Bundestag beschließt Impfberatungsverweigerer-Meldepflicht für Kitas
Bundesrat will Zustimmung verweigern
Gestern Nacht beschloss der Bundestag nicht nur ein neues Reiserecht (vgl. Nachtaktiver Bundestag beschließt neues Reiserecht), sondern auch einen Gesetzentwurf zur Modernisierung der epidemiologischen Überwachung übertragbarer Krankheiten. Dieser Gesetzentwurf sieht unter anderem vor, dass Kindertagesstätten Eltern, die ihrer seit 2015 geltenden Impfberatungspflicht nicht nachkommen, zukünftig den Gesundheitsämtern melden müssen. Die können in solchen Fällen Bußgelder in Höhe von bis zu 2.500 Euro verhängen.
Ob aus dem Gesetzentwurf ein Gesetz wird, ist allerdings insofern offen, als der Bundesrat (in dem die Grünen über die Mehrheit der Länderkabinette mitregieren) bereits signalisiert hat, dass er ihn ablehnt. Zur Begründung heißt es in der Ausschussempfehlung der Länderkammer, so eine Meldepflicht stehe einem "vertrauensvollen Verhältnis der pädagogischen Fachkräfte in den Kindertageseinrichtungen zu den Eltern" entgegen.
Masernwelle im März
Bundesgesundheitsminister Herrmann Gröhe (CDU) begründete die Notwendigkeit einer Meldepflicht gestern damit, dass die Regelung von 2015 die großen Impflücken immer noch nicht geschlossen habe. Diese Impflücken hatten im März zu Masernausbrüchen in mehreren deutschen Städten geführt. Im hessischen Hofheim mussten deshalb sogar nicht nachweislich geimpfte Lehrer und Schüler vom Unterricht ausgeschlossen werden, was unter anderem die Abiturvorbereitungen beeinträchtigte.
Das Masernvirus beeinträchtigt das menschliche Immunsystem (anders als das HIV-Virus) zwar nicht dauerhaft, aber über einen längen Zeitabschnitt. Dadurch werden Masern immer wieder von anderen Infektionskrankheiten wie Gehirnentzündungen, Lungenentzündungen oder Mittelohrentzündungen begleitet. Besonders gefährlich werden solche Begleiterkrankungen, wenn Eltern nicht nur Impfgegner sind, sondern der wissenschaftlich fundierten Medizin so sehr misstrauen, dass sie auch bei der Behandlung dieser Krankheiten alternativen Heilvorstellungen anhängen.
Vater darf Kind gegen den Willen der Mutter impfen lassen
Im norditalienischen Cagli musste diese Woche der sechsjährige Francesco B. sterben, dessen Eltern ihn mit einer Mittelohrentzündung (an der er vor zwei Wochen erkrankte) nicht zu einen "Schulmediziner", sondern zum "Naturheiler" Massimiliano M. brachten. Der verbot den Erziehungsberechtigten trotz hohen Fiebers die Gabe von Antibiotika und die Einlieferung in ein Krankenhaus. Als die Eltern schließlich doch die Rettung riefen, konnte dem Buben auch keine Notoperation mehr helfen. Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft sowohl gegen den Naturheiler als auch gegen die Eltern wegen fahrlässiger Tötung.
In Cagli waren die alternativmedizingläubigen Eltern einer Meinung, was jedoch nicht immer der Fall ist: Im Mai entschied der deutsche Bundesgerichtshof, dass ein Vater seine Tochter auch gegen den Willen ihrer Mutter (bei der das Mädchen lebt) neun von der Ständigen Impfkommission empfohlene Impfungen zukommen lassen darf.
Anders als "alltäglichen Angelegenheiten" wie der Fernsehkonsum sind Impfungen dem BGH nach nämlich von "erheblicher Bedeutung" und dürfen deshalb nicht alleine von dem Elternteil entschieden werden, bei dem ein Kind wohnt. Können sich die Eltern in so einer Frage von erheblicher Bedeutung nicht einigen, muss ein Zivilgericht entscheiden, "wessen Position im Sinne des Kindes ist".
Elektronisches Melde- und Informationssystem
Außer der Impfberatungsverweigerer-Meldepflicht für Kindertagesstätten sieht der Gesetzentwurf zur Modernisierung der epidemiologischen Überwachung übertragbarer Krankheiten erweiterte Meldepflichten für Pflegeheime und Asylbewerberunterkünfte vor, wo es in den letzten Jahren unter anderem zur Verbreitung von Krätze kam. Alle Daten zu übertragbaren Krankheiten sollen zukünftig in einem elektronisches Melde- und Informationssystem gespeichert werden, das das Robert-Koch-Institut (RKI) bis 2021 fertiggestellt haben muss.
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