CCTV-Manie in Großbritannien

Mehr Überwachungskameras braucht das Land, sagt die Regierung

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Großbritannien ist bereits jetzt das Land mit der höchsten Dichte an Überwachungskameras im öffentlichen Raum. Am Dienstag kündigte die Regierung aber eine neue Initiative an. Mit der bisher größten einzelnen Investition an öffentlichen Geldern in Closed Circuit Television (CCTV) in Höhe von 125 Millionen Euro sollen landesweit an die 250 neuen Projekte installiert werden.

Bereits jetzt werden zahlreiche öffentliche Orte in Großbritannien von CCTV abgedeckt. 1.5 Millionen Kameras gibt es insgesamt, schätzt das Home Office (Innenministerium). Sie überschauen U-Bahnstationen, Busse, Einkaufsstraßen, Parkplätze und zunehmend auch Wohngebiete in sogenannten "Problemzonen". Bereits vor Jahren schätzte man, dass eine Person in London an einem Tag durchschnittlich 300 Mal auf Magnetband aufgenommen wird. Nachdem die Fernsehpräsentatorin Jill Dando vor der Eingangstür zu ihrem Haus aus nächster Nähe erschossen worden war, gingen CCTV-Bilder durch die Medien, welche die letzten Stunden vor ihrem Tod minutiös aufzeichneten. Zur Aufklärung des Falles haben sie trotzdem kaum etwas beigetragen.

Dennoch investiert New Labour nun kräftig in CCTV. 79 Millionen Pfund, umgerechnet rund 125 Millionen Euro, werden dafür bereitgestellt. Der Gesamttopf für CCTV beträgt allerdings 170 Millionen Pfund, weitere Maßnahmen in dieser Hinsicht sind somit zu erwarten.

Die Regierung argumentiert damit, dass CCTV Verbrecher sowohl abschreckt als auch im nachhinein zur Aufklärung beiträgt. Die Fakten hierzu sind allerdings relativ dünn. Die letzten offiziellen Studien des Innenministeriums über die Auswirkungen von CCTV stammen aus der Regierung Major, also von vor 1997. Die Polizei zitiert ein Projekt in einer großen Sozialwohnungsanlage in Darlington im Nordosten Englands, wo die Verbrechensrate nach der Einführung von 11 CCTV-Kameras um 46 Prozent gesunken sei. Im nahegelegenen Sunderland habe CCTV 225 Verhaftungen ermöglicht. "CCTV wird das Straßenleben überall im Land verbessern", argumentiert der für die Regeneration zuständige Minister Lord Falconer. Damit werde man nicht nur ernsthafte Verbrechen von vorneherein durch Abschreckung vermindern, meint Falconer, "sondern auch die Ärgernisse bekämpfen, Vandalismus, Graffiti, Müll und asoziales Benehmen".

Vor allem aber erweckt die Maßnahme den Eindruck, eine politische Geste zu sein. Die Regierung Blair möchte nicht den Eindruck erwecken, Kriminalität auf die leichte Schulter zu nehmen und damit ihren politischen Gegnern Munition liefern. Die landesweiten Verbrechenszahlen stützen allerdings die These nicht, dass durch CCTV die Kriminalität insgesamt gesenkt werden kann. So ist die Verbrechensrate zwar in den letzten Jahren insgesamt leicht gesunken, das kann aber auch mit der (bis Žvor kurzem) anhaltend günstigen Wirtschaftslage erklärt werden. Gestiegen sind allerdings, trotz CCTV, Autoeinbrüche, Raubüberfälle und Gewaltverbrechen mit Schusswaffen.

Die Statistiken geben eher den Kritikern von CCTV recht, doch diese bilden eine kleine Minderheit. Simon Davis von der Bürgerrechtsgruppe Privacy International (und Erfinder des Big-Brother-Preises), sagte gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, "das Problem mit den Kameras ist, dass sie in diesem Land zu einer Manie geworden sind und dass es keine erkennbare Verminderung von Verbrechen gegeben hat, entgegen aller Behauptungen". Davis verwies ebenso darauf, dass sich durch CCTV Kriminalität vor allem geographisch verlagert. Straftaten, die mit Kalkül begangen werden, würden nun eben woanders geschehen, wo es noch keine Kameras gibt, sagte Davis.

Die überwiegende Mehrheit der Briten scheint aber kein Problem mit CCTV zu haben. Eine verbreitete Meinung ist, dass die Kameras, wenn sie schon nicht 100-prozentig effizient in der Verbrechensbekämpfung sind, so doch jedenfalls zum subjektiven Sicherheitsgefühl beitragen. Die elektronischen Augen werden als Beitrag zur Verbesserung der Lebensqualität betrachtet und von manchen Gruppen geradezu gefordert. Datenschutzrechtliche Bedenken gibt es kaum, obwohl die Polizei in Ausübung ihrer Tätigkeit nur geringen Regulationen unterworfen ist. Es gibt keine unabhängige Stelle zur Überwachung der Überwacher, d.h. im Prinzip kontrolliert sich die Polizei selbst gegen eventuellen Missbrauch. Es scheint dass die Bewohner des Landes, in dem George Orwell den Roman 1984 schrieb, worin der Begriff Big Brother geprägt wurde und der als Warnung vor den Exzessen kommunistischer Diktaturen gedacht war, nun selbst größtenteils zu Überwachngsfanatikern geworden sind.