Bush-Regierung will den "Filter" der Medien überspringen

Weil nur schlechte Nachrichten zu den US-Bürgern kommen, soll ein Satellitensender live aus dem Irak berichten, in dem ein Medienkonzern den Einfluss der arabischen Medien eindämmen soll

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Trotz der Versicherungen, dass im Irak stetig Fortschritte gemacht werden und sich die Lage weiter bessert, dominieren in den Medien - auch in den USA - die Verluste und Schwierigkeiten der Koalitionstruppen, die Zweifel am Erfolg der Mission nehmen zu, während deutlich wird, dass die US-Regierung immer weniger Ahnung hat, wie sie das selbstgeschaffene Problem lösen könnte, auch wenn gerade beschlossen wurde, dass bis Juni 2004 eine Übergangsregierung geschaffen werden und Ende 2005 eine gewählte Regierung an die Macht kommen soll. Gerade der Fortschritt, so argumentierte man noch kürzlich in der Bush-Regierung, lasse den Widerstand noch verzweifelter und daher stärker werden. Um die Nachrichtenlage aus dem Irak an der Heimatfront zu verbessern, will die US-Regierung nun ein Satellitenprogramm einrichten. Im Irak wird hingegen ein US-freundlicher Sender aufgebaut, um den Einfluss der arabischen Konkurrenten zu mindern.

Es ist nichts Neues, wenn Regierungen die Medien beschuldigen, einseitig nur das Negative zu berichten und das Positive zu übersehen. Letzten Monat, als sich die Lage im Irak weiter verschärfte und die Zustimmung der Amerikaner zur Irak-Politik von Bush allmählich weiter abnahm, erklärte US-Präsident Bush, dass die Medien ein "Filter" für die Nachrichten seien und dass man diesen irgendwie durchbrechen und direkt zu den Menschen sprechen müsse, um ihnen zu vermitteln, wie es in Wirklichkeit aussieht:

I'm mindful of the filter through which some news travels, and somehow you just got to go over the heads of the filter and speak directly to the people.

Um den medialen Filter überspielen zu können, muss man aber selbst ein Medium benutzen, das in Konkurrenz um die Aufmerksamkeit mit den anderen tritt. Im Kern geht es schlicht darum, dass unabhängige Medien so lange gut sind, so lange sie die eigene Politik befördern und die eigens für die Medien aufbereiteten oder ihnen zugespielten Informationen übernehmen. Das hatte nach dem 11.9. lange Zeit erstaunlich gut für die Bush-Regierung funktioniert. Schwenkt die Berichterstattung aber womöglich zusammen oder in Konvergenz mit der öffentlichen Meinung um, wie dies nach dem Irak-Krieg eingetreten ist, als der angeheizte Suspense nachgelassen hat, so wäre ein von der Regierung kontrollierter Sender eben eine Möglichkeit, seinerseits die unerwünschten Nachrichten auszublenden und direkt, ohne das lästige Rauschen der Kritik oder auch nur einer skeptischen Distanz, die Menschen mit den erwünschten Nachrichten zu erreichen. Nachdem nun der bislang alles rechtfertigende 11.9. bei den amerikanischen Medien nicht mehr so verfängt, sollen bald von der Regierung kontrollierte Sendungen direkt an lokale Fernsehsender in den USA gelangen und die Berichterstattung der großen Sender ergänzen, am liebsten wahrscheinlich verdrängen.

Und das soll schnell gehen, wie die Washington Post berichtet. Möglicherweise schon in der nächsten Woche soll der Satellitenfernsehsender "C-Span Baghdad" seine Arbeit aufnehmen und den ganzen Tag über gefilterte Nachrichten auf die Bildschirme zaubern, die endlich gebührend die Politik der US-Regierung würdigen. Die Erwartung ist, dass die lokalen Anbieter die kostenlosen Programme übernehmen und so die Irak-Berichterstattung der großen Sender wie ABC, NBC, CBS, CNN und sogar Fox in den Hintergrund tritt. Endlich kann dann der unaufhaltsame Forschritt ihm Irak den Menschen vor Augen geführt werden. Man denkt offenbar daran, dass lokale Sender dann mehr und ungekürzte Interviews mit amerikanischen Regierungsangehörigen wie Bush oder Rumsfeld, militärische Zeremonien, Pressekonferenzen oder Regierungsmitteilungen, die für ihre Region wichtig sind, senden. Gegenüber der Washington Post erklärte ein Regierungsmitarbeiter:

Wir wollen, dass die Sender nicht nur schockierende Bilder, sondern das gesamte Bild zeigen. Autobomben sind Nachrichten, aber es gibt eine journalistische Verantwortlichkeit, ein umfassenderes Bild zu präsentieren.

Es sei schwierig für die Menschen, ohne verlässliche Satellitenübertragungen aus dem Irak den Fortschritt zu erkennen, der dort stattfinde, meint auch Dan Bartlett, der Kommunikationsdirektor des Weißen Hauses, der derzeit unter wachsendem Druck stehen dürfte. Die Technik der Satellitenübertragung ermögliche es amerikanischen Sendern, besser und aktueller über Ereignisse aus dem Irak zu berichten. Medienkontrolle sei das aber keine, denn die Sender könnten sich ja frei entscheiden, ob sie das mit Steuergeldern produzierte Material nehmen sollen:

Das ist keine Kontrolle, sondern bietet einen Zugang, den viele Reporter gegenwärtig nicht haben, weil sie in den USA zurück sind.

