Bundeswehreinsatz im Persischen Golf
Während die USA und Großbritannien eine Koalition der Willigen aufbauen, schwankt Deutschland zwischen militärischem Mitaufmarschieren und Diplomatie
Das Personenkarussell ist beendet, die Chefposten der Verteidigungsministerien Deutschlands, Großbritanniens und der USA sind neu besetzt. Für alle drei gilt die eskalierende Lage in der Straße von Hormus als erste Bewährungsprobe. Die Frage, ob das Militär zur Sicherung der strategisch wichtigen Meerenge im Persischen Golf und zum Schutz von Handelsschiffen eingesetzt werden darf, beantworten die USA und Großbritannien unisono mit Ja. Beide setzen damit Deutschland unter Zugzwang. Doch Kriegslust kommt indes auch von innen.
Kriegsschiffe sollen deeskalieren
Die Operation "Sentinel" habe höchste Priorität, so der neue US-Verteidigungsminister Mark Esper. Sie solle zur "Deeskalation" der angespannten Lage beitragen und gleichzeitig den Warenverkehr US-amerikanischer Schiffe und den freien Güterverkehr zur See sichern. Esper soll Kramp-Karrenbauer kurz nach ihrer Vereidigung angerufen haben, um Deutschland als Bündnispartner für die Militärmission zu gewinnen. Kramp-Karrenbauer habe einen Einsatz nicht kategorisch abgelehnt.
Auch Großbritannien, noch unter dem ehemaligen Außenminister Jeremy Hunt, warb unter den europäischen Nachbarn um Verbündete für den militärischen Schutz von Handelsschiffen im Persischen Golf nach der Festsetzung des britischen Tankers "Stena Impero" durch die iranischen Revolutionsgarden. Amtskollege Heiko Maas hatte eine voreilige Entscheidung abgewiesen, jedoch eine prinzipielle Beteiligung unter dem Dach der EU offen gelassen.
Gesprächsbereitschaft signalisierten Frankreich, Italien und Dänemark. Der Iran bezeichnete das Vorhaben als "feindliche Botschaft". "Die Präsenz von ausländischen Truppen im Persischen Golf wird die Lage nicht sicherer machen, sondern nur zu weiteren Spannungen führen", sagte Präsident Hassan Rouhani vor einer Woche. Dennoch entsendete Großbritannien zwei Kriegsschiffe in die Straße von Hormus, um britische Frachter eskortieren zu lassen.
Seit Boris Johnsons Sieg über Jeremy Hunt scheint sich jedoch ein Kurswechsel anzudeuten, die Neubesetzung sämtlicher Ministerien durch Brexit-Hardliner zeigt Konsequenzen. Großbritannien wolle sich nicht mehr um eine rein europäische Marinemission bemühen, sondern mit den USA und der geplanten Operation Sentinel gemeinsame Sache machen. "Ich glaube, wir wollen einen europäisch geführten Ansatz, aber das scheint mir nicht ohne amerikanische Unterstützung machbar zu sein", sagte Johnsons neuer Außenminister Dominic Raab nach Informationen der Süddeutschen Zeitung bei einer Truppenstellerkonferenz in Florida vor einigen Tagen.
Raab lehnte zudem Teherans diplomatische Annäherung in Form eines Tausches der Tanker "Stena Impero" und "Grace 1" ab. Großbritannien hatte am 4. Juli vor Gibraltar den Tanker "Grace 1" mit der Begründung festgesetzt, er beliefere Syrien mit iranischem Erdöl und verstoße damit gegen EU-Sanktionen. "Es gibt kein Quid pro quo", sagte Raab am Montag. "Es geht hier nicht um einen Tauschhandel." Vielmehr gehe es um internationales Recht und dessen Einhaltung. Dabei unterschlug Raab, dass die Beschlagnahmung des iranischen Tanker selbst unrechtmäßig war.
Die Möglichkeit zu verhandeln ist damit vom Tisch. Deeskalation scheint nicht im Interesse der Brexit-Regierung zu sein. Verschiedene Szenarien sind möglich, darunter eine mit deutscher Beteiligung?
