Kippt die "sichere Bank"?
Eine Woche vor dem Referendum in Irland liegen dort die Gegner der umbenannten EU-Verfassung erstmals vor den Befürwortern
Mit 35 zu 30 Prozent ist der Vorsprung der Gegner des Vertrages sogar relativ deutlich. Allerdings sind weitere 28 Prozent immer noch unentschieden, was den tatsächlichen Ausgang des Referendums am Donnerstag weiter spannend bleiben lässt. Lediglich sieben Prozent gaben an, sich nicht an der Abstimmung beteiligen zu wollen.
In der von der Irish Times in Auftrag gegebenen und vom Meinungsforschungsinstitut TNS mrbi durchgeführten repräsentativen Umfrage manifestierte sich ein bereits seit längerem anhaltender Trend zu einem Mehrheitenwechsel. Alleine während der letzten drei Wochen sank die Zahl derjenigen, die am Donnerstag für eine Annahme stimmen wollen, um fünf Prozent. Und die Stärkung des Lagers derjenigen, die mit "Nein" stimmen wollen, erfolgte nicht nur auf Kosten der vorher Unentschiedenen, sondern auch der "Ja"-Wähler.
Auffällig war dieser Lagerwechsel vor allem bei den Wählern der sozialdemokratischen Pairti an Lucht Oibre. Dort liegen die Vertragsgegner nun mit 47 zu 30 Prozent in Führung. Auch bei der konservativen Fine Gael ist mittlerweile eine klare Mehrheit von 40 zu 30 Prozent gegen den Vertrag. Lediglich die Wähler der wirtschaftsliberalen Fianna Fail und der grünen Comhaontas Glas befürworten den Vertrag weiterhin mehrheitlich, obwohl auch hier das "Nein"-Lager kräftig aufholen konnte. Die Ergebnisse zeigen eine bemerkenswerte Diskrepanz zwischen Wähler- und Parteienwillen, da nicht nur die beiden letzteren, sondern alle vier genannten Parteien sich klar für den Vertrag aussprachen und dafür kräftig die Werbetrommel rührten.
Nur fünf Prozent derjenigen, die angaben, mit "Nein" stimmen zu wollen, bezeichneten ihr Votum als Protest gegen die irische Regierung. Eine größere Rolle spielen der Befragung zufolge Wünsche nach der Bewahrung von Irlands Selbständigkeit, Identität und Neutralität. Der weitaus bedeutendste Teil – nämlich 30 Prozent – gab jedoch an, dass er nicht wüsste, was der Vertrag bringt und nicht bereit wäre, die Katze im Sack zu kaufen. Damit rächt sich möglicherweise eine Strategie, zu welcher EU-Politiker der irischen Regierung rieten: Diese sollte den "Focus der Kampagne" auf Europa allgemein und nicht auf den Vertrag legen. Den Gesetzesentwurf zu lesen, der "für Laien weitgehend unverständlich" sei, hätten die meisten Iren ohnehin keine Zeit, weshalb sie bei der Abstimmung "den Politkern folgen, denen sie vertrauen."
Bereits vor Bekanntgabe der Umfrageergebnisse hatte Ministerpräsident Brian Cowen versucht, mit unerwarteten Wahlversprechen die Stimmung zugunsten des Lissabon-Vertrages zu verbessern: So versprach er, dass Irland sein Veto nutzen werde, um in den Verhandlungen mit der WTO für das Land "unakzeptable" Ergebnisse zu blockieren. Was er dabei nicht erwähnte, ist, dass der Lissabon-Vertrag die Vetomöglichkeiten in Zukunft erheblich einschränkt – vor allem für kleine Länder. Trotzdem empfahl der irische Bauernverband nach dem Versprechen Cowens ein "Ja" im Referendum.