Buhlen um Libyen
Der französische Präsident Sarkozy hat den Kampf der westlichen Länder um die Sicherung von wirtschaftlichen Interessen im erdölreichen Libyen deutlich gemacht
Auf seiner großen Afrika-Tour besuchte das neue französische Staatsoberhaupt, Nicolas Sarkozy auch Libyen, das vor kurzem erst das bulgarische Ärzteteam freiließ. In erster Linie ging es um die Sicherung von wirtschaftlichen Interessen Frankreichs im nordafrikanischen Staat ("La méthode Sarkozy"). Neben einer Vereinbarung zur Zusammenarbeit in der Rüstungstechnologie wurde in einer Absichtserklärung vereinbart, dass Libyen von Frankreich zivile Kerntechnik erhalten soll, beispielsweise einen Atomreaktor, der von Areva NP gebaut würde. An dem Konzern ist auch Siemens beteiligt. Im Gegenzug soll Frankreich Uranium erhalten. Kritik an der Vereinbarung kam von der deutschen Regierung. Tatsächlich dürfte dies die Verhandlungen mit Iran nicht erleichtern. Die US-Regierung hielt sich hingegen zurück, schließlich haben die USA eine ähnliche umstrittene Kooperation mit Indien vereinbart.
Muammar Ghaddafi, der ehemalige Terror-Präsident Libyens, ist wieder hoffähig. Vergessen sind die Anschläge auf den PanAm Jumbo über Lockerbie 1988 und auf die französische DC-10 über Niger, die Opfer des Le-Belle-Attentats 2004 in Berlin, sowie die 1984 in London erschossene britische Polizistin. Schließlich wurde dafür Kompensation bezahlt.
Als der Flugkapitän die Landung in Tripolis ankündigt, wird Rafael sichtlich nervös. Auf den Philippinen unterschrieb der junge, verheiratete Mann vor einigen Monaten einen Arbeitsvertrag, demzufolge er 800 Dollar im Monat verdienen soll. Allerdings weiß er nicht, wo und was er arbeiten soll. "Auf einer Baustelle vielleicht", sagt er lapidar. Schließlich sei er Klempner. Seine 14 anderen philippinischen Kollegen in der Maschine wissen eben sowenig.
Die philippinischen Gastarbeiter gehören zu den auf rund 1,2 Millionen geschätzten Ausländern im Staat von Muammar Ghaddafi. Die wenigsten davon haben aber legalen Status wie die jungen Arbeiter von den Philippinen. Die meisten kommen aus den Ländern südlich der Sahara. Falls es keine Arbeit geben sollte, hoffen sie auf ein Boot, das sie nach Italien oder Malta ins goldene Europa bringt.
Lange Jahre wurden diese Immigranten von den libyschen Behörden geduldet. Nachdem Libyen jedoch Entschädigungen für die Terroranschläge der 1980er Jahre bezahlte und obendrein noch das Massenvernichtungswaffenprogramm einstellte, änderte sich die Situation für die afrikanischen Migranten schlagartig. Staatspräsident Mohammed Ghaddafi muss nun plötzlich auch in Sachen illegaler Immigration mit der EU kooperieren, was er früher stets verweigerte (Libyen wird zum hofierten Partner der westlichen Staaten).
Laut Angaben des libyschen Innenministeriums wurden 2006 64.330 illegale Immigranten in ihre Heimatländer repatriiert, was dem Staat vier Millionen Euro gekostet haben soll. Zudem verhaftete man 312 Menschenhändler und konfiszierte 72 Boote. In der Hafenstadt Swara, nahe der tunesischen Grenze, von wo aus die Boote nach Italien starten, werden regelmäßig Razzien durchgeführt und als Beweis der Regierungsaktivität im Fernsehen gezeigt.