Deutsche Wirtschaftsinteressen = Bundeswehreinsatz
Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer will eine deutsche Beteiligung an einem Bundeswehreinsatz im Persischen Golf nicht grundsätzlich ausschließen, ein Auslandseinsatz zum Amtsantritt gilt jedoch als sehr unwahrscheinlich. Sie will sich zuerst dem Image der Bundeswehr widmen. Ebenfalls abwartend zeigt sich Außenminister Heiko Maas, der mehrfach betonte, sich der amerikanischen Strategie des maximalen Drucks auf den Iran nicht anschließen zu wollen.
Der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, spricht sich hingegen für einen Einsatz der Bundeswehr aus. Kaum ein Land hänge von der Freiheit der internationalen Schifffahrt so stark ab wie der Exportweltmeister Deutschland, sagte Ischinger in der "Welt am Sonntag". Deshalb dürfe Berlin nicht von der Reservebank aus zuschauen, wenn eine maritime europäische Schutzmission am Golf diskutiert werde.
Ebenfalls spricht sich der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Dieter Kempf, für einen Einsatz aus. Eine funktionierende Handelsschifffahrt sei für die Exportnation und das Industrieland Deutschland von herausragender Bedeutung, sagte Kempf der dpa.
Der außenpolitische Sprecher der Grünen, Omid Nouripour, fordert in einem Interview mit der Passauer Neuen Presse eine Beteiligung Deutschlands an einer EU-Schutzmission im persischen Golf. Notwendig sei "eine besonnene Reaktion auf die iranische Provokation", um eine iranisch-amerikanische Überreaktion zu verhindern, so Nouripour.
Die Linke warnt vor einer deutschen Beteiligung. "Diese Region ist ein Pulverfass. Die Gefahr ist riesengroß", sagte die Parteivorsitzende Katja Kipping. "Von deutscher Seite sollte es nur ein klares Signal geben: Wir werden uns an einer Eskalation, einem Einsatz in dieser Region auf keinen Fall beteiligen."
Der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Nils Schmid, warnt ebenfalls: "Bei einem Einsatz der Bundeswehr in dieser Region besteht die Gefahr, in einen militärischen Konflikt hineingezogen zu werden." Es gebe ein großes Risiko von Missverständnissen, die in einen Krieg münden könnten. "Jetzt ist nicht der Moment, über Militäreinsätze zu spekulieren - jetzt ist Diplomatie und Deeskalation gefordert."
Auffällig geschichtsblind und kriegstreibend kommentiert in den Medien derweil der Tagesspiegel: "Warum soll die Präsenz ausländischer Truppen die Lage nicht sicherer machen, sondern zu weiteren Spannungen führen, wie der iranische Präsident Hassan Ruhani sagt? Unsicher ist sie schon, aber durch den Iran, und die Frage stellt sich, womit Ruhani jetzt außerdem noch drohen will. Das macht dann eine rasche Antwort eigentlich um so zwingender: zur Abschreckung."
Mit mehr Augenmaß schreibt Neues Deutschland:
Iran würde die Entsendung weiterer Kriegsschiffe in die Region als Provokation werten. Die Folgen könnten verheerend sein. So groß wie derzeit war die Kriegsgefahr in dem Gebiet lange nicht mehr. Man muss kein Sympathisant des iranischen Regimes sein, um vor einer militärischen Eskalation zu warnen, bei der Teheran nur verlieren kann. Denn die Kriege in der Region haben keine Demokratie, sondern nur Leid gebracht. Das gilt für Irak, Syrien und Afghanistan. Viele Bundespolitiker scheinen seit der dortigen deutschen Kriegsbeteiligung nichts gelernt zu haben.
Nahezu vergessen scheint in aktuellen Stellungnahmen und Kommentaren die iranische Bevölkerung. Sie lebt seit Trumps ergebnisoffenem Ausstieg aus dem Atomabkommen (wieder) unter erdrückenden wirtschaftlichen Sanktionen und auch unter der wieder erstarkten Herrschaft der konservativ-religiösen Hardliner; gezwungen stillschweigend diesen zugestehen zu müssen, dass sie Recht hatten: Den Regierungen der USA und Großbritanniens darf man nicht vertrauen; seit 1953 nicht.
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