Bush verlor am Ebro

Der Terror erreicht Europa und das Neue Europa wankt

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Neben den spanischen Konservativen ist die Bush-Administration der zweite Verlierer der Wahlen vom Sonntag. Sie muss den Machtwechsel auf der iberischen Halbinsel als Alarmsignal begreifen. Sollte sich die Urheberschaft islamistischer Terrorgruppen für die Madrider Anschläge bestätigen, können diese äußerst zufrieden sein. Sie haben mit zum Sturz einer Regierung beigetragen, die gemeinsam mit London zu den treuesten Verbündeten Washingtons in Europa zählte.

Dabei war der in der spanischen Bevölkerung äußerst unpopuläre Irakkrieg bis zu den Anschlägen nicht mehr wahlentscheidend. Alle Umfragen sahen trotz einer weiteren Kriegsgegnerschaft eine absolute Mehrheit der Konservativen voraus. Die Sozialisten waren in der Defensive. Erst als wenige Stunden nach den Anschlägen die offizielle Version einer ETA-Urheberschaft ins Wanken geriet, kippte die Stimmung. Bei der Stimmabgabe wurden konservative Politiker vor laufender Kamera als Mörder und Faschisten beschimpft.

Es gab also nicht den von den Konservativen erhofften nationalen Schulterschluss in der Stunde der Gefahr. Nach den Anschlägen gegen italienische Soldaten im Irak beispielsweise stellte die Mehrheit der ebenfalls kriegskritischen Bevölkerung für kurze Zeit ihre Differenzen mit der Berlusconi-Regierung zurück. Hätte die spanische Bevölkerung mehrheitlich ebenso reagiert, wären die schon vorher in Führung liegenden Konservativen jetzt die haushohen Wahlsieger.

Darauf hofften auch führende Vertreter der Bush-Administration, wie unter anderem Präsident Bush, Verteidigungsminister Rumsfeld oder Sicherheitsberaterin Rice, die kurz nach den Anschlägen die "tapfere spanische Regierung und Bevölkerung" ausdrücklich für ihren Beitrag zum Antiterrorkampf lobten. Ein Sieg der spanischen Konservativen wäre für sie ein Signal gewesen, dass es einen Schulterschluss für den Krieg gegen den Terrorismus zwischen Washington und zumindest dem von ihnen gehätschelten "Neuen Europa" gibt.

And so rather than finding fault with what Spain has done by being aggressive in the war on terror, this should redouble everyone's efforts to go after terrorist organizations of any kind, whether it's ETA, whether it is Al Qaida or any other terrorist organization. Terror has to be brought to an end. And that's the commitment that President Bush has made, and it was the strong position of President Aznar as well, the prime minister of Spain. And he did not step back or shrink from these responsibilities, and I hope other leaders will not shrink from our responsibility, collective responsibility, to go after terrorists wherever they surface.

US-Außenminister Powell noch am Sonntag bei Fox News.

Doch die Mehrheit der spanischen Bevölkerung reagierte so, wie es nach Angaben der norwegischen Zeitungen VG in einem im Internet kursierenden Strategiepapier islamischer Extremisten prophezeit wurde:

Wir müssen den größten Nutzen aus der Nähe des Wahltermins in Spanien ziehen. Spanien hält höchstens zwei oder drei Anschläge aus, bevor es sich aus dem Irak zurückzieht.

So ist es auch nicht verwunderlich, dass der designierte sozialdemokratische Ministerpräsident Zapatero nach dem Sieg sein Wahlversprechen bekräftigte, das aus 1200 Soldaten bestehende spanische Truppenkontingent bis Ende Juni aus dem Irak abzuziehen, wenn sie nicht in ein UN-Konzept eingebunden würden. Seine angekündigten intensiven politischen Konsultationen vor einem möglichen Abzug dürften mit Washington und London nicht sehr erfreulich werden. Dort fürchtet man einen europäischen Dominoeffekt. In Polen wird schon diskutiert, ob man sich nicht aus dem Irakabenteuer zurück zieht sollte, bevor es zu einen Anschlag kommt.

In der führenden türkischen Tageszeitung Hürriyet wird sogar gemutmaßt, eine solche Entwicklung könnte eine Wahlniederlage von Bush im November in Washington herbeiführen. Bundeskanzler Schröder hingegen dürfte von dieser Seite keine Gefahr drohen . Schließlich ist Deutschland als Teil des "Alten Europa" nicht auf Seiten der USA in den Irak-Krieg gezogen.