Bulgaren und Mazedonier - Freunde und gute Nachbarn per Vertrag

Der mazedonische Regierungschef Zoran Zaev und sein bulgarischer Amtskollege Boiko Borissov begingen gemeinsam die Feierlichkeiten an Gotse Deltschevs Grab. Bild: Mazedonische Regierung

Eine "Ära der Kooperation" soll die Streitereien der beiden Staaten beenden, Widerstand ist von mazedonischen Nationalisten zu erwarten

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Ilinden, der Tag des Elias am 2. August, ist für Bulgaren und Mazedonien ein besonderer Tag. Am bulgarischen Schwarzen Meer hissen die Rettungsschwimmer an ihm oft die rote Fahne und warnen Badegäste vor der sogenannten tödlichen Welle, die an diesem Tag so viele Opfer forderte wie an keinem anderen. In Mazedonien begeht das Volk seinen Nationalfeiertag und legt die politische Elite am steinernen Sarkopharg des Nationalhelden Gotse Deltschev Blumenkränze nieder.

Im Frühjahr 1903 war der Revolutionär Gotse Deltschev die treibende Kraft im bewaffneten Kampf des Bulgarisch-Makedonisch-Adrianopeler Revolutionären Komitees (BMARK) gegen die osmanische Fremdherrschaft. Den eigentlichen Ilinden-Aufstand am 2. August 1903 erlebte er indes nicht mehr, knapp drei Monate zuvor fiel er einunddreißigjährig durch Schüsse osmanischer Polizisten. Gelang es der BMARK auch kurzfristig, befreite Gebiete zu den Republiken Kruschevo und Strandscha auszurufen, so schlug die osmanische Besatzungsmacht den Ilinden-Aufstand wenig später nieder.

Die diesjährigen Feierlichkeiten an Gotse Deltschevs Grab im Hof der Kirche Sveti Spas in Skopje waren etwas Außergewöhnliches. Zum ersten Mal begingen sie die Ministerpräsidenten von Mazedonien und Bulgarien gemeinsam. Der mazedonische Regierungschef Zoran Zaev und sein bulgarischer Amtskollege Boiko Borissov vollzogen damit eine erste Manifestation der Vereinbarungen ihres am Tag zuvor unterzeichneten mazedonisch-bulgarischen "Vertrags zur Freundschaft, Guten Nachbarschaft und Zusammenarbeit".

An diesem 37 Grad Celsius heißen ersten Augusttag 2017 glich die mazedonische Hauptstadt einer belagerten Stadt, fast so, als tagte ein G20-Gipfel am Vardar-Fluss oder sei zumindest ein amerikanischer Präsident zu Besuch. Am Himmel folgte ein Hubschrauber der Autokolonne der bulgarischen Regierungsdelegation auf ihrem Weg vom Flughafen Alexander Veliki (der Große) zum von massiven Polizeikräften weiträumig abgeriegelten Regierungssitz. Dort wurde Premier Borissov von seinem Gastgeber Zaev mit militärischen Ehren empfangen.

Die starken Sicherheitsmaßnahmen waren eine Folge einer "unspezifischen Gefahrenlage" und beredter Ausdruck dafür, dass es sich bei dem zu unterzeichnenden Freundschaftsvertrag beider Balkanländer nicht um ein gewöhnliches Dokument bilateraler Diplomatie handelte, sondern um eine neue vertragliche Grundlegung ihres Verhältnisses zueinander. Diese aber stößt in Mazedonien und in Bulgarien nicht auf ungeteilte Zustimmung, sondern ruft auch erbitterte Ablehnung hervor.

"Friede, Freundschaft und gute Nachbarschaft sind wichtiger als alles andere"

"Bulgarien und Mazedonien haben einen gemeinsamen historischen Schritt nach vorne getan", erklärte Mazedoniens Regierungschef Zaev nach Unterzeichnung des Vertrags im Blitzlichtgewitter einer Hundertschaft von Bildreportern. "Dort wo ein politischer Wille herrscht, können Probleme gelöst werden", sagte er. Seine erst Ende Mai 2017 ins Amt getretene Regierung habe sich für "eine Politik der Lösungen, nicht der Probleme entschieden" und in der bulgarischen Regierung "einen konstruktiven Partner gefunden mit denselben Zielen".

"In zehn Jahren werden die Resultate der heutigen Begegnung in beiden Staaten sichtbar sein", kommentierte Boiko Borissov, dessen drittes Kabinett Anfang Mai 2017 sein Amt angetreten hat. Er erwarte positive Reaktionen der EU, denn "zwei Staaten sind ohne Vermittler zu dem Schluss gelangt, dass Friede, Freundschaft und gute Nachbarschaft wichtiger sind als alles andere".

Tatsächlich ließen die Grußbotschaften von EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn und der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini nicht lange auf sich warten. Auch Deutschlands Außenminister Sigmar Gabriel lobte den Nachbarschaftsvertrag als "historisch" und begrüßte es, "dass es nach vielen Jahren ergebnisloser Verhandlungen gelungen ist, eine einvernehmliche Lösung offener Fragen zu finden. Damit senden beide Länder ein wichtiges Signal für erfolgreiche bilaterale, aber auch regionale Kooperation auf dem Balkan und die weitere euroatlantische Integration der ejR Mazedonien", ließ Gabriel per Presseerklärung verlauten. Er gab seiner Hoffnung Ausdruck, die neue Regierung in Skopje möge "diese Form konstruktiver Zusammenarbeit mit allen Nachbarn konsequent" weiterverfolgen, um nach jahrelangem Stillstand "nun endlich die für die EU-Annäherung dringend nötigen Reformen auf den Weg zu bringen".