Charles, der Letzte?
Zeitenwende im UK: Am Nachmittag des 8. September 2022 starb die mit über 70 Jahren Amtszeit mit Abstand am längsten dienende britische Monarchin, Elisabeth II.
Um die Worte des Comedians John Oliver zum Tod von Prinz Philip leicht zu variieren: Es ist nicht einfach, die richtigen Worte zu finden, wenn ein Mensch mit 96 Jahren stirbt, der sein ganzes Leben in einem Palast gelebt hat.
Nun gebührt aber jedem menschlichen Wesen angesichts seines Todes Anteilnahme und von der als Elizabeth Alexandra Mary geborenen Prinzessin von York darf behauptet werden, sie hat ihr (per Gesetz zu weitgehender Sinnlosigkeit verdammtes) Leben mit einer gewissen Würde ertragen.
Medienkönigin, die erste
Beim Blick auf ihre Familie mag mancher einwenden, es war auch recht leicht für sie, in diesem Umfeld zu glänzen. Dies übersieht aber einen wesentlichen Faktor im Leben der Queen, der ihr Leben enorm erschwert hat: Sie war die erste Medienkönigin.
Es gab in der (angeblich) jahrhundertealten Tradition des englischen Königshauses keine Expertise zu diesem unerwartet neu aufgetauchten Phänomen und einen schlauen Umgang hat man bis heute damit nicht gefunden.
TV: "Seltsame Pointe"
Das englische Königshaus blickte bereits auf Jahrhunderte parlamentarische Monarchie und damit rein repräsentative Aufgaben zurück, als am 2. Juni 1953 Königin Elisabeth gekrönt wurde. Sie tat dies bezeichnenderweise im Fernsehen, womit der ganzen Zeremonie eine seltsame Pointe gegeben wurde.
Die Krönung einer Königin oder eines Königs hat in der englischen Tradition den tieferen Sinn, dass die Würdenträgerin, der Würdenträger von den drei Wappenkönigen als sie oder er selbst erkannt wird. Diese Überprüfung exerzieren die Herolde pompös mittels der Insignien und Wappen, damit Queen Elisabeth sagen durfte, sie sei gemäß der Formel "eure unzweifelhafte Königin".
Dies mag in der ungleich medienärmeren, mittelalterlichen Welt sinnvoll gewesen sein, weil niemand wusste, wie die Könige aussahen und theoretisch jeder durch die Lande hätte ziehen können und behaupte, er sei der König.
In einer modernen Welt, seit spätestens dem 19. Jahrhundert, ist dies absurd, weil das Abbild der Monarchen vielfältig publiziert und bekannt war, von einer Krönung im TV einmal ganz zu schweigen.
Das englische Königshaus war aber so clever, die schlecht überlieferten Zeremonien auszubauen und mit neu erfundenen Traditionen auszuschmücken.
Die Krönung von Queen Elizabeth war damit wirklich eine große und sehr wirksame Show, die gut beim weltweiten Fernsehpublikum ankam. Nicht auszuschließen, dass dies mithalf, dem Königshaus das Überleben zunächst zu sichern.
Im Sumpf der Klatschpresse
Rund um die Krönung von Queen Elizabeth begann sich die britische Presselandschaft allerdings zu verändern, weil eine unangenehme Schwierigkeit mehr und mehr zu Bewusstsein kam: Es gab zu wenig Nachrichten. Politische Ereignisse waren selten, ihre Aufregungswirkung eher begrenzt. Jene Jahre kannten schlicht noch keine Stars im heutigen Sinne, die die Medienwelt in Atem hielten.
Folglich mussten diese eingeführt werden. Schauspielerinnen und Schauspieler, Fußballer, Schönheitsköniginnen und Personen der Halbwelt wurden aufgebauscht zu einem ganzen Starsystem. Die meisten machten bereitwillig mit. Insbesondere ihr Privatleben wurde breitgetreten, weil dies mehr Anteilnahme des Publikums generiert. Es blieb nicht aus, dass die gierigen Augen des Boulevards bald auf das Königshaus fielen.
Grausame Kuriosa in der Erziehung
Dort dachte man zunächst, das sich ständig steigernde öffentliche Interesse würde sich bändigen lassen. Man wurde bald eines Besseren belehrt. Die höfische Zeremonie sieht in der Erziehung viele Kuriosa vor, die durchaus als grausam bezeichnet werden dürfen. Beispielsweise dürfen die Kinder erst am Tisch mit ihren Eltern speisen, wenn sie genügend Fremdsprachen beherrschen.
