Bundeskabinett billigt einstimmig Biopatent-Gesetzentwurf
Aber die Bundesregierung will in einem von Greenpeace als Schildbürgerstreich bezeichneten Vorgehen trotz der jetzt eingeleiteten Umsetzung der EU-Biopatent-Richtlinie diese noch nachverbessern
Einstimmig hat das Bundeskabinett heute den Entwurf des Biopatentgesetzes gebilligt, mit dem die EU-Biopatentrichtlinie in nationales Recht umgesetzt werden soll. Mit der Vorlage des vom Bundesjustizministeriums erarbeiteten Entwurfs geht dieser erst einmal in das Parlament. Allerdings meldet sowohl das Bundesjustizministerium als auch die Fraktion der Grünen Vorbehalte an. Die Grünen wollen noch im Verlaufe des Gesetzgebungsprozesses Veränderungen einführen, die Bundesregierung will auf europäischer Ebene das Gesetz, das in nationales Recht umgesetzt werden soll, noch verbessern und präzisieren.
Angesichts dieses seltsamen Verhaltens spricht Greenpeace von einem "einzigartigen Schildbürgerstreich". Die Bundesregierung hätte eigentlich die von 1998 stammende, damals bereits überarbeitete Richtlinie 98/44/EG über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen bis zum Juli 2000 in nationales Recht umsetzen müssen. Sowieso schon zu spät dran, hat jetzt wohl abgesehen vom Zeitdruck der Zwang dominiert, keinen Streit in der Koalition aufbrechen zu lassen.
Die Grünen, die nach eigenem Bekunden auch dann treffen, wenn die Körbe höher hängen, begründen in einer Pressemitteilung ihre Zustimmung dadurch, dass die nationale Umsetzung der EU-Richtlinie "unumgänglich" gewesen sei, weil ansonsten die Regelungen der Richtlinie "unmittelbar und unverändert" gegolten hätten. Eine Unumgänglichkeit daraus abzuleiten, dass man bislang versäumt hat, die Richtlinie zu verändern und umzusetzen, ist allerdings etwas an den Haaren herbeigezogen. Jedenfalls will man den "öffentlichen Diskurs um die Patentierbarkeit von Leben zu intensivieren" und "Konkretisierungen und Verbesserungen bezüglich des Umfangs des Stoffpatents, einer unmissverständlichen Berücksichtigung des Embryonenschutzgesetzes, der Wahrung des Sortenschutz- und Nachbaurechte in der Landwirtschaft, des Schutzes vor Biopiraterie und der Selbstbestimmungs- und Eigentumsrechte am Menschen einbringen". Da hat die Fraktion also viel vor. Die Frage ist nur, ob insuläre nationale Lösungen wie beispielsweise die strenge Aufrechterhaltung des Embryonenschutzgesetzes, das auch therapeutisches Klonen verbietet, wirklich langfristig Bestand haben können.
Grundsätzlich begrüßen die Grünen, dass die Bundesregierung zwar aus den formalen und koalitionsinternen Gründen den Gesetzesentwurf in nationales Recht umsetzen, aber gleichzeitig auf EU-Ebene neu verhandeln will. Besonders im Auge haben sie dabei die "grundlegenden Probleme der Patentierbarkeit der Gene von Menschen, Tieren, Pflanzen und Mikroorganismen". Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin sagt zwar, dass das Gesetz Klarheit darüber schaffe, was patentiert werden kann, und dass damit "Innovationen gefördert, Erfindungen geschützt und ethische Grenzen respektiert" würden, gleichzeitig aber sollen dann doch die Voraussetzungen der Patentierbarkeit noch einmal auf europäischer Ebene geprüft werden: "Auf Grund neuester Entwicklungen in der biomedizinischen Forschung müssen die ethisch gebotenen Grenzen des Patentrechts gegenüber Bestrebungen, auch menschliche Körperteile zu patentieren, geschützt und weltweit durchgesetzt werden." Das mag zwar politisch geboten sein, will man das Patentrecht einschränken, wird sich aber als unmöglich und daher als frommer Wunsch herausstellen. Schon innerhalb der EU ist fraglich, ob die Bundesregierung genügend andere Mitgliedsstaaten finden wird, um die Richtlinie noch einmal zu verändern.
Auch die Sprecherin für Humangenetik der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Katherina Reiche, kritisierte die Ambivalenz des Beschlusses der Bundesregierung: "Niemand kann vorhersagen, wie lange eine solche Neuverhandlung dauern würde, und welche Ergebnisse zu erwarten wären. Gerade in dieser wichtigen Zukunftstechnologie müssen Projekte langfristig planbar sein. Auf der jetzigen Rechtsgrundlage gibt es keine Planungssicherheit, was sich gerade für klein- und mittelständische Unternehmen negativ auswirken wird."
Greenpeace kritisiert, dass mit der Biopatent-Richtlinie "erstmals die Vergabe von Patenten auf lebende Organismen gesetzlich erlaubt" werde. "Monopolrechte auf einzelne Gene, menschliche Embryonen, Körperteile, Tiere, Pflanzen, Saatgut und medizinische Verfahren" würden dann die Macht weniger Konzerne stärken. Man habe bereits die "skandalös Patentpraxis" in Europa aufzeigen können. Allerdings hatten die Unternehmen, deren Patentanträge auch die Herstellung von hybriden Embryonen umfassen, die Formulierung präzisiert, während das Europäische Patentamt deutlich machte, dass "Patent-Ansprüche, die sich mit Verfahren zur Herstellung menschlicher Embryonen befassen, aus ethischen Gründen nicht gewährbar sind" (Greenpeace entdeckt wieder einen Patentantrag, der auch menschliche Embryonen umfasst).
