Bürokratische Massenvernichtungswaffen
Seite 2: Diktatoren reagieren auf Sanktionen mit noch mehr Repressionen
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"Eine Sache müssen wir alle verstehen: Heutige Wirtschaftssanktionen und Finanzblockaden sind vergleichbar mit mittelalterlichen Belagerungen von Städten mit der Absicht, sie zur Kapitulation zu zwingen", schrieb der amerikanische Völkerrechtler Alfred de Zayas im Juni dieses Jahres, nachdem er im Auftrag des UN-Menschenrechtsrates die Folgen der US-Sanktionen gegen Venezuela und Ecuador untersucht hatte.
Befürworter von Sanktionen rechtfertigen die tödlichen Kosten der Strafmaßnahmen, mit den größeren politischen Zielen, die man durch sie langfristig erreiche. Diktatoren würden aus Angst vor weiteren Sanktionen von Menschenrechtsverbrechen absehen. Durch das Leid würden sich die Bewohner eines Landes schließlich gegen ihre Regierungen auflehnen oder prowestliche Kräfte innerhalb des Regimes würden die alten Machthaber stürzen. Doch auch das ist ein Mythos.
In der Praxis verhindern Sanktionen keine Menschenrechtsverletzungen, sie befördern sie sogar. Zu diesem Ergebnis kam Dursun Peksen, Professor für Politikwissenschaft an der amerikanischen East Columbia Universität. In seiner 2009 veröffentlichten Studie zu den menschenrechtlichen Folgen von Sanktionen, zeigt er, dass sich Repressionsmaßnahmen wie Folter, politisch motivierte Inhaftierungen und außergerichtliche Tötungen in den meisten Fällen noch verschärft haben.
Peksens Fazit: Um die Menschenrechtssituaton in einem Land zu verbessern, seien wirtschaftliche Zwangsmaßnahmen ein völlig ungeeignetes Instrument.
Auch nach jahrzehntelangen Sanktionen bleiben Diktatoren im Amt
Auch der Glaube, mittels Sanktionen ließen sich Regime Change bewirken, hat sich historisch nicht bewahrheitet. 69 Jahre nachdem die USA ihre ersten Sanktionen gegen Nordkorea verhängt haben, sind zwar unzählige Bewohner des Landes durch Hunger und medizinische Unterversorgung gestorben. Doch das Regime ist nach wie vor fest an der Macht.
Auch die Bevölkerung Kubas litt Jahrzehnte unter den Sanktionen des Westens. Zu einem Sturz des Präsidenten haben die Strafmaßnahmen bis heute nicht geführt. Als Antwort auf die Islamische Revolution und mit dem Ziel einen prowestlichen Regime Change voranzutreiben, verhängten die USA 1979 Sanktionen gegen den Iran. Dieser lässt auch im Jahr 2019 noch auf sich warten.
Nichts hat die konservativen Hardliner des Landes in den letzten Jahren hingegen so bestärkt wie die im November 2018 massiv verschärften Sanktionen der Trump-Regierung.
Als die Vereinten Nationen 1991 infolge des Militärputschs ein Wirtschaftsembargo über Haiti verhängten, stieg auch dort die Kindersterblichkeit rasant an. Doch die Herrschaft von Diktator Raoul Cédras endete erst, als die USA Truppen ins Land schickten.
Die UN-Sanktionen gegen Serbien in den 1990er Jahren konnten weder die Ausweitung des Krieges verhindern noch Milošević zum Rücktritt bewegen. Zwölf Jahre nach Beginn der israelisch-ägyptischen Blockade des Gazastreifens spielt sich dort heute eine humanitäre Katastrophe ab. Nur an der Herrschaft der Hamas hat das Embargo nichts geändert.
Mit dem Ziel, Gewalt zu beenden und Demokratie zu bringen, verhängte die EU 2012 ihre ersten Sanktionen gegen Syrien. Neun Jahre später ist Assad immer noch im Amt und Experten bewerten die Strafmaßnahmen selbst als Ursache für die anhaltende Gewalt und als Hindernis für den Frieden.
Auch der Konflikt um Krim und Ostukraine dauert fünf Jahre nach Beginn der Russland-Sanktionen durch die EU weiter an. Statt sich gegen ihren Präsidenten aufzulehnen, hat Russlands Bevölkerung Wladimir Putin im vergangenen Jahr mit einem Rekordergebnis erneut zum Präsidenten gewählt.
Sehr bescheidene Erfolgsbilanz
Unter dem Titel "Why Economic Sanctions Do Not Work" hat Robert Pape, Professor für Politikwissenschaft an der Universität von Chicago, 115 Sanktionen aus 80 Jahren untersucht. In lediglich fünf Fällen konnten mit ihnen, die gewünschten politischen Ziele durchgesetzt werden.
Berücksichtigt man, dass es sich in drei dieser Fälle um kleinere Konflikte (Streit um einen kanadischen Botschaftsbau und die Freilassung von sechs bzw. drei Gefangenen in der Sowjetunion und El Salvador handelte), fällt die historische Erfolgsbilanz von Wirtschaftssanktionen sogar noch bescheidener aus. Nicht nur für die betroffenen Länder, sondern auch für jene Staaten, die Sanktionen verhängen, enden wirtschaftliche Strafmaßnahmen meist als völlige Fehlschläge.
Das mussten vor über 2400 Jahren schon die Athener erkennen. Perikles' Versuch, eine abtrünnige Bevölkerung in die Kapitulation zu hungern, scheiterte auch damals. Stattdessen wandten sich die Bewohner des kleinen Megaras dem mächtigen Sparta zu. Statt zum Ausbau der Hegemonie Athens führte das "Dekret von Megara" geradewegs in den Peloponnesischen Krieg und damit zum Niedergang von Athens Attischem Bund.
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