Überhaupt ist die Erziehung auf die Abtötung von Gefühlsregungen aus. Jede Geste soll kontrolliert sein, womit nicht notwendig zugleich auch psychische Gesundheit erreicht wird. Eher kommt das, was unterdrückt werden soll, irgendwann raus. Zu dumm, wenn dann die Fernsehkameras laufen oder die Klatschreporter davon Wind bekommen.
Prinzessin Margaret, die jüngere Schwester der Queen, ging als erste daran zugrunde. Es mochten Ausbruchsversuche der gut aussehenden Frau gewesen sein, die sich Scheidungen erlaubte und Liebesaffären mit jüngeren Männern, vieles waren sicherlich auch schlicht schmierige Erdichtungen der Revolverpresse.
Die Queen blickte empört auf das Schicksal ihrer jüngeren Schwester und schien alles dranzusetzen, ihre eigenen Kinder aus den Fängen der Sensationspresse rauszuhalten. Nun, es darf ohne weitere Belege behauptet werden, dass dies nicht sonderlich gut gelungen ist.
Schmutz und Schund am laufenden Meter
Die Kinder von Queen Elizabeth lieferten den Zeitungsredaktionen Schmutz und Schund am laufenden Meter. Das meiste davon haben sie wohl einzig sich selbst zuzuschreiben. Einzig Elisabeths Sohn Andrew musste gewisse Konsequenzen erleiden, als sich sein kriminelles Verhalten nicht mehr verheimlichen ließ.
Den Royals bleib nichts anderes übrig, als das mediale Spiel mitzuspielen, dass sich immer mehr gegen sie richtete. Ihr mit ungeheuren Summen alimentiertes Leben ist schließlich vom Zuspruch der britischen Öffentlichkeit abhängig. Denn es ist keineswegs ausgeschlossen, dass das Königshaus abgeschafft wird. Die Zahlen der Zustimmung und Abneigung sind seit Jahrzehnten recht stabil.
Ein Drittel der Briten liebte die Queen, ein Drittel hasste sie und einem etwas stärkeren Drittel war sie egal. Nur, jeder Skandal des Königshauses konnte einer zu viel sein.
Charles und dann?
Deswegen müssen die Royals stets zum Gaudium der Massen agieren. Wenn ihnen dies gelingt, kann vieles unter den königlichen Teppich gekehrt werden. Nebulöse Immobiliendeals zum eigenen Gewinn von Elizabeth und Charles beispielsweise. Einflussname auf Gesetzgebung, die den Royals streng verboten ist und viele weitere, kleinere und größere Transgressionen, die der Queen nachweisbar sind.
Die Antwort auf die Frage, warum jemand, der im Buckingham Palace lebt, so aufs eigene Einkommen erpicht war, nimmt die Queen mit ins Grab. Auch die Antwort darauf, warum es ihr und anderen Royals so ganz unglaubliche Freude gemacht hat, Tiere zu töten.
Elizabeth und ihr Mann Philip sollen im Laufe ihrer Jagdkarriere Zehntausende Tiere erlegt haben. Angeblich verfügte die Queen über drei verschieden starke Knüppel, um jene Tiere eigenhändig zu erschlagen, die verwundet den Schuss aus dem königlichen Jagdgewehr überlebt hatten.
Ihre Schwiegertochter Prinzessin Di sagte einmal, sie habe ihre eigenen Söhne nur glücklich gesehen, wenn diese auf der Jagd töten konnten. Aber das ist letztlich deren Privatsache und Spekulationen über den geistig-moralischen Zustand der königlichen Familien anzustellen sind doch eher das Geschäft des Boulevards.
Im Grunde wäre der britischen Öffentlichkeit nur zu raten, sich baldmöglichst von dieser Familie abzuwenden und ihr Geld zurückfordern.
Es wird sich zeigen, wie der nun automatisch zum König gewordenen Charles III. mit dem Erbe seiner Mutter, der ersten Medienkönigin verfährt. Das Umfeld ist enorm schwierig. Die Menschen haben andere Sorgen als pompöse Zeremonien, in denen die Wappenkönige mit viel Müh und Not Prinz Charles als den selbigen erkennen.
Charles versuchte sich immer wieder als Ideengeber und moralische Instanz. Sein lückenlos dokumentiertes Leben stellt sich hierbei quer. Es wird vermutlich so sein, dass ein Drittel des Landes ihm bei seiner Show wohlwollend folgt, ein weiteres Drittel ihn verhöhnt und den anderen wird es egal sein.
Sollte sich die Situation in Großbritannien allerdings stark verschlechtern (vieles deutet darauf hin), dann könnte der Kostenposten "Königliche Familie" vielleicht doch ins Gespräch kommen.