Bundesverfassungsgericht verschickt detaillierten Fragenkatalog zum Rundfunkbeitrag
NJW macht darauf aufmerksam, dass sich seit den Entscheidungen zu Zeiten knapper Frequenzen die Rahmenbedingungen geändert haben
Die Neue Juristische Wochenschrift (NJW) ist die wichtigste juristische Fachzeitschrift in Deutschland. Ihren Informationen nach hat das Bundesverfassungsgericht jetzt wegen mehrerer Klagen gegen den Rundfunkbeitrag, die den Instanzenweg durchschritten haben, unter dem federführenden Berichterstatter Andreas L. Paulus an den Bundestag, an den Bundesrat, die Landtage und die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten "einen Katalog mit bohrenden Fragen verschickt". "Die Richter", so ein NJW-Informant aus einer Staatskanzlei, "rollen mit ihrem Fragenkatalog das Thema komplett auf" und sollen zudem "eine sehr kurze Frist für die Stellungnahmen gesetzt" haben.
NJW-Autor Joachim Jahn zufolge wird ein Urteil zum Rundfunkbeitrag nicht nur deshalb "mit besonderer Spannung […] erwartet", weil ihn praktisch alle Bürger zahlen müssen, sondern auch, "weil die deutsche Rundfunkverfassung weitgehend auf [die Karlsruher] Rechtsprechung und nicht auf konkrete Vorgaben im Grundgesetz zurückgeht." "Mittlerweile", so der Schriftleiter, "haben sich aber durch das Aufkommen von Privatsendern und Internet die Rahmenbedingungen geändert: Ursprünglich ging das Gericht von einem Auftrag von ARD und ZDF zur Grundversorgung aus, weil Radio- und Fernsehfrequenzen knapp seien."
In der Vergangenheit lehnte das Bundesverfassungsgericht bereits die Beschwerde eines Mannes ab, der im Rundfunkbeitrag einen Verstoß gegen die Religionsfreiheit sah, begründete das jedoch nicht inhaltlich, sondern nur damit, dass der Kläger den Rechtsweg nicht eingehalten und den Weg durch die Instanzen beschritten hatte, der bei den neuen Klägern gegeben ist. Auch eine Verfassungsbeschwerde des Verbandes Deutscher Grundstücksnutzer (VDGN) wurde als formell unzulässig zurückgewiesen.
Auch Luxemburger Richter beschäftigt
Inzwischen liegt der deutsche Rundfunkbeitrag auch dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg vor (Az. 5 T 20/17, 5 T 99/17 und 5 T 246/17). Der Tübinger Richter Matthias Sprißler möchte dort unter anderem prüfen lassen, ob die Zwangsabgabe, die seit 2013 auch erwiesene Nichtnutzer zahlen müssen, europarechtlich gesehen eine "Beihilfe" - also eine Subvention ist. Diese Frage ergibt sich nicht nur aus dem Konkurrenzverhältnis zu privaten Radio- und Fernsehsendern, sondern auch aus den Aktivitäten von ARD und ZDF im Internet, wo sie inzwischen nicht nur Texte anbieten, sondern auch YouTuber bezahlen, in deren Inhalte ein Gemeinnutzen noch weniger sichtbar ist als in Degeto-Produktionen, Soaps und Volksmusikshows.
Besonders interessant ist die Frage, ob der deutsche Rundfunkbeitrag in seiner aktuellen Form "mit dem unionsrechtlichen Gleichbehandlungsgebot, dem unionsrechtlichen Diskriminierungsverbot und der unionsrechtlichen Niederlassungsfreiheit vereinbar" ist. Verneinen die Luxemburger Richter diese Frage, könnten sich viele Deutsche möglicherweise bald entscheiden, ob sie nicht lieber die Angebote aus Nachbarländern wie Tschechien (etwa fünf Euro im Monat), Polen (3,91 Euro im Monat) oder Frankreich (10,42 Euro im Monat) wahrnehmen (vgl. Rundfunkbeitrag wird dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt).
Ehrenamtler statt Spitzenverdiener?
Die erheblichen Mehreinnahmen, die ARD und ZDF durch die Umstellung der geräteabhängigen GEZ-Gebühr auf eine Haushaltspauschale erzielten, führten lediglich zu einer Beitragssenkung in Höhe von 48 Cent monatlich. Den Rest geben die Sender aus - unter anderem für Luxuspensionen. Bei den Gehältern für ihre Führungskräfte geben sich die Gebührensender auch heute noch sehr großzügig. WDR-Intendant Tom Buhrow verdient beispielsweise 399.000 Euro im Jahr. Auf öffentliche Kritik daran reagierte er kurz vor der Bundestagswahl mit einem Neidvorwurf und der Bemerkung, wenn man immer "weniger, weniger, weniger" sage, dann müsse man seinen Job am Ende von einem Ehrenamtler erledigen lassen. Was Buhrow als Warnung gemeint hatte, stieß in Sozialen Medien auf große Zustimmung.
Um die Akzeptanz in der Bevölkerung nicht weiter zu verringern, präsentierten die öffentlich-rechtlichen Sender am Freitag einen Plan, wie sie durch "Strukturoptimierung" langfristig weniger Geld ausgeben wollen. Vorher hatte die FAZ einen Entwurf präsentiert, der vorsah, dass diese "Strukturoptimierung" mit einer automatischen Gebührenerhöhung auf 21 Euro bis 2020 einhergehen sollte (vgl. Ein Einsparvorschlag für ARD und ZDF).