Bürokratieentlastungsgesetz: Steuerhinterziehung erleichtert?

Papiere mit einer Klammer auf einem Schreibtisch

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Ampelregierung erntet massive Kritik für geplante Neuregelung von Fristen. Nicht nur von der Ex-Cum-Ex-Chefermittlerin Anne Brorhilker.

Das geplante Bürokratieentlastungsgesetz IV der Ampelkoalition stößt auf heftigen Widerspruch. Während die Regierung eigenen Angaben zufolge die Entlastung von Unternehmen und Bürgern anstrebt, warnen Experten vor erheblichen Risiken für die Aufklärung des Milliarden-Steuerbetrugs um Cum-Ex und Cum-Cum.

Darunter auch die ehemalige Chefermittlerin Anne Brorhilker, die über ihre "Entmachtung" im September 2023 hinaus unter der Fahne der Bürgerbewegung Finanzwende einen erbitterten Kampf gegen die Finanzlobby führt.

Ermittlungen gefährdet

Das Bürokratieentlastungsgesetz IV, das kommende Woche im Bundestag verabschiedet werden soll, sieht eine Verkürzung der Aufbewahrungsfrist für Steuer- und Buchungsbelege von zehn auf acht Jahre vor.

Ziel ist es laut dem Gesetzesentwurf, Papierberge zu vermeiden und Kosten für Archivräume in Unternehmen zu sparen. Bürger und Unternehmen sollen dadurch rund 626 Millionen Euro im Jahr einsparen.

Wie die Tagesschau berichtet, warnen Kritiker indes davor, dass jene Verkürzung der Aufbewahrungsfristen die Aufarbeitung von Steuerbetrügereien wie Cum-Ex und Cum-Cum erheblich erschweren könnte. Florian Köbler, Vorsitzender der Deutschen Steuer-Gewerkschaft, bezeichnet das Gesetz deshalb als "Geschenk an Kriminelle".

Er argumentiert, dass die geplante Regelung Straftätern Tür und Tor öffne und die Mittel des Rechtsstaats leichtfertig verspiele. Ohne die notwendigen Belege könnten Ermittler keine Anklagen erheben und keine Steuerrückforderungen durchsetzen, so Köbler.

Brorhilker: Scharfe Kritik

Anne Brorhilker, ehemalige Oberstaatsanwältin und jetzige Co-Geschäftsführerin der Bürgerbewegung Finanzwende, kritisiert die geplante Verkürzung der Aufbewahrungsfristen ebenfalls scharf. "Die Bundesregierung erleichtert es, Steuern zu hinterziehen", fasst sie die Ampel-Pläne zugespitzt zusammen.

Eine Aufbewahrungsfrist von acht Jahren sei Brorhilker zufolge "viel zu wenig, weil schwere Steuerstrafdelikte erst nach 15 Jahren verjähren." Die ehemalige Oberstaatsanwältin warnt, dass Täter legal Beweismittel vernichten könnten, was die Ermittlungen und die Rückforderung von Steuergeldern nahezu unmöglich mache: "Die Unterlagen sind dann weg, die Milliarden auch."

Als besonders "pikant" vermerkt der Tagesschau-Artikel, dass der Bund die Verjährungsfristen für besonders schwere Steuerhinterziehung erst vor wenigen Jahren (nämlich durch das Jahressteuergesetz 2020) noch von zehn auf 15 Jahre angehoben hatte – mit dem Ziel, den Ermittlern wertvolle Zeit zu verschaffen, die sie für die aufwendige Verfolgung der Straftaten benötigen.

Neben Brorhilker und Köbler äußern sich auch Politiker kritisch. So zweifelt Michael Schrodi, finanzpolitischer Sprecher der SPD, ebenfalls den Nutzen des Gesetzes an. Er betont, dass die Aufbewahrungspflicht durchaus einen Zweck habe, und zwar vor Steuerbetrügereien zu schützen.

Durch die Verkürzung verschlechterten sich die Aussichten, Steuerhinterziehungen im neunten und zehnten Jahr aufzudecken. Darüber hinaus seien die Einsparungen für Unternehmen minimal.

Petition: "Schredderpläne stoppen"

Anne Brorhilker hat über Finanzwende und die (für ihre politische Einflussnahme oft kritisierte) NGO Campact eine Petition gestartet, die sich gegen die geplante Verkürzung der Aufbewahrungsfristen richtet. Sie trägt den Namen "CumCum-Milliarden: Schredderpläne stoppen!".

Die Petition fordert die Fraktionsvorsitzenden von SPD, Grünen und FDP auf, die geplante Gesetzesänderung zu stoppen. "Gerade jetzt, wo Haushaltslücken klaffen, muss sichergestellt werden, dass die Gewinne aus CumCum-Geschäften in Milliardenhöhe nicht den Täter*innen überlassen werden", heißt es im Begleittext. Die Petition hatte am 20. September bereits knapp das Quorum von 9.000 Unterschriften erreicht.

Die juristische Aufarbeitung des Cum-Ex-Steuerskandals kommt derweil nur langsam voran. Wie der Spiegel berichtet, waren laut einer Antwort des Bundesfinanzministeriums auf eine Kleine Anfrage der Linken bis Ende 2023 insgesamt 380 Fälle in Arbeit und 174 Fälle rechtskräftig abgeschlossen.

Der Staat hat bisher rund 3,1 Milliarden Euro zurückgefordert, während der geschätzte Schaden bei rund zehn Milliarden Euro liegt. Bei Cum-Cum-Geschäften, deren Schaden auf etwa 35 Milliarden Euro geschätzt wird, wurden bis Ende 2023 nur 76 Verfahren mit einem Volumen von 205 Millionen Euro abgeschlossen.