Die Regierung von Ghana hat sich offiziell über die schlechte Behandlung ihrer etwa 10.000 Staatsangehörigen in Libyen beschwert. Sie würden unter unmenschlichen Bedingungen repatriiert. Man würde ihnen ihre Pässe abnehmen und auch ohne Gerichtsverfahren ins Gefängnis sperren. In Zukunft möchte man, dass die Menschenrechte respektiert werden. Aber darauf wird in Libyen nach Amnesty International und Human Rights Watch wenig Wert gelegt. Nach wie vor gibt es Fälle von Folter, die Pressefreiheit ist eingeschränkt, Kritik am Regime ist verboten, wer es trotzdem tut, riskiert hohe Gefängnisstrafen. Den europäischen Ländern und den USA scheint dies wenig auszumachen.
Libyen lockt mit Geld und Öl
Als Tony Blair als erster westlicher Staatsmann nach dem Ende des Libyenboykotts Präsident Ghaddafi im März 2004 besuchte, versicherte der damalige britische Premier, wie wichtig das alles für den Kampf gegen der Terror sei. Bestandteil des Treffens war die Unterzeichnung eines 550 Millionen Pfund schweren Abkommens zwischen Shell und der libyschen Regierung.
Für die EU und die USA ist das in jeglicher Hinsicht verwaiste Libyen ein Idealfall. Die Ölproduktion soll von 1,6 Millionen Barrel pro Tag auf 3 Millionen im Jahr 2012 angekurbelt werden. Gleichzeitig sollen die Ölreserven, die achtgrößten der Welt, erschlossen werden. Chevron Texaco und Mathon/Conoco Phillips haben bereits 2005 ihre Schürfrechte gesichert. Auch die China National Oil hat sich erfolgreich um Suche von Gas auf einer Fläche von 40.000 Quadratkilometer Offshore beworben.
Das altmodische libysche Bankensystem soll mit Hilfe aus dem Ausland auf internationalen Standard gebracht. 5 Milliarden Dollar sind nötig, die Infrastruktur des Landes zu verbessern. Zurzeit besuchen etwa nur 130.000 Touristen jährlich den nordafrikanischen Staat, was im Vergleich zu 6.000.000 jeweils in Marokko und Tunesien verschwindend gering ist. 2015 sollen es zumindest 1.000.000 in Libyen werden, das eine 1.100 Kilometer lange Küste mit völlig unerschlossenen Stränden hat. Dazu eine ganze Reihe von römischen Ruinen, die ähnlich gut erhalten sind, wie in Italien.
Zu den besten libyschen Handelspartnern zählten 2005 Italien, gefolgt von Deutschland, Tunesien, Großbritannien, die Türkei und Frankreich. Die EU stellte bereits in Aussicht, dass es Möglichkeiten zur Handelsoptimierung gibt. Spezielle Wirtschaftsabkommen, die irgendwann in einen Freihandel münden können, wie im Falle von Marokko. Nur dazu muss Libyen bestimmte Bedingung erfüllen, zu denen Menschenrechte und demokratische Reformen gehören. Etwas, das jedoch in Libyen noch lange dauern kann.
Für Rafael und seine Arbeitskollegen von den Philippinen ist das erst einmal egal. Ihnen geht es weder um die Menschenrechte, noch um demokratische Verhältnisse. Sie wollen nur ihren Lohn jeden Monat sehen, die Unterkünfte müssen okay sein und die Arbeit nicht unbedingt zu schlecht. Von Saudi-Arabien haben sie nur Schlechtes gehört, deshalb haben sie für Libyen unterschrieben. Da sie legale Papiere haben, kann es ihnen nicht wie den 35.000 ägyptischen Gastarbeitern gehen, die wieder nach Hause mussten. Momentan bereitet Rafael und seinen Kollegen am meisten Sorge, dass es im Reich Muammar Ghaddafis keinen Alkohol gibt. Rechtzeitig vor der Landung hat sich noch jeder schnell einen Schnaps bei der Stewardess bestellt.