Kuchensteuer-Bürokratie: EU greift beim Basar durch
EU-Mehrwertsteuerrichtlinie: Kommunen im Steuerstrudel. Sie müssen nun entscheiden, welche ihrer Dienstleistungen der Mehrwertsteuer unterliegen.
Wenn sich private Mehrwertsteuer-pflichtige Wettbewerber gegen die steuerfreie Konkurrenz durch Kommunen zur Wehr setzen, muss die Europäische Union handeln.
Die EU hat daher eine Mehrwertsteuerrichtlinie beschlossen, deren Umsetzung in nationales Recht eigentlich schon ab 2023 gelten sollte. Der verbindliche Stichtag wurde inzwischen auf Anfang 2025 verschoben, weil viele Kommunen mit der Umstellung datentechnisch überfordert waren.
Was sich ändert
Somit sind Kommunen, die ihre Umstellung frühzeitig realisiert haben, inzwischen in der Lage, die Mehrwertsteuer auf Dienstleistungen im Wettbewerb mit Privaten zu berechnen.
Wer sich im Rathaus eine Kopie eines Dokumentes anfertigen lässt, um sie beglaubigen zu lassen, muss für diese nach der Gesetzeskorrektur Mehrwertsteuer bezahlen, da er die Kopie ja auch in einem privaten Copyshop hätte anfertigen lassen können.
Für die Behandlung von Leistungen einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, zu welchen die Kommunen zählen, gelten bei der Erbringung von Leistungen auf privatrechtlicher Grundlage nun die allgemeinen Vorschriften des Umsatzsteuerrechts. Somit unterliegt die Leistungserbringung der Umsatzsteuer.
Hoheitliche Aufgabentrennung
Dazu zählen beispielsweise gewerbsmäßige Leistungen, wie der Verkauf von Souvenirs in einem Fremdenverkehrsamt oder Gemeindechroniken im Bürgerbüro sowie der Verkauf von Familienstammbüchern im Standesamt oder der Verkauf von Duschmarken in einer Berufsschule.
Die neue Gesetzeslage hat zur Folge, dass die öffentliche Hand im Einzelfalle prüfen muss, welche ihrer Leistungen hoheitlich sind und damit unter eine öffentlich-rechtliche Sonderregelung fallen und welche nachhaltig Einfluss auf den Wettbewerb haben könnten.
Zu den hoheitlichen Aufgaben zählen beispielsweise die Ausgabe von Pässen und Personalausweisen, welche die Gemeinden im Auftrag übergeordneter Behörden durchführen, welche auch die Preise dafür festlegen.
Warum diese Mehrwertsteuer jetzt oft als Kuchensteuer bezeichnet wird
Waren die Kommunen auch in der Vergangenheit schon im Falle ihrer Trinkwasserversorgung oder ihrer Forstbewirtschaftung von der Mehrwertsteuer betroffen, trifft sie jetzt auch Bereiche, in welchen nur wenige eine kommunale Betätigung vermuten.
Dazu zählen die Kinderbetreuung in kommunalen Kitas und Kindergärten, die meist über 50 Prozent der jeweiligen Gemeindebudgets verschlingen, weil die Eltern nur mit deutlich unter 20 Prozent der Kosten zur Kasse gebeten werden können. Zu den kommunalen Aufgaben können jedoch auch die Freiwilligen Feuerwehren und die Schulen zählen, deren Investitionen von den Gemeinden zu tragen sind.
In der Öffentlichkeit werden diese Ausgabenblöcke höchstens von Eltern mit kleinen oder schulpflichtigen Kindern wahrgenommen, in der Mehrheit der Bevölkerung sind sie jedoch unbekannt.
Die Konkurrenz zum Bäcker
Die kommunale Mehrwertesteuerpflicht ist in der Öffentlichkeit erst aufgepoppt, als sich herumgesprochen hat, dass spätestens ab kommendem Januar auch Einnahmen aus Kuchenverkäufen oder anderen Basaren, welche kommunale Bildungseinrichtungen veranstalten, der Mehrwertsteuerpflicht unterliegen. Daher der Begriff ″Kuchensteuer″.
Der Hintergrund in diesem Fall ist, dass durch Eltern und Schüler, die für solche Feste Kuchen backen, einem Bäcker Einnahmen entgehen, weil man davon ausgeht, dass die Schüler in direkter Konkurrenz zu einem theoretisch am gleichen Ort tätigen Bäcker stehen, der dadurch benachteiligt würde, was durch die neue Gesetzgebung verhindert werden soll.
Ein anderes Beispiel wäre, wenn z.B. Ortschroniken im Rathaus billiger verkauft würden als im Buchladen um die Ecke. Die Regelung gilt aber auch, wenn es diesen Buchladen um die Ecke gar nicht gibt.
Beim Kuchenverkauf könnte es jetzt eine Entspannung geben und der Kuchenverkauf durch Schüler und/oder Eltern auch künftig umsatzsteuerfrei sein. Es muss dabei jedoch klar sein, dass die Schüler beziehungsweise ihre Eltern den Kuchen verkaufen, aber eben nicht die Schule selbst.
Jörg Wojahn, der Vertreter der Europäischen Kommission in Deutschland, lässt sich im Zusammenhang mit dem Kuchenverkauf wie folgt zitieren:
Wenn eine Schülergruppe dreimal Kuchen verkauft, um ihre Schulparty zu finanzieren, ist das natürlich gar kein Problem. Wenn der geschäftstüchtige Schülersprecher sich aber jeden Morgen auf den Schulhof stellt und den Kuchen billiger anbietet als die Bäckerin nebenan, ist dies eine Wettbewerbsverzerrung
Jörg Wojahn
Wespenstiche kosten bald mehr?
Spannend wird die neue Mehrwertsteuerreglung jedoch auch bei der normalen Tätigkeit, für welche man die Dienste einer kommunalen Einrichtung gerne in Anspruch nimmt. Kommt die Feuerwehr zu Löschen eines Brandes, ist diese Tätigkeit von der Mehrwertsteuer befreit, weil das die hoheitliche Aufgabe der Feuerwehr ist.
Wenn sie jedoch gerufen wird, weil ein Wespennest entfernt werden soll, wird nun Umsatzsteuer fällig. Denn diese Leistung könnte auch ein privates Unternehmen erbringen.
Vereine können von der Mehrwertsteuerpflicht befreit sein
Vereine nutzen vielfach öffentliche Veranstaltungen, um dort durch den Verkauf von Speisen und Getränken einen Teil ihrer Kosten zu refinanzieren, ohne ihr Mitgliedsbeiträge erhöhen zu müssen. Solange die Umsätze der Vereine sich dabei unter derzeit 22.000 Euro pro Jahr bewegen, sind sie von der Umsatzsteuer befreit.
Schwieriger wird das Mehrwertsteuerproblem beispielsweise im Falle von Feuerwehrmusikkapellen, die einer Freiwilligen Feuerwehr angegliedert sind und kein eigenständiger Verein mit eigenem Vorstand sind. Weil die im Gemeindehaushalt mitlaufen, gilt diese Umsatzgrenze für sie nicht.
Da sie mehrwertsteuerpflichtig sind, müssen sie entweder ihre Preise um den gültigen Mehrwertsteuersatz erhöhen oder auf Einnahmen verzichten, um gegenüber steuerbefreiten Vereinen mithalten zu können.