Bundeswehr-Teilabzug aus dem Irak
Soldaten und Geräte werden vorerst nach Jordanien und Kuwait verlegt
Nachdem eine schiitische Mehrheit im irakischen Parlament am Sonntag den Abzug aller ausländischen Soldaten im Irak forderte, haben sich Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) und Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) gestern Abend auf einen Teilabzug der Bundeswehrsoldaten im Zweistromland verständigt: Deren bislang in Bagdad angesiedeltes Hauptquartier soll nach Kuwait verlegt werden, die Aufklärungstornados und Tankflugzeuge zusammen mit Piloten und Mechanikern auf den jordanischen Luftwaffen-Stützpunkt Al-Azraq.
Außer dem Hauptquartier und der Luftwaffe waren im Irak auch Ausbilder der Bundeswehr tätig, die ebenfalls verlegt werden. Der Sinn ihrer Mission wurde angesichts des Zustandes der Truppe in Sozialen Medien bereits vor dem irakischen Parlamentsbeschluss angezweifelt: "Was kann die Bundeswehr eigentlich irakischen Truppen beibringen, was die dort noch nicht können - außer Mülltrennung?" fragte sich beispielsweise der Nürnberger Forensikpsychiater Thomas Lippert auf Twitter.
Letten ziehen ebenfalls ab, andere Länder warten auf Entscheidung der irakischen Regierung
Auch die lettische Armee, die seit dem 14. Januar 2016 Soldaten im Irak präsent ist und eigentlich schon am 1. Februar 2018 abziehen wollte, hat nach Angaben des lettischen Verteidigungsministeriumssprechers Kaspars Galkins "die Ausbildung der irakischen Sicherheitskräfte und das Training mit ihnen eingestellt". Ob die Soldaten anderer Länder aus der US-geführten Anti-IS-Koalition folgen hängt Maas zufolge davon ab, ob sich die Regierung in Bagdad hinter dem Parlamentsbeschluss stellt. "Deshalb", verlautbarte Maas im öffentlich-rechtlichen Fernsehen seines Landes, "sprechen wir zurzeit mit der [irakischen] Regierung".
Die aus einem "Neupositionierungsbrief" des amerikanischen Marineinfanteriegenerals William Seely an die irakische Armeeführung abgeleitete Meldung, dass auch die US-Truppen aus dem Irak abziehen würden, wurde inzwischen von US-Verteidigungsminister Mark Esper und dem Pentagon dementiert. "Es fiel", so Esper dazu, "keine Entscheidung, den Irak zu verlassen": "Punkt." Hubschrauberflugbeobachtungen deuten aber darauf hin, dass es innerhalb des Landes US-Truppenverlegungen gegeben haben könnte.
Iranisches Parlament erklärt US-Soldaten zu "Terroristen
Das iranische Parlament erklärte US-Soldaten nach der Tötung des Al-Kuds-Kommandeurs Soleinami und eines irakischen Schiitenmilizvizes nicht nur für unerwünscht, sondern zu "Terroristen". Gleichzeitig erhöhte es das Budget seiner in den USA als Terroristen geltenden Revolutionsgarden um umgerechnet 200 Millionen Euro. Diese Erhöhung dient dem iranischen Parlamentspräsidenten Ali Laridschani zufolge der Vorbereitung und Durchführung einer "harten Rache".
Der iranischen Nachrichtenagentur Fars nach, die sich auf einen angeblich hochrangigen, aber nicht namentlich genannten Sicherheitsbeamten beruft, werden dafür gerade 13 "Szenarien" geprüft. Der oberste iranische Religionsführer Ali Chamenei soll den Informationen der Washington Post nach eine "direkte" Antwort bevorzugen, die nicht von einer Proxy-Truppe wie der Hisbollah, sondern von den iranischen Streitkräften selbst durchgeführt wird.
US-Präsident Donald Trump hat für den Fall iranischer Vergeltungsanschläge oder -angriffe mit amerikanischen Vergeltungs-Vergeltungsangriffen gedroht, für die man bereits 52 potenzielle Ziele ins Auge gefasst habe - darunter auch solche, die "wichtig für die iranische Kultur" seien. Diese Formulierung sorgte in Medien für Spekulationen, ob der US-Präsident damit UNESCO-geschützte Stätten wie die Ruinen von Persepolis, den spätsassanidischen Feuertempel in Schahrestan oder das elamitische Tschogha Zanbil in Khusistan gemeint haben könnte.
Generalstabschef Mark Milley stellte deshalb bei einer Pressekonferenz klar, dass sich die Amerikaner an das internationale Verbot der Zerstörung solcher Ziele halten werden. Zieht man seine Aussage von der Trumps ab, bliebe die Möglichkeit eines Angriffs auf nach der islamistischen Machtergreifung 1979 entstandene und nicht international geschützte symbolisch aufgeladene Bauten wie den Blutbrunnen in Behescht-e Zahra.
Deutsche Vermittlungsbemühungen
In den 1980er Jahren, als dieses morbide Zeugnis religiöser Fasziniertheit von Körperflüssigkeit entstand, betätigte sich der damalige deutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) als Vermittler zwischen Washington und Teheran (wofür er sich in der Taz den Vorwurf einhandelte, er "hofier[e] das Khomeini-Regime"). Der ehemalige US-Präsident Jimmy Carter lobte dagegen explizit die Hilfe der Bundesrepublik beim Botschaftsgeiseldrama.
Auch Genschers Nachfolger Heiko Maas würde anscheinend gerne vermitteln: Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes sagte der Süddeutschen Zeitung, man habe "Gesprächskanäle zu beiden Seiten, also nach Teheran wie nach Washington - und wolle diese nützen, um eine weitere Verschärfung der Lage zu verhindern". Dem Eindruck des Berliner Tagesspiegels nach gelingen die Vermittlungsbemühungen heute allerdings weniger gut als früher. Er titelte am Montag: "Ach, wäre doch Maas nur etwas mehr wie Genscher."
Vielleicht liegt der Niedergang der deutschen Diplomatie aber nicht nur an ihm allein, sondern ist - wenn man so will - kulturell eingebettet: In den 1970er und 1980er Jahren räumte das öffentlich-rechtliche Fernsehen noch Leuten wie Peter Scholl-Latour viel Platz ein, der sich seinen nüchtern-analytischen Blick auf Länder und Kulturen, mit denen er sich intensiv befasst hatte, weder von Tabus noch von Zeitgeistern trüben ließ. Heute dagegen kommen deutsche Influencer, die die Beistandsverpflichtung der NATO eher eigenwillig interpretieren und ganz selbstverständlich davon ausgehen, dass der Iran über "extrem viele Atomwaffen" verfügt, auf 828.000-Instagram- und 2,2 Millionen TikTok-Follower.
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