Warum die Stromnetze in Deutschland schneller digitalisiert werden müssen
Deutschlands Energiemarkt wandelt sich: Übertragungsnetze müssen für neue Aufgaben ausgebaut werden. Digitalisierung kann hierbei helfen.
Während mit der Liberalisierung der Energiemärkte für den Handel in Deutschland von der Fiktion ausgegangen wurde, dass Deutschland gewissermaßen ein Kupferplatte darstellt und im gesamten Staatsgebiet die gleichen Voraussetzungen gelten, sieht die Lage hinsichtlich der physikalischen Versorgung in den verschiedenen Netzen deutlich komplexer aus.
Die Übertragungsnetze bekommen eine neue Aufgabe
Die vier Übertragungsnetzbetreiber hatten ursprünglich die Aufgabe, den Strom von den zentralen fossilen Großkraftwerken im kaskadierten Stromnetz an die insgesamt etwa 1.000 deutschen Verteilnetzbetreiber zu liefern, damit diese ihn zu den Endkunden liefern konnten.
Mit dem Ersatz der fossilen Zentralkraftwerke durch große Windkraftparks sowie PV-Farmen hat sich die Aufgabe für die Übertragungsnetzbetreiber deutlich gewandelt. Heute ist es ihre Hauptaufgabe den Strom von der Erzeugung in Nord- und Ostdeutschland in den Süden zu liefern, wo die großen Industriestromkunden ihren Sitz haben.
Dafür müssen die Übertragungsnetze neu strukturiert und kräftig ausgebaut werden. Da der freie Markt für diese Investitionen auf absehbare Zeit nicht ausreichend Kapital zur Verfügung stellt, steht derzeit eine staatliche Beteiligung an den Übertragungsnetzbetreibern zur Diskussion, damit der notwendige Ausbau der Hoch- und Höchstspannungsebene realisiert werden kann.
Auch die Verteilnetze erhalten zusätzliche Aufgaben
Während die Verteilnetzbetreiber über viele Jahrzehnte nur die Aufgabe hatten, den von den Übertragungsnetzbetreibern angelieferten Strom über die Mittel- und die Niederspannungsnetze an die Endkunden zu verteilen, hat sich ihre Aufgabe mit den regional aufgestellten Windkraft- und Photovoltaikanlagen deutlich verändert.
Mit der politisch erwünschten Elektrifizierung von Heizung und Verkehr stehen jetzt auch immer mehr punktuell steigende Lasten zur Netzeinbindung an. Da für den schnellen Ausbau der Verteilnetze weder genug Material noch ausreichend Personal zur Verfügung steht, sind hier Zwischenschritte gefragt, welche die Verteilnetze ertüchtigen können und dabei langfristig nutzbar bleiben.
Digitalisierung der regionalen Netze
Träge Stromanwendungen wie Wärmepumpen und Ladepunkte für E-Mobile können, im Gegensatz zu Geräten der IT, durchaus kurzfristig in ihrem Verbrauch gedimmt werden, ohne dass sie ihren beabsichtigten Nutzen verlieren. Seit 1. Januar 2024 gelten neue gesetzliche Regelungen für steuerbare Verbrauchseinrichtungen. Das betrifft alle Anlagen mit Leistung ab 4,2 kW und Netzanschluss im Niederspannungsnetz.
Ein wichtiger Baustein für die Digitalisierung der regionalen Verteilnetze ist die Realisierung des Smart Metering. Während die Smart Meter in anderen Ländern Europas nur der Übermittlung der Zählerdaten und der Erkennung möglicher Messstellenüberbrückungen dient, wie sie lange Zeit in Italien geradezu Volkssport waren, ermöglichen die intelligenten Messstellen in Deutschland sowohl eine Erhebung von Netzzustandsdaten, als auch die Steuerung der als EnWG § 14a Anlagen bezeichneten Einrichtungen in den Kundennetzen.
Das Smart Metering ist notwendige Basis für die Schaffung von Verbrauchstransparenz, der Ermöglichung eines Angebots dynamischer Tarife und dynamischer Netzentgelte sowie der Umsetzung von Mieterstrom- und Gebäudestrom-Modellen.
Herausforderung für die Installateure
Die Festlegungen der Bundesnetzagentur sind erst im November 2023 erschienen und traten im Januar 2024 in Kraft. Da wundert es nur wenig, dass die für die Realisierung der Steuerung benötigten Komponenten im Markt nicht in ausreichender Stückzahl verfügbar waren.
Ja, es fehlt vielfach darüber hinaus auch der Platz im Zählerschrank für die jetzt zusätzlich benötigten Steuerungsgeräte. Der wird benötigt, sobald Änderungen an der Hausinstallation vorgenommen werden. Dies hat sich weder bei den Kunden noch vielfach auch im Kreis der Installateure herumgesprochen, die sich dann über zusätzliche Kosten für einen neuen Zählerschrank wundern.
Verkompliziert wird der Einbau der benötigten Steuerungstechnik, wenn es sich um ein Mehrfamilienhaus im Bestand handelt, bei dem die Zählerschränke nicht zentral im Keller untergebracht sind, sondern auf der jeweiligen Etage.
Ein weiteres Hemmnis, um überhaupt mit der Einrichtung der Steuerung für Verbraucher wie Wärmepumpen und Wallboxen beginnen, besteht aktuell in der Tatsache, dass erst wenige Netzbetreiber ihre technischen Vorgaben veröffentlicht haben. Bislang ist nur ein Flickenteppich an Ergänzungen zu den technischen Anschlussbedingungen veröffentlicht, die sich von Netzbetreiber zu Netzbetreiber unterscheiden.
Um die Stromversorgung in Deutschland zu sichern, muss die Digitalisierung der Netze deutlich beschleunigt werden. Und darüber müssen die Kunden zügig informiert und dafür begeistert werden, auch wenn der jetzt anstehende Strukturwandel für viele anstrengend werden wird.