Chaotische Dienstpläne sind das Hauptproblem
Allgemein wird beklagt, dass in den Krankenhäuser Pfleger fehlen. Obwohl die Löhne inzwischen steigen, weitet sich der Mangel aus. Corona verschärft die Knappheit zusätzlich
Es ist ziemlich verflixt: In vielen Krankenhäuser fehlen Pflegerinnen und Pfleger. Daher werden dann die Bettenkapazitäten reduziert. So wird aus Dreibettzimmern ein Bett entfernt, was die Bettenkapazität unmittelbar um ein Drittel vermindert und Neueinweisungen zum Glücksspiel werden lässt.
Nicht selten fährt ein Krankentransporter dann eine größere Runde durchs Land, bis er den Patienten endlich untergebracht hat. Es kommt in diesem Zusammenhang gar nicht so selten vor, dass die gemeldeten freien Kapazitäten sich in der Realität als Irrtum herausstellen und der Patient keinen Platz vorfindet.
Wer heute anmerkt, dass Arbeitspläne den Vorschriften entsprechend vier Wochen im Voraus festgelegt werden müssen, erntet nur ein schales Lächeln. In der Praxis wird auf Sicht gefahren und aktuelle Personal-Lücken ohne Vorwarnungen mit Pflegern aus einer gerade nicht vor dem Kollaps stehenden Abteilung besetzt.
Die Arbeitsbelastung steigt dadurch ins Unermessliche und erkämpfte Erhöhungen des Stundenlohns werden umgehend zur Reduzierung der Arbeitszeiten genutzt, was den Pflegenotstand nicht vermindert. Ein Nebeneffekt der hohen Arbeitsbelastung sind vergessene Medikamentengaben oder Infusionen, die den Heilungserfolg beeinträchtigen können.
Dass der Personalmangel dazu führt, dass man bei den Medikamentengaben kein Vier-Augen-Prinzip einführen kann, macht die Situation brisant. Der Patient muss in der Praxis selbst darauf achten, dass er die richtigen Medikamente bekommt. Wenn die dann lose und nicht in den bekannten Blistern verteilt werden, spart dies zwar Müll im Krankenzimmer, reduziert jedoch die Nachverfolgungsmöglichkeit durch den Patienten.
Höhere Löhne alleine sind keine Lösung
Höhere Löhne in der Pflege sind sicher hilfreich, um die Bedeutung der Pflege zu unterstreichen. Zusätzlich müssen die Arbeitsbedingungen endlich auf einen Level verbessert werden, der in anderen Berufsfeldern schon lange Standard ist, sonst wird der Pflegeberuf nicht mehr interessant. Ausgebildete Pfleger im Ausland anzuwerben, die dann in ihren Heimatländern eine Lücke reißen, ist keine nachhaltige Lösung.
"Die Pandemie hat Pflegekräfte in den Kliniken an den Anschlag gebracht. Vor allem auf Intensivstationen sind Pflegerinnen und Pfleger überlastet", so die Einschätzung des Deutschen Berufsverbandes für Pflegekräfte (DBfK). Laut Andrea Kiefer, der Vorsitzenden des DBfK Südwest in Stuttgart, erwäge ein Drittel aller Pflegekräfte auf den Intensivstationen zu kündigen.
Denn die Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte seien durch die Pandemie "sowohl psychisch als auch körperlich belastender geworden", meldete der SWR bereits im Sommer, am 25.8.2021.
Corona-Patienten sorgen für weitere Reduzierung der Intensivbetten
Dass, sobald mehr Coronapatienten hospitalisiert werden, in China Notfallkrankenhäuser aus dem Boden gestampft werden und in Deutschland die Zahl der Betten reduziert wird, mag auf den ersten Blick befremden, ist jedoch eine Folge der unterschiedlichen Gesundheitssysteme. China hat in der Not auf das Militär zurückgegriffen und die Notversorgungsgebäude aus Fertigteilen aufgebaut. In Thailand hat man damals nicht genutzte Schulen mit Betten ausgestattet als Quarantänestationen eingerichtet.
In Deutschland gab es zu Beginn der Pandemie keine brauchbare Statistik der Intensivbetten. Die wurde erst im Rahmen des Kampfes gegen Corona aufgebaut und sukzessive korrigiert, weil beispielsweise im ersten Anlauf teilweise eine Notreserve mitgezählt wurde, für deren Realisierung man jedoch das Personal aus anderen Bereichen abziehen musste.
Dass dann steigende Hospitalisierungszahlen von Corona-Patienten zu einer Reduzierung der verfügbaren Betten führte, lag daran, dass der Pflegeaufwand bei Corona-Patienten mehr Personal bindet und da die Zahl der Pfleger die begrenzende Größe darstellt, führen mehr Pfleger, die einem Bett zugewiesen werden dazu, dass die Zahl der vorhandenen Betten bei der Meldung reduziert werden musste.
Als sich dann das Durchschnittsalter der Corona-Patienten im Laufe der Pandemie reduzierte, verlängerten sich die Verweilzeiten dieser Patienten in den Krankenhäusern. Man mag die Privatisierungen im Gesundheitswesen aus guten Gründen kritisieren, an der Belastung durch Corona-Patienten war sie jedoch nicht ursächlich beteiligt.
Knochenbrüche benötigen weniger Pflege als Patienten in der Inneren
Die immer wieder im Vergleich der Belastung der Pflegekapazitäten bei aktuellen Corona-Patienten angeführten Freizeit-Unfälle mit Motorrädern oder den Skiunfällen, lassen sich nicht so einfach vergleichen, da deren Unfallfolgen meist chirurgisch versorgt werden und dann größtenteils außerhalb der Klinik heilen.
Je nach angewandtem Verfahren müssen dann später nur noch Nägel oder Schrauben entfernt werden. Teilweise wird zur Fixierung sogar Material benutzt, das einwächst und gar nicht mehr entfernt werden muss.
Wie sich die Belastung durch die Corona-Patienten auf die Kostenstruktur des Gesundheitswesens auswirkt, wird man erst bei der Nachkalkulation feststellen und darf sich dann nicht wundern, wenn entweder die Krankenkassenbeiträge steigen oder die Leistungen gekürzt werden, sodass die Patienten einen höheren Eigenanteil bezahlen müssen.