Droht den Verteilnetzen wegen PV-Boom der Zusammenbruch?

Häuser mit Photovoltaik

PV-Boom überfordert Verteilnetze. Netzausbau hinkt hinterher, Abschaltungen drohen. Wie können Netze dem wachsenden Druck der Solaranlagen standhalten?

Unter Wirtschaftsminister Altmaier hatte man noch versucht, den Drang zur Stromerzeugung auf dem eigenen Dach zu bremsen und hat dabei die meisten deutschen Anbieter erfolgreich abgewürgt.

Seit jedoch vor allem aus China immer mehr kostengünstige PV-Systeme kommen, ist der Wunsch nach PV-Installationen kaum noch zu bremsen. Diese Entwicklung war allerdings nach den Bremsversuchen der damaligen Großen Koalition von den Verteilnetzbetreibern und der zuständigen Regulierungsbehörde nicht mit dieser Geschwindigkeit erwartet worden.

Sowohl der Ausbau der Verteilnetze als auch die Digitalisierung der Netze verlaufen bislang deutlich langsamer, als dies im Kontext des Installationsdrucks durch die preiswerten Solarpaneele erforderlich wäre.

Die Idee, mithilfe von hohen Strafzöllen den Import von hochwertigen Solarpaneelen aus Fernost zu behindern, hat derzeit keiner der politischen Entscheidungsträger.

Auch wenn die Verteilnetze unter dem Einspeisedruck der Erneuerbaren zusehends ächzen, ein flächendeckender Blackout aus diesem Grunde dürfte eher ausgeschlossen sein.

Realisiert werden schon heute allerdings von den Verteilnetzbetreibern ausgelöste Abschaltungen, die auch den Eigenverbrauch der PV-Anlagenbesitzer betreffen und sie zum Strombezug aus dem Netz verpflichten. Dies hängt damit zusammen, dass praktisch alle Anlagen der Erneuerbaren zum Betrieb einen Netzanschluss benötigen.

Damit soll nicht zuletzt verhindert werden, dass Stromerzeuger ihren Strom in ein vom Netzbetreiber beispielsweise wegen einer Reparatur abgeschaltetes Netz drücken.

Meldungen von Netzüberlastungen erschrecken immer wieder

In der Vergangenheit speisten etwa 300 fossile Zentralkraftwerke in die Hoch- und Höchstspannungs-Übertragungsnetze ein, von welchen der Strom dann in die Verteilnetze herunter gespannt wurde.

Die vorliegende Netzstruktur war auf diese Abläufe optimiert. Mit der Installation von über zehn Millionen PV- sowie Windkraft-Anlagen, die zu großen Teilen in das Verteilnetz einspeisen, war diese Struktur erst einmal überfordert. Die Speicherung des Überschussstroms böte eine Möglichkeit dem Problem Herr zu werden. Und wenig überraschend übersteigt die Speicherkapazität der privaten PV-Speicher inzwischen die Kapazität der deutschen Pumpspeicherkraftwerke.

Und für diesen Wandel kann es in einem demokratisch organisierten Umfeld auch keinen Masterplan geben, weil es eine dafür notwendige Behörde unter den gegebenen politischen Bedingungen gar nicht geben kann.

Die physikalische Struktur der deutschen Stromversorgungsnetze geht auf eine Zeit zurück, in der nicht nur deutlich weniger Strom verbraucht wurde, sondern auch ein weniger demokratisches System herrschte, das Einsprüche aus der Öffentlichkeit nicht akzeptierte.

Zum Glück gibt es inzwischen technische Möglichkeiten, die es ermöglichen, dass man durch eine konsequente Digitalisierung auf undemokratische Maßnahmen wie in der Vergangenheit verzichten kann. Man muss sie nur umsetzen. Es ist seit Langem bekannt, dass es bei der Umsetzung hapert. Allein, es hat sich bislang in diesem Punkt wenig geändert.

Bei über 900 in Deutschland tätigen Verteilnetzbetreibern, die über Jahrzehnte vom Verteilen gut leben konnten, ist die regionale Aufnahme von Strom aus Erneuerbaren schon allein aufgrund der großen Zahlen eine beachtliche Herausforderung. Mit Gegenverkehr zu rechnen, wo jahrzehntelang Einbahnstraße angesagt war, ist komplexer als erwartet.

Der Netzausbau hält mit der zunehmenden Elektrifizierung nicht Schritt

Hatte man sich über Jahrzehnte auf kleinere Netzerweiterungen wegen Neubaugebieten und die Reparatur der bestehenden Infrastruktur beschränkt, rollte mit der Energiewende ein Investitionsbedarf auf die Verteilnetzbetreiber zu, den sie mit Bordmitteln nicht mehr bewältigen konnten.

Der mit der Energiewende notwendige synchrone Ausbau der Energieinfrastruktur beschränkt sich nicht nur auf das Verlegen neuer Kabel, sondern erfordert auch entsprechende Schaltanlagen, Umspannwerke und Trafos in der Stromverteilung.

Die staatlicherseits streng regulierten Verteilnetzbetreiber scheinen mit dem Strukturwandel, der einer Operation am offenen Herzen vergleichbar ist, offensichtlich systematisch überfordert.

Viele der oft kommunalen Verteilnetzbetreiber wurden von dem Ansturm der PV-Anlagen überrascht und sehen sich nicht in der Lage, den Überschuss aus den privaten PV-Anlagen in ihr Netz aufzunehmen. Sie sperren vielfach diese private Überschusseinspeisung aus.

Da, wo es nicht gelungen ist, die Einspeisung von Erneuerbaren grundsätzlich abzuwürgen und auch der Netzausbau sowie die Netzdigitalisierung nicht vorankommen, bleiben in der Folge der zu schwachen Netze nur Abschaltungen, wenn Überlast droht. Erhalten Windkraftwerksbetreiber bei Abschaltungen dennoch die zugesagte Vergütung, gehen Betreiber von Photovoltaikanlagen bei Abschaltungen leer aus.

Wenn Verteilnetzbetreiber überfordert sind

Viele Verteilnetzbetreiber glauben sich mit ihrem zögerlichen Netzausbau, wie er lange Zeit auch von der regulierenden Bundesnetzagentur im Interesse gebremster Netzkosten vertreten wurde, auf der sicheren Seite. Wohl auch, weil sie glauben, dass sie aufgrund ihrer Konzessionsverträge ein Monopol bei der Durchleitung durch die kommunalen Wege hätten, das nicht gefährdet wäre.

Dabei dürfen Kommunen die Durchleitungen auch Dritten gestatten, wenn sie diesen die gleichen Konditionen hinsichtlich der Abgaben gestatten.

Damit werden Arealnetze mit Grundstückseigentümern möglich, welche die Stromerzeugung in die eigene Hand nehmen, auch wenn ihre Grundstücke von einer kommunalen Straße getrennt werden. Mieter sind von einer derartigen Lösung bislang jedoch ausgeschlossen, weil sie seit der Strommarktliberalisierung immer das Recht haben, ihren Stromlieferanten frei zu wählen.