CO2-Scheckkarte für den Supermarkt
Die Energie- und Klimawochenschau: Vereinfachte Genehmigungsverfahren für Großverschmutzer. Weiterer Ausbau der Kohlekraft im Land. Handel mit Treibhausgasen für jedermann und ein Milliardär, der den Umstieg auf Elektroautos als Mittel gegen Krieg und Umweltzerstörung propagiert
Der Bundestag winkte letzten Mittwoch die Novelle der Bundes-Immissionsschutz-Verordnung durch. Sylvia Kotting-Uhl, umweltpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/ Die Grünen, argwöhnte vor der Abstimmung: „Die große Koalition will heute im Bundestag gegen jede ökologische Vernunft eine neue Luftreinhalteverordnung durchwinken, mit der nicht Immissionen vermindert, sondern neue Kohlekraftwerke ermöglicht werden sollen.“
Das Kohle-Land Nordrhein-Westfalen hatte Vorschläge eingebracht, womit die Genehmigungsverfahren großer Anlagen beschleunigt werden und Standards den laxeren Anforderungen des EU-Rechts angepasst werden sollten. Die Bundesregierung begründete ihre Unterstützung vor allem damit, dass mit dem jetzt beginnenden Atomausstieg (in der nächsten Legislaturperiode sollen nach Atomkonsens 7 Meiler vom Netz gehen) Ersatz in Form von neuen Kohlekraftwerken geschaffen werden müsse. Anfallendes CO2 soll vor allem per CCS (carbon dioxide capture and storage - Einlagerung in tiefen Erdschichten) klimaunschädlich gemacht werden. CCS, wenn es überhaupt praktikabel ist, hat aber den Nachteil, dass der Wirkungsgrad der Kohlekraftwerke dann noch weiter sinkt, weil zusätzliche Energie für die Anlagen zur Abscheidung und Verpressung des Klimagases notwendig wird. Das bedeutet mehr Brennstoffbedarf und damit mehr Schadstoff-Emissionen pro erzeugter Kilowattstunde.
Statt strengerer festgeschriebener Grenzwerte soll es wieder der CO2-Handel richten. Innerhalb der EU soll die Menge der CO2-Zertifikate bis 2020 um 21 Prozent verknappt werden. Da die Verschmutzungsrechte ab diesem Jahr von den zur Teilnahme verpflichteten Unternehmen teilweise ersteigert werden müssen, soll damit ein Preisdruck entstehen und der Anreiz, in emissionsärmere Techniken zu investieren, zunehmen.
Bundesumweltminister Gabriel machte klar, wohin die Reise geht: "Wir haben ein marktwirtschaftliches Instrument geschaffen, eine Art Abfallgebühr für CO2." Daher sei es nicht sinnvoll, den Bau von Kraftwerken staatlich zu reglementieren. Außerdem könne der Bedarf an Strom nicht nur durch regenerative Energien gedeckt werden. "Wir brauchen eine begrenzte Anzahl modernisierter Kohlekraftwerke."
Nicht kompatibel: Neue Kohlekraftwerke und die Klimaschutzziele
Bei zur Zeit 19 geplanten Kohlekraftwerken weist die Deutsche Umwelthilfe DUH darauf hin, dass die Klimaschutzziele der Bundesregierung weit verfehlt werden, wenn auch nur ein Teil von ihnen gebaut wird. Bis 2020 soll der nationale Kohlendioxid-Ausstoß eigentlich um 40 Prozent gegenüber 1990 gesenkt sein. Diese Ziele seien nur erreichbar, wenn die bestehenden Kohlekraftwerke grundlegend modernisiert oder abgeschaltet werden. Neue Kraftwerke seien nur mit Kohlenstoff Abscheidung und unter Nutzung der Abwärme (Kraft-Wärme-Kopplung) kompatibel mit dem Klimaschutz und Energieeffizienzzielen. Beides ist bei großen Kohlekraftwerken schwer zu realisieren, denn Nutzer für die anfallende Wärme der Großkraftwerke zu finden, ist bei der großen Menge und den meist abgelegenen Standorten kaum möglich.
Eine von der Energiewirtschaft aufgebaute Angstkulisse um drohende Engpasse im Zuge des Atomausstiegs widerspreche den Tatsachen. Rainer Baake von der DUH: „Atomausstieg, internationale Klimaschutzverpflichtungen und eine sichere und ausreichende Stromversorgung sind unter einen Hut zu bringen.“ So betrug der Strom Exportüberschuss 2006 20 Terawattstunden, das entspricht der Stromproduktion von vier bis fünf Kohleblöcken. 2007 betrug der Überschuss immer noch 14 TWh und das, obwohl Biblis A und B fast das ganze Jahr und die Reaktoren in Brunsbüttel und Krümmel jeweils rund ein halbes Jahr abgeschaltet waren. Der Anteil der Atomenergie am gesamten in Deutschland produzierten Strom betrug deswegen 2007 nur noch 22 Prozent (zum Vergleich: die erneuerbaren Energien liefern im Moment 14,5 Prozent, Anteil steigend.
Der Anteil der Atomkraftwerke von 22 Prozent entspricht sehr gut dem Effizienzziel der EU von 20% Energieeinsparung nur durch bessere Nutzung der Energie. In Deutschland verbrauchen zum Beispiel die alten Nachtspeicherheizungen Jahr für Jahr allein 36 TWh, soviel wie fünf Atommeiler produzieren. Nachtspeicherheizungen wurden damals aufgrund einer verfehlten Förderpolitik eingebaut. Mit den aktuellen Klimaschutzpaketen könnten sie kurzfristig ersetzt werden durch energieeffiziente neue Heizungen. Mit dem Geld, das die Kreditanstalt für Wideraufbau (KfW) zur Zeit in die eigentlich bankrotte IKB pumpt, ließen sich viele unwiderstehliche Anreize für Häuslebauer und Immobilienverwaltungen finanzieren. Stattdessen werden zur Zeit auf Grund der großen Verquickung von Politik und Finanzinstituten lieber weitere 1,2 Milliarden Euro verbrannt.
