Bürgerlich und ultrarechts: AfD ohne grundsätzliche Differenzen
Jörg Meuthen wollte mit seiner Partei im Zentrum der Macht ankommen, scheiterte aber. Sein Rückzug dürfte kaum mit unterschiedlichen Zielen in der AfD zusammenhängen
Jörg Meuthen wirft hin. Nach sechseinhalb Jahren an der Spitze der rechtspopulistischen "Alternative für Deutschland" kündigte er an, nicht erneut für den Parteivorsitz kandidieren zu wollen. Kaum hat er das getan, wird er in zahlreichen Medien als tragische Figur verklärt: Er wollte der AfD eine seriöse Erscheinung geben, wollte sie zu einer nationalkonservativ-bürgerlichen Partei machen - doch schlussendlich scheiterte er.
Konsequent sei der Rückzug, hieß es zum Beispiel in der Sächsischen Zeitung. Vor zwei Jahren habe Meuthen seine Partei darauf eingeschworen, regierungsfähig zu werden, doch sie habe nicht nur an Stimmen verloren, sondern es wolle auch keine andere Partei mit ihr eine Regierung bilden. Er habe die AfD von Krawallmachern und Provokateuren abgrenzen wollen, heißt es in dem Blatt weiter. Doch auch mit diesem Ziel ist er gescheitert: Der offiziell aufgelöste "Flügel" ist einflussreicher als zuvor.
Die Stuttgarter Nachrichten sehen den eigentlichen Grund für Meuthens Rückzug darin, dass die AfD ohnehin von Beginn an zwei Parteien in einer gewesen sei - und beide Teile driften demnach immer weiter auseinander. Im Prinzip habe sich die AfD immer weiter radikalisiert, während die weniger Radikalen hinausgedrängt worden seien. Zuerst Bernd Lucke, dann Frauke Petry, die nach der Bundestagswahl 2017 die Partei verließ und rechtsextreme Umtriebe in ihr beklagte.
Schon Petry wollte mit weniger Lärm schneller ans Ziel
Kurz zuvor hatte Petry den offenen Ultrarechten ihrer Partei vorgeworfen, deren "fundamentaloppositionelle Strategie" berge "das Risiko des Verlusts von gesellschaftlicher Verankerung" und benötige für ihre Wirksamkeit "ungefähr eine Generation", falls die AfD sich so lange im politischen Spektrum behaupten könne. Im entsprechenden Antrag hatte Petry deutlich gemacht, dass ihr das zu lange dauere und zu riskant sei. Deshalb hatte sie den "realpolitischen Weg einer bürgerlichen Volkspartei" vorgeschlagen. Ihr Antrag war aber auf dem AfD-Parteitag im April 2017 mehrheitlich abgelehnt worden.
Nun ist scheinbar Meuthen an der Reihe. Nur dass er - vorerst - noch nicht die Partei verlässt. Er werde seine politische Arbeit fortsetzen und wolle seine "Stimme hörbar einsetzen". Ob er das auf längere Zeit im Namen der AfD machen will, das hat er in seinem Mitgliederrundbrief offengelassen. Inwiefern er seine neoliberale Doktrin noch in Reinform mit der AfD umsetzen will, bleibt abzuwarten.
Schwierig dürfte es allemal werden, die Rechtsaußen-Strömung um den Thüringer AfD-Fraktionschef Björn Höcke dafür mit ins Boot zu holen. So weit, wie manche meinen, liegen beide Strömungen aber nicht auseinander. In dem Streben, die Partei fit für die Regierung zu machen, ist allerdings viel Porzellan zerschlagen worden. Unter anderem Meuthens Vorgehen gegen den ehemaligen Landesvorsitzenden in Brandenburg, Andreas Kalbitz, dürfte ihm kaum Freunde beschert haben.
Doch dass in dem Professor auch ein rechter Populist steckt, der gar nicht so weit entfernt ist von einem Björn Höcke, zeigt Meuthen immer wieder. In einem Interview mit dem Portal Das kleine Einmaleins zu den Europawahlen zeigte er sich stolz auf die Wortschöpfung: "linksrotgrün-versifftes 68er-Deutschland", die auf ihn zurückgehe. Er attestiert vielen jungen Menschen, an "Gretaismus" zu leiden. Lehrer und Journalisten hält er für völlig "grünisiert" und wirft ihnen vor, die junge Generation einer Gehirnwäsche zu unterziehen.
"Dexit" als Drohung für Meuthen kein Problem
Nun wird auch viel darüber geschrieben, eine Schlappe für Meuthen sei es gewesen, dass der "Dexit" in das AfD-Programm zur Bundestagswahl aufgenommen wurde. In dem Interview steht Meuthen einem Austritt Deutschlands aus der Europäischen Union aber gar nicht grundsätzlich ablehnend gegenüber. Die AfD drohe mit dem "Dexit", sagte er, weil "die EU an Haupt und Gliedern" reformiert werden müsse. Werde das angegangen, brauche man kein solches Referendum.
Als notwendige Änderung sieht er unter anderem die Beseitigung des Europäischen Parlaments an. In dieser Forderung kommt ein Rezept aus der neoliberalen Hexenküche zum Vorschein: Es braucht überstaatliche Institutionen für einen gemeinsamen Wirtschaftsraum; aber diese Institutionen sollen so weit wie möglich von demokratischer Mitbestimmung befreit sein. Und wenn diese undemokratischen Institutionen dann Regeln für alle Mitgliedsländer setzen, dann verengen sie den Handlungsspielraum der nationalen Parlamente.
Was auch immer Meuthen dazu bewogen haben mag, nicht mehr für den Parteivorsitz zu kandidieren, grundsätzliche Differenzen bei Inhalten und Zielen dürften es nicht gewesen sein. Vielmehr dürfte es tatsächlich die Einsicht sein, dass sich einem mit "Krawallmachern" und "Provokateuren" keine Machtoption eröffnet.
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