Allerdings will Greenpeace - fundamentalistisch - verhindern, dass Patente auf Leben überhaupt gewährt werden. Die Richtlinie stellt etwa heraus, dass das "Patentrecht die nationalen, europäischen oder internationalen Rechtsvorschriften zur Festlegung von Beschränkungen oder Verboten oder zur Kontrolle der Forschung und der Anwendung oder Vermarktung ihrer Ergebnisse weder ersetzen noch überflüssig machen" soll. Das bezieht sich auch auf die Aufrechterhaltung ethischer Normen. Explizit wird auch gesagt, dass "der menschliche Körper in allen Phasen seiner Entstehung und Entwicklung, einschließlich der Keimzellen, sowie die bloße Entdeckung eines seiner Bestandteile oder seiner Produkte, einschließlich der Sequenz oder Teilsequenz eines menschlichen Gens, nicht patentierbar sind."
Umstritten kann höchstens sein, dass dann, "wenn der Aufbau eines Bestandteils (des menschlichen Körpers) mit dem eines natürlichen Bestandteils identisch ist" und man diesen Bestandteil mittels eines "technischen Verfahrens" hergestellt hat, dieser patentiert werden kann, wobei sich "die Rechte aus dem Patent nicht auf den menschlichen Körper und dessen Bestandteile in seiner natürlichen Umgebung erstrecken können". Darunter würde beispielsweise die Herstellung von Körperzellen aus Stammzellen fallen. Verfahren, die gegen die "guten Sitten" oder gegen die Menschwürde verstoßen, beispielsweise die Herstellung hybrider Lebewesen wie in dem kürzlich von Greenpeace entdeckten Patentantrag, das Klonen von Menschen oder Eingriffe in die menschlcihe Keimbahn, sind ebenfalls nicht patentierbar. Ganz richtig legt die Richtlinie fest, dass eine Aufzählung der von der Patentierbarkeit ausgeschlossenen Verfahren als Leitlinie wichtig wäre. Zu den vorher genannten expliziten Verboten werden noch aufgeführt: Verwendung von menschlichen Embryonen zu industriellen und kommerziellen Zwecken oder Verfahren zur Veränderung der genetischen Identität von Tieren; "die geeignet sind, Leiden dieser Tiere ohne wesentlichen medizinischen Nutzen für die Menschen oder das Tier zu verursachen, sowie die mit Hilfe solcher Verfahren erzeugten Tiere".
Das sind natürlich beides wieder sehr schwammige Bestimmungen. Beispielsweise werden ausdrücklich Erfindungen als patentierbar bezeichnet, bei denen menschliche Embryonen zu "therapeutischen oder diagnostischen Zwecken" gebraucht werden und auf diesen "zu dessen Nutzen angewandt werden". Ist damit das therapeutische Klonen von Stammzellen, die einem Embryo entnommen wurden, um Gewebe für die Transplantation zu erhalten, patentierbar? Dem Embryo selbst kommt das ja nicht mehr zugute, wohl aber anderen Menschen.
Ebensowenig wie es für die Richtlinie also Patente auf Gene gibt, sind auch ausdrücklich "Pflanzensorten und Tierrassen" von der Patentierbarkeit ausgeschlossen, allerdings sind Erfindungen patentierbar, die "technisch nicht auf eine Pflanzensorte oder Tierrasse beschränkt" sind. Ende des letztes Jahres hatte die Große Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts aufgrund dieser Bestimmung ein Moratorium beendet und so wieder die Patentierung von gentechnisch veränderten Pflanzen und Tieren ermöglicht. Gedrechselt ist auch die Definition der Pflanzensorte, die durch ihr gesamtes Genom charakterisiert sei und aufgrund ihrer Individualität von der Patentierbarkeit ausgeschlossen bleibt, während eine "Pflanzengesamtheit, die durch ein bestimmtes Gen (und nicht durch ihr gesamtes Genom) gekennzeichnet ist", nicht dem Sortenschutz unterliegt. Eine Pflanzensorte, bei der nur ein einzelnes Gen verändert wurde, ist also nicht patentierbar, nur das Verfahren, ein Gen in verschiedene Pflanzensorten einzuführen.
Aber so einfach ist es auch wieder nicht, denn der Patentschutz für das Verfahren erstreckt sich doch nach Artikel 8 auch auf das "mit dem Verfahren unmittelbar gewonnene biologische Material und jedes andere mit denselben Eigenschaften ausgestattete biologische Material", überdies erstreckt sich der Schutz auf jedes Erzeugnis, in das ein mit dem Verfahren hergestelltes biologisches Material Eingang findet und in dem die genetische Information des Materials enthalten ist und ihre Funktion erfüllt. Biologisches Material ist im Sinne der Richtlinie ein "Material, das genetische Informationen enthält und sich selbst reproduzieren oder in einem biologischen System reproduziert werden kann", also schlicht Organismen oder Bestandteile von Organismen.