue2008.si

Tatsächlich regte sich bei EU-Kommissionspräsident Manuel José Barroso, beim Außenbeauftragten Javier Solana und beim amtierenden Ratspräsidenten, dem slowenischen Premier Janez Jansa, keinerlei Widerstand, als US-Präsident George Bush die unbedingte Gefolgschaft der Europäer einforderte. Artig bestätigte die EU die Gipfelerklärung, in der Iran wegen des von Washington vermuteten Atomwaffenprogramms "Strafmaßnahmen" angekündigt werden. US-Medien haben bereits über militärische Präventivschläge spekuliert.

Kaum der Rede wert sind auch die Passagen zum Klimaschutz: "Die EU und die USA werden ihre Suche nach einem globalen Abkommen zum Klimawandel fortsetzen", hieß es ohne jegliche Verbindlichkeit. Dabei hatten sich gerade die deutsche EU- und G8-Ratspräsidentschaft im vergangenen Jahr auf die Fahnen geschrieben, Washington beim Klimaschutz einzubinden. Zu den Krisenherden dieser Welt finden sich die Standardformulierungen, die die "Besorgnis" beider Seiten bekunden.

In den Beziehungen zu Washington scheint es Brüssel und den EU-Regierungen die Sprache verschlagen zu haben. Die Worte des EU-Wirtschaftskommissars Günter Verheugen vor dem Treffen, die USA müssten "akzeptieren, dass die Führungsrolle in der Welt geteilt werden muss", klang da schon fast revolutionär. Allerdings war es nicht zuletzt seine Brüsseler Generaldirektion, die Washington selbst bei den absurdesten Forderungen entgegen kam. So gab die EU-Kommission pünktlich zum Brdo-Gipfel bekannt, nach elf Jahren Einfuhrverbot wieder mit Chlor desinfizierte Hühnchen aus den USA in Europa verkaufen zu lassen. Zwar ist die Entscheidung noch nicht endgültig, Brüssel hat aber nachdrücklich die entsprechende Forderung der US-Amerikaner unterstützt - auch in Brdo. Die EU-Kommission rief die Mitgliedstaaten erneut dazu auf, das Importverbot aufzuheben.

Auch bei der weiteren Verschärfung der Einreisebestimmungen für Europäer in die USA regt sich in der EU-Zentrale nur schwacher Widerstand. Nachdem die Europäer schon der Übermittlung persönlicher Flugpassagierdaten an die US-Behörden zugestimmt hatten, will das Washingtoner Heimatschutzministerium ab 2009 schon drei Tage vor Eintreffen von Reisenden über deren Pläne in den USA informiert werden. Man werde das US-Vorgehen "gründlich prüfen", erklärte müde EU-Justizkommissar Jacques Barrot. Dass Bush in Slowenien an der Entscheidung festhielt, sorgte nicht für Protest - obwohl der Vorstoß einer wieder eingeführten Visumpflicht für EU-Bürger gleichkommt, die für die osteuropäischen Mitglieder der Gemeinschaft auch vier Jahre nach ihrer Aufnahme ohnehin noch gilt.

Auch der im letzten Jahr geschlossene Untersuchungsausschuss des Europaparlaments zu illegalen CIA-Aktivitäten und -Flügen in Europa stieß bei osteuropäischen Regierungen auf eine Mauer des Schweigens. Dabei waren versteckte Flugplätze und selbst Geheimgefängnisse gerade im Osten vermutet worden. Allerdings hatte der Ausschuss auch in Westeuropa zumindest stumme Duldung der gesetzwidrigen Aktionen konstatiert. Sicher nicht ohne Grund zog es der heutige Bundesaußenminister und frühere Geheimdienstkoordinator Frank-Walter Steinmeier vor, lieber nicht vor den Europaabgeordneten zu erscheinen.

Der Anbiederungskurs gegenüber Washington war unter der deutschen Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2007 zur langfristigen EU-Linie geworden. Die seit Beginn des Jahrzehnts immer verhaltener geäußerte Kritik an den Kriegen in Afghanistan und Irak ist inzwischen vollständig verstummt. Für Brüssel und die EU-Regierungen geht es nur noch um die Frage, wie die immer neuen Forderungen nach einem größeren Beitrag und stärkeren Truppenkontingenten für diese Militäraktionen erfüllt oder zumindest etwas gedrückt werden können. Beim Klimaschutz, alljährlich auf der Gipfeltagesordnung, scheint man vom scheidenden Präsidenten gar nichts mehr zu erwarten. Dabei hatte noch vor einem Jahr Ratschefin Angela Merkel auf die EU-Fahnen geschrieben, die USA in Sachen Umweltschutz endlich mit ins Boot zu holen. Als einen "Riesenschritt nach vorn" bezeichnete die Bundeskanzlerin die simple Feststellung Bushs im damaligen Abschlusskommuniqué, dass es ein Klimaproblem gebe. Geschehen ist nach der fulminanten Erkenntnis nichts mehr.

Zumindest in Handels- und Wirtschaftsfragen hat Europa die eigenen Interessen noch nicht ganz aufgegeben. Das Handelsvolumen zwischen beiden Seiten beträgt jährlich etwa 250 Milliarden Euro, der Handelsbilanzüberschuss der EU27 gegenüber den USA erhöhte sich zu Jahresbeginn um weitere 11,4 Milliarden Euro (10,7 Milliarden im Januar/Februar 2007) laut einer Eurostat-Mitteilung auf jährlich etwa 80 Milliarden Euro. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) sieht nach seinem Präsidenten Jürgen Thumannd bei "weiterer Integration des transatlantischen Wirtschaftsraums ein zusätzliches Wirtschaftswachstum von mehr als drei Prozent auf beiden Seiten des Atlantiks" voraus. Dazu jedoch müssten weitere Handelshindernisse abgebaut werden - was nicht nur Chlorhühnern, sondern beispielsweise auch gentechnisch veränderten Getreidesorten den Marktzugang in Europa ebnen würde.

Vielleicht haben die Europäer derzeit auch eher mit sich selbst zu tun, als sich gegenüber den USA zu behaupten. Mit Silvio Berlusconi ist ein wenig europafreundlicher Politiker erneut an die italienische Regierungsspitze zurückgekehrt und Nicolas Sarkozy dürfte in der Anfang Juli beginnenden französischen Ratspräsidentschaft noch einige unliebsame Überraschungen à la Mittelmeer-Union in petto haben. Vor allem aber schauen derzeit 26 EU-Regierungen sorgenvoll nach Dublin. Am Donnerstag steht in Irland als einzigem EU-Staat der Lissabonner Vertrag zur (Volks-)Abstimmung (Kippt die "sichere Bank"?). Sollte er durchfallen, müsste das "Reformabkommen" zumindest theoretisch beerdigt werden. Praktisch aber dürfte es nicht so weit kommen: Mit dem Zurechtbiegen von Referenden und der Einführung von Ausnahmeklauseln hat man in der EU reichlich Erfahrung.