J. Dorrance Smith, der seit September im Irak ist und die von Paul Bremer geleitete Regierung in Mediendingen berät, wird den Regierungssender leiten. Anscheinend geht er davon aus, dass die kleinen lokalen Sender in den USA gierig darauf sind, Live-Bilder aus dem Irak zu erhalten, und so die regierungsgenehmen Informationen und Bilder nicht mehr "in New York abgefangen" werden. Das erfolgreiche Konzept der eingebetteten Reporter dürfte ein Vorbild sein, aber auch die Angewiesenheit der Medien auf die Berichte der Militärs im Krieg, wenn sonst keine unabhängigen Informationen zu erhalten sind:

Das ist Echtzeit für die USA und steht im Gegensatz zur Berichterstattung durch ein Netzwerk. Man lässt sie entscheiden, ob sie es live senden wollen. Und das ist ein wichtiger Unterschied in einer Kriegssituation.

Smith setzt dabei auch darauf, dass den Zuschauern die Quelle der Information nicht so wichtig ist. Gibt es nur die "richtigen" Nachrichten, dann kommen auch die "richtigen" Informationen in die Köpfe der Menschen:

Wir leben in einer vernetzten Welt, und wenn man die Abendnachrichten sieht, schauen die Menschen nicht auf die Quelle, sondern auf die Information, und wir haben die Möglichkeit zu bieten, von Bagdad zu senden, wie man das von jedem anderen Ort machen kann.

Auf die Herkunft der Informationen mögen viele Menschen tatsächlich nicht schauen, wenn sie nur interessant sind. Aber nicht umsonst sind Nachrichten zu einer Ware geworden, die auf einem umkämpften Markt angeboten und dementsprechend inszeniert wird. Regierungskonforme Sender, die politische Werbung betreiben, haben aber immer schon die Schwierigkeit gehabt, dass sie den Menschen zu langweilig sind und sie ihnen unglaubwürdig erscheinen. Das ist im Fall eines Krieges etwas anderes. Doch eine lange Besetzung, wie sie derzeit im Irak stattfindet, unterscheidet sich von dem Schritt für Schritt aufgebauten Szenario des Irak-Kriegs, der einem schnellen Höhepunkt entgegen steuerte und so die Aufmerksamkeit der Medien und Zuschauer fesseln konnte. Jetzt gibt es zwar eine "gute" Story, nämlich die Etablierung eines demokratischen Systems in einem Land, dessen Diktatur gestürzt wurde, aber eine "langweilige" Dramaturgie, die von einzelnen, auf die Medien zielenden Attacken durchbrochen wird. Der Vorteil liegt ganz klar bei den Terroristen oder Widerstandkämpfern, doch gegen diese lässt sich mit einem Fernsehsender, der nur das Gute sendet, Siege meldet und die Bösen verurteilt, nicht wirklich antreten.

Die Iraker vertrauen eher den arabischen Sendern

Im Irak selbst kontrolliert die amerikanische Zivilverwaltung das Iraqi Media Network (IMN), das noch immer von der nicht gerade für Medienkompetenz, eher schon für "psychologische Operationen" ("Information Dominance/Command and Control") bekannten US-Rüstungsfirma Scientific Applications International Corporation (SAIC) betrieben wird. Zum IMN gehören neben Fernsehsendern auch Radiosender und zwei Zeitungen. Nach Rohan Jayasekera vom britischen Index for Censorship will Bremer das IMN in eine Art Miniministerium in der Nachfolge des irakischen Informationsministeriums umwandeln. Für den Sender wurde der Army ein Budget von 100 Millionen US-Dollar vom Kongress bewilligt, beworben haben sich für die Ausschreibung BBC, der britische Sender ITN, die Rendon Group, die seit längerem für das Pentagon arbeitet, die Harris Group und die Lebanese Broadcasting Company. SAIC bleibt jedoch weiterhin im Spiel.

Bislang aber lehnen die Iraker offenbar den US-Sender eher ab. Gesehen wird er voriwegend von denjenigen, die keine Satellitenschüsseln besitzen und daher keine anderen Sender empfangen können. Hier steht der amerikanisch kontrollierte Sender höher im Kurs. Sobald aber Vergleiche über mehr Programme möglicht werden, sieht die Lage anders aus. Wer andere arabische Sender wie al-Dschasira oder al-Arabiya sehen oder über Satellitenschüsseln auf weitere Sender zugreifen kann, verlässt sich nach einer Umfrage des amerikanischen Außenministeriums eher auf die arabischen Sender. Der von den Amerikanern kontrollierte Sender gilt als wenig glaubwürdig und erinnert viele an die staatlich kontrollierten Medien des Hussein-Regimes, die IMN ja auch übernommen hat und bislang zu einem ähnlichen Propagandazweck nutzt.

Der Druck auf die beiden arabischen Sender ist daher groß. Erst gestern hat al-Arabiya wieder ein Tonband gesendet, auf dem angeblich Saddam Hussein die Iraker zum Widerstand aufruft und den Besatzern mit weiteren Verlusten droht. Prophezeit wird, dass die Koalitionstruppen in eine "Sackgasse" geraten seien und das Land verlassen werden, während der Widertand gegen sie "legitime patriotische und humanitäre Pflicht" sei. Der Ramadan werde zu einem Monat der Siege. Bremer, der Chef der Zivilverwaltung, hatte bereits im Juni den Medien Sendungen verboten, die zur "Gewalt und Unordnung" aufrufen.

Entstehen sollen auf der Basis der Hussein-Sender ein Satellitenprogramm, zwei landesweite Fernsehsender und zwei Radiosender mit Studios in allen Regionen und eine große nationale Zeitung. Der Medienkonzern soll dann zwei Jahre nach der Umgestaltung unabhängig werden. Überdies wird erwünscht, dass er dann vorbildlich für alle anderen irakischen Medien für eine "umfassende, genaue, faire und ausgewogene" Berichterstattung sein soll.