Cavusoglu darf in Frankreich Wahlkampf machen
Die französische Regierung beruft sich bei ihrer Erlaubnis auf den Rechtsstaat und will beschwichtigen, wofür sie scharfe Kritik erntet. Cavusoglu beschimpft die Niederlande
Frankreich ist, wie es der türkische Präsident Erdogan formulierte, "nicht in die Falle gelaufen". Sein Außenminister Mevlüt Cavusoglu konnte am Sonntagnachmittag einen Wahlkampfauftritt in Metz (Département Moselle) abhalten - anders als in Deutschland, den Niederlanden und der Schweiz. Auch in Österreich hat sich der Außenminister Kurz gegen einen Auftritt seines türkischen Amtskollegen ausgesprochen.
Die Erlaubnis für Cavusoglus Besuch kam, wie die Präfektur in Metz mitteilte, vom Außenministerium in Paris. Dessen Chef, Jean-Marc Ayrault, machte als Begründung den Rechtsstaat geltend. Es gebe keine rechtlichen Gründe, die für ein Auftrittsverbot sprechen:
In diesem Fall, da keine nachweisliche Bedrohung der öffentlichen Ordnung vorliegt, gab es keine Gründe, dieses Treffen zu verbieten. Das Durchführen der Veranstaltung war in unseren Augen unserer Auffassung nach keine Möglichkei, das politische Leben in Frankreich zu beeinflussen.
Jean-Marc Ayrault
Rechtlich gesehen argumentiert Ayrault auf sicherem Grund, wie ihm auch attestiert wird: Eine solche Versammlung sei nach der französischen Rechtsprechung nicht zu verbieten. Die Versammlungsfreiheit hatte auch ein ungenannter Diplomat als Grund des Nicht-Verbots mitgeteilt.
Allerdings verknüpfte Ayrault seine rechtliche Begründung mit einer politischen Forderung, womit er sich auf kontroversen Boden begab. Der Außenminister rief angesichts der Spannungen zwischen mehreren Mitgliedern der EU und dem türkischen Staat zur "Beruhigung" auf. An die türkische Regierung richtete er die Forderung, "Exzesse und Provokationen zu unterlassen".
Dieser Linie, die im Sinne der EU-Kommission unter Leitung von Juncker und wohl auch im Sinne Berlins liegt, folgte gestern aber vor allem die Regierungspartei PS und ihr Präsidentschaftskandidat Hamon ("Es ist nicht Frankreichs Rolle eine solche Debatte von vornherein zu verbieten trotz der Meinungsunterschiede mit Erdogan.")
Macron, in Umfragen der stärkste Rivale von Marine Le Pen, hielt sich mit direkter Kritik zurück. Er forderte eine gemeinsame Linie der EU bei den Wahlkampfauftritten. Schärfer und eindeutiger waren die Äußerungen der Reoublikaner. Deren Kandidat Fillon attackierte die Regierung Hollande. Sie hätte dieses Treffen verhindern müssen.
"Mit der europäischen Solidarität gebrochen"
Mit der Erlaubnis habe man mit der europäischen Solidarität gebrochen, so Fillon. Zumal die beiden engsten Verbündeten, die Niederlande und Deutschland öffentlich in einer "unqualifizierten Weise" von türkischen Regierungsmitgliedern beleidigt wurden. Parteikollegen schlossen sich dieser Kritik an und nutzten so die Gelegenheit, Geschlossenheit der republikanischen Partei zu demonstrieren.
Le Pen twitterte, dass eine türkische Wahlkampfveranstaltung auf französischen Boden, die andere Länder ablehnen, nicht zu tolerieren sei. Auch Vertreter der Grünen, Europe Écologie-Les Verts, sprachen sich gegen den Auftritt des türkischen Außenministers aus. Es liege in der Verantwortung Frankreich und der EU progressive Bewegungen zu unterstützen und autoritäre Abweichungen des Regimes in der Türkei zu verurteilen. Von der kleinen Zentrumspartei France Debout setzte es ebenfalls Kritik an der Haltung der Regierung Hollande.
In Metz sprach Cavusoglu nach Schätzungen von Medien vor etwa 800 bis 1.000 Zuhörern, die von der UETD eingeladen wurden. Insgesamt sollen etwa 700.000 Türken in Frankreich leben. 70.000 davon sollen laut Informationen des Obs in Wählerlisten eingetragen sein, 60% unter ihnen sollen ihr Wahlrecht nutzen.
Cavusoglu äußerte bei seinem Auftritt in Metz scharfe Worte gegenüber den Niederlanden. Diese würden "einen Preis bezahlen müssen". Le Monde zitiert ihn mit erneuten Ausfällen, in denen er behauptete, dass die Niederlande ein "Ort des Faschismus" sei.