Kann Künstliche Intelligenz Stromnetze in Deutschland zukunftsfähig machen?
Experten suchen nach Lösungen für Deutschlands Stromnetze. KI soll Blackouts verhindern und die Energiewende voranbringen. Wird die Digitalisierung gelingen?
Der politisch bedingte jahrelange Investitionsstau bei den deutschen Übertragungs- und Verteilnetzen und die zunehmende Dezentralisierung der Stromerzeugung behindern den Umstieg auf mehr erneuerbare Elektrizitätsversorgung in Deutschland.
Bei der Digitalisierung steht Deutschland daher immer noch am Anfang und viele wünschen sich die Zeiten zurück, als fossile Zentralkraftwerke ohne Rücksicht auf die Umwelt Strom produzierten, der bei Überangebot als billiger Nachtspeicherstrom verramscht oder bis in die 1980er-Jahre einfach über Wasserwiderstände entsorgt wurde.
Inzwischen nutzt man digitale Zwillinge der Netzstruktur, um die benötigten Schaltvorgänge zeitlich passend durchzuführen und so auch die Frequenz halten zu können.
Die Digitalisierung der Stromnetze in Deutschland beginnt gerade erst
Das Problem bei dieser Technik besteht darin, die Daten aus den Verbrauchseinrichtungen rechtzeitig und sicher zu erhalten. Der Widerstand der Verbraucher gegen Smart Meter ist in Deutschland aus Angst vor staatlicher Überwachung beachtlich.
Dabei wird meist völlig ausgeblendet, dass das Management der Stromnetze nicht in staatlicher, sondern fast vollständig in privater Hand liegt, seit die deutsche Stromversorgung wieder in privatwirtschaftlicher Weise organisiert ist.
Aus den USA kommt jetzt die Idee, diese Datenlücke mithilfe von KI zu überbrücken und somit das Netz konsequent über digitale Zwillinge abzubilden, ohne dass der Endverbraucher dazu einen Beitrag leisten muss. Letztlich könnte man die Funktion der Smart Meter dabei auf das italienische Modell reduzieren, das einen Kunden im Zweifelsfall vom Netz trennt.
Künstliche Intelligenz soll die Stromwirtschaft unterstützen
Forscher der University of Texas in Dallas (UT Dallas) haben inzwischen ein Modell auf der Basis künstlicher Intelligenz (KI) entwickelt, das Stromnetzen dabei helfen könnte, Stromausfälle zu verhindern, indem es Schaltvorgänge im Stromnetz innerhalb von Millisekunden durchführt.
Die Forscher der UT Dallas, die in dem Projekt mit Ingenieuren der University at Buffalo in New York zusammenarbeiteten, demonstrierten das automatisierte System in einer Studie, die Anfang Juni in Nature Communications veröffentlicht wurde.
Die grundlegende Idee dabei ist die Entwicklung eines "selbstheilenden Stromnetzes", das mithilfe künstlicher Intelligenz Probleme wie Stromausfälle autonom und ohne menschliches Eingreifen erkennt und selbstständig behebt, sobald sie auftreten. Man hofft damit auch Gefahren bewältigen zu können, etwa wenn Stromleitungen durch einen Sturm beschädigt wurden.
Selbstheilende Smart Grids
Da in den USA ein beträchtlicher Teil der ländlichen Verteilnetze in Freileitungen realisiert sind, zählen Netzstörungen durch Sturm zu den häufigeren Problemen der Stromversorgung. Die Hoffnung, dass Blackouts in den US-Verteilnetzen der Vergangenheit angehören, wird durch die Aussage von Dr. Jie Zhang, Professor für Maschinenbau an der Erik Jonsson School of Engineering and Computer Science jedoch gleich wieder reduziert, wenn er sagt
Unser Ziel ist es, den optimalen Weg zu finden, um möglichst schnell Strom an die Mehrheit der Verbraucher zu liefern. Doch bevor dieses System umgesetzt werden kann, ist noch mehr Forschung nötig.
In den Netzen der Zukunft sollen schnell reagierende, intelligente Steuerungsmechanismen realisiert werden, die Stromausfälle bei Netzstörungen minimieren.
Zu den Korrekturmaßnahmen, die bei Ausfällen in Stromverteilnetzen ergriffen werden sollen, gehören einerseits die Neukonfiguration durch entsprechende Schaltungen und anderseits die von vielen Kunden gefürchtete Notabschaltung von Verbrauchern (Lastabwurf).
Die bislang üblichen Entscheidungsmodelle bei Netzausfällen sind aufgrund ihrer gemächlichen Reaktion und ihrer beachtlichen Ineffizienz für Smart Grids nicht geeignet.
Volatile Einspeisung des Stroms
War das überkommene Stromnetz geprägt von trägen fossilen Zentralkraftwerken und ihrer Einspeisung in die Übertragungsnetze, muss die Regelung in einem agilen, auch die Verteilnetze umfassenden Netz auch die Millionen von volatilen Einspeisern berücksichtigen.
Die Bedeutung der Verteilnetze, die in den letzten Jahrzehnten meist nur als Bindeglied zwischen den Übertragungsnetzen und den Verbrauchern angesehen wurden, haben inzwischen eine deutlich größere Bedeutung für die Sicherheit der Stromversorgung.
In Deutschland mit seiner organisatorischen Trennung zwischen den vier Übertragungsnetzen und den etwa 900 vielfach kommunalen Verteilnetzbetreibern besteht hinsichtlich der benötigten Digitalisierung der Netze, das Problem, dass viele kommunale Betriebe bisher nicht über die benötigten Ressourcen verfügen.
Zunehmende Dezentralisierung der Stromversorgung
Der Wandel der Stromerzeugung weg von den führenden Großkraftwerken hin zu Millionen erneuerbaren PV- und Windkraftanlagen führt zu einer wachsenden Bedeutung der Verteilnetzbetreiber, die letztlich sowohl technisch als auch organisatorisch entsprechend ausgerüstet werden müssen.
Die Dezentralisierung der Stromerzeugung kann dazu führen, dass die Verteilnetzbetreiber sich zu weitgehend autonomen Einheiten entwickeln, die möglichst unabhängig von den Übertragungsnetzbetreibern operieren können. Sie können dann ihre Funktionalität auch bei einem Verlust der Verbindung zum Übertragungsnetz aufrechterhalten.