Scheckkarte als Wunderwaffe
Sollten alle Grenzwerte und Anreize ihr Ziel verfehlen, bietet sich immer noch die „Wunderwaffe“ Marktwirtschaft an. CO2-Kreditkarte für Verbraucher statt Ordnungsrecht konnte man im Handelsblatt lesen. Dort stellte man das Konzept der „CO2 Card 2008“ der Aachener Kathy Beys Stiftung vor. Es ist eine Kreditkarte mit einem einheitlichen CO2-Startguthaben für jeden Kartenbesitzer. Die Karte basiert auf der Idee vom gleichen Recht auf CO2-Ausstoß für jeden Menschen. Dies wurde zuletzt auch im Rahmen der Bali-Konferenz thematisiert. Damals ging es vor allem darum, Schwellen- und Entwicklungsländer, die heute noch viel weniger Treibhausgase pro Kopf produzieren als die Bewohner der Industrieländer, mit in das Kyoto-Nachfolge-Vertragswerk zu holen. Die Idee vom gleichen Verschmutzungsrecht für alle nimmt an, es gebe eine Obergrenze, bis zu der CO2 das Klima nicht schädigen würde. Bei der gegenwärtigen Weltbevölkerung soll es klimaneutral sein, wenn jeder Mensch durch seinen Konsum zwei Tonnen CO2 pro Jahr freisetzt. In Deutschland liegt der Pro-Kopf-Ausstoß bei fast 11 Tonnen, mehr als 80 Prozent müsste also jeder einsparen.
Selbst das von der Bundesregierung angepeilte Ziel einer Reduktion der CO2-Emissionen um 40 Prozent bis 2020 ist mit derzeitigen Maßnamen nicht zu erreichen. Bisher wird vor allem die Industrie für die Minderungsziele in Anspruch genommen, Haushalte und Kleingewerbe machen aber zusammen 55 Prozent der Treibhausgasemissionen aus. Hier liegt also noch viel Einsparpotential. Der Ansatz einer CO2-Scheckkarte mit einem persönlichen Emissionsguthaben soll jetzt auch für Privatpersonen die Emissionsminderung finanziell interessant machen.
Ähnlich wie beim Industrie-CO2-Handel hat die Stiftung ein marktwirtschaftliches Konzept für Privatpersonen vorgestellt. Mit der Karte würde bei jedem Kauf der durch Herstellung und Handel des Produkts verursachte Anteil an CO2 abgezogen. Wenn das Emissionsguthaben aufgebraucht ist, müssen neue Verschmutzungsrechte zugekauft werden, der Wunsch diese Kosten zu vermeiden soll zum emissionsarmen Konsumieren anhalten. Vorschriften und Verbote zum Energieverbrauch und auch Grenzwerte sollen so überflüssig werden, weil jeder ein Eigeninteresse am sparsamen Verbrauch seiner eigenen CO2-Berechtigungen habe. Um das ganze sozialverträglich zu machen solle der Einkauf von Lebensmitteln und Dienstleistungen nicht mit der Karte bezahlt werden, hier müßten Produzenten und Anbieter selbst die erforderliche Menge an CO2-Einheiten kaufen.
Der Anreiz für jeden einzelnen soll entstehen, weil die persönlichen Emissionsrechte handelbar sind. Wer weniger als die ihm zugeteilten CO2-Rechte verbraucht, bekommt die ihm zugeteilten Rechte gutgeschrieben, wer mehr benötigt, muss am Markt zukaufen. Das System soll also dem bisher schon Eingeführten für Industrieanlagen entsprechen.
Letztendlich wird das System des Emissionshandels als Alternative zur Besteuerung des Energieverbrauchs auch bei Privathaushalten gesehen. Und könnte nach der reinen Lehre der Marktwirtschaft auch andere Verordnungen und Vorschriften wie die Energieeinsparverordnung überflüssig machen, wenn sich der Markt aufgrund von persönlichem Eigeninteresse selbst energiesparender einpendelt. Die Kosten des Verfahrens sollen dabei mit denen herkömmlicher Treue- und Bonuskartensysteme vergleichbar sein.
Für Frieden und gutes Klima
Das ehemalige SAP-Vorstandsmitglied Shai Agassi glaubt die Wurzel von Klimawandel, Umweltzerstörung und Krieg, im Speziellen den ewig währenden Nah-Ost-Konflikt, mit einer Abwendung vom Öl beseitigen zu können. Er will in einem ersten Schritt dem Elektroauto in seinem Heimatland Israel zum Durchbruch verhelfen und plant 500.000 Ladestationen für Elektromobile. Öl soll damit so weit wie möglich ersetzt werden, denn in ihm sieht der Unternehmer die Ursache für die aktuellen Kriege.
Das Startkapital des Project Better Place beträgt 200 Millionen Dollar. Die Serienfertigung der Elektroautos soll Renault-Nissan übernehmen. Ende 2008 will Agassi die ersten Feldtests starten, bis 2012 soll Israels Elektroauto-Netz fertig sein. Das Vertriebsmodell soll sich dabei an Mobilfunkgeräten orientieren, das Gerät gibt es umsonst zum Vertrag dazu. Die Autofahrer gehen einen mehrjärigen Vertrag ein und zahlen über ihren laufenden Verbrauch. Das Elektroauto als Friedensstifter?