CO2-Vermeidungskosten: Wasserstoff nicht konkurrenzlos billig

Demonstrationsanlage in einem spanischen Windpark. Foto: Luis Miguel Bugallo Sánchez (Lmbuga) / CC BY-SA 4.0

Grüner Wasserstoff ist nötig für die Energiewende. Doch Forscher warnen vor zu großer Eile, denn andere Maßnahmen sind noch kostengünstiger, um den CO2-Ausstoß zu verringern

Die Bundesrepublik kann es schaffen, bis 2050 weitgehend klimaneutral zu werden. Diese Einsicht ist trivial und nicht gerade ambitioniert; selbst die Bundesregierung ist ehrgeiziger und will es bis 2045 geschafft haben. Das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) hat dennoch für das Zieljahr 2050 verschiedene Szenarien durchgerechnet – und alle zeigen: Es braucht mehr Tempo beim Ausbau der erneuerbaren Energien. Aber Deutschland wird wohl auch in Zukunft auf Energielieferungen aus dem Ausland angewiesen sein.

Die Forscher des Fraunhofer ISI betonen: Das novellierte Klimaschutzgesetz aus dem Jahr 2019 erhöht dabei den Druck auf die Industrie, CO2-intensive Bereiche schneller zu transformieren und bis 2030 erhebliche Teile des Anlagenparks auf CO2-arme Verfahren umzustellen. Das bedeutet: Prozesse müssen elektrifiziert werden und sogenannter grüner Wasserstoff muss stärker zum Einsatz kommen. Ohne einen zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien wird das aber kaum gehen.

Das ist eine gewaltige Aufgabe. Nach Angaben des Umweltbundesamtes machte der Anteil der erneuerbaren Energien am Stromverbrauch 2020 gerade einmal 46 Prozent aus. Am Endenergieverbrauch machten sie aber nur knapp 19 Prozent aus. In nicht einmal drei Jahrzehnten soll er aber auf nahezu 100 Prozent steigen.

Habeck rechnet mit Importen

Allein der Bedarf an grünem Wasserstoff ist gewaltig. Die Szenarien des Fraunhofer ISI zeigen, dass über 150 Terawattstunden (TWh) davon pro Jahr gebraucht werden, um die 20 größten Chemie- und Stahlstandorte zu versorgen. Zum Vergleich: Im Jahr 2020 wurden etwa 250 TWh Strom aus erneuerbaren Energien erzeugt, vor allem aus der Windenergie. Doch nicht nur Chemie- und Stahlindustrie braucht Wasserstoff, er ist auch im Gespräch für die Auto- und Lastkraftverkehr; selbst Schiffe und Flugzeuge sollen mit ihm – über synthetische Kraftstoffe – betrieben werden.

Für Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ist klar, dass es ohne Importe nicht funktionieren wird. "Wenn wir nicht fünf oder zehn Prozent der Landesfläche mit Windkraftanlagen vollstellen wollen – das halte ich auf für absurd – brauchen wir Wasserstoffimporte", sagte er Anfang Februar bei der Veranstaltung vom Tagesspiegel und anderen Medien.

Habeck hatte dort noch einen weiteren Einsatzbereich für Wasserstoff genannt: die Stromproduktion. Nach der sogenannten Taxonomie der EU gelten Gaskraftwerke noch bis 2030 als nachhaltig, wenn sie schmutzigere Kraftwerke ersetzen und bis 2035 komplett mit klimafreundlichen Gasen wie Wasserstoff betrieben werden. Der arabische Raum, Nordafrika, die Ukraine und andere Regionen der Welt sollen dann Quellen des Wasserstoffs sein.

Kosten: Verbraucherschützer sehen Chemie- und Stahlindustrie in der Pflicht

Wer den Aufbau der notwendigen Infrastruktur bezahlen soll, ist noch Gegenstand von Diskussionen. Verbraucherschützer warnten kürzlich, dies über allgemeine Netzentgelte zu tun. Denn dann würden die privaten Verbraucher an den Kosten beteiligt, obwohl sie auf absehbare Zeit keinen Nutzen daraus hätten, weder im Verkehrssektor noch als Heizung. Stattdessen sollen Chemie- und Stahlindustrie für die Kosten der Infrastruktur aufkommen, da sie sich vor allem in deren Bedürfnissen orientiert.

In einer aktuellen Studie der Fachhochschule Kiel, wird allerdings vor einem schnellen Markthochlauf von Wasserstoff gewarnt. "Um die Gesamtkosten der Energiewende zu minimieren, sollte jede fossile Anwendung möglichst mit der günstigsten Technologie dekarbonisiert werden", heißt es dort. Und zunächst sollten die günstigen und dann erst die teuren Anwendungen dekarbonisiert werden, damit die verfügbaren Finanzen "möglichst schnell möglichst viele Emissionen" verringern werden.

Welche Technologie günstig ist und welche nicht, wird dabei über die CO2-Vermeidungskosten dargestellt. Beim grünen Wasserstoff liegen sie der Studie zufolge bei deutlich mehr als 100 Euro je Tonne Kohlendioxid. "Bis etwa 2035 sind die Vermeidungskosten alternativer Klimaschutzmaßnahmen deutlich geringer", so das Ergebnis der Studie. Deshalb sollten staatliche Fördermaßnahmen stärker auf ihre Kosteneffizienz hin überprüft werden.

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