Chemiewaffen in Syrien: Es geht nicht mehr um Beweise …

Seite 2: Der politische Prozess gegen "das Tier"

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Hoch im Kurs steht seit vielen Monaten der politische Prozess, der Baschar al-Assad und seinem Verbündeten Putin gemacht wird. Die US-Botschafterin an der UN Nikki Haley hat ihn coram publico als "Monster" bezeichnet. Damit bekommt der Gerichtstag und die Aktion des Westens in Syrien etwas Finsteres, Mittelalterliches, etwas, das mehr mit dem richtigen Glauben zu tun hat als mit eindeutigen Beweisen.

Wenn es aber darum geht, sich als Richter zu gerieren, wie es die USA, Frankreich und Großbritannien mit ihren Angriffen taten, so benötigt man - anders als bei früheren Hexenprozessen - in unserer Zeit eindeutige Beweise, die in einem öffentlichen Verfahren auf den Tisch gelegt werden, und nicht nur einen Glauben und eine Story, die gut funktioniert, weil sie von abendländischen Mythen lebendig gehalten wird. (Der Drache, die Hexe, der Böse muss immer erledigt werden.)

Sachliche Gewissheit, die vor einem Gericht in einem Rechtsstaat bestehen könnte, gab es in der US-Administration über den vorgeworfenen Chemiewaffenangriff keine, wie CNN berichtet:

Wie US-Vertreter CNN gegenüber sagten, führte man eine Analyse von Proben durch, die ein Vorkommen von Chlorgas und Sarin nahelegten. Aber die USA konnten keine Proben direkt vom Ort des Geschehens beziehen, womit eine sichere Rückverfolgbarkeit (chain of custody) nicht gewährleistet war.

Es gab Proben, die herausgeschmuggelt wurden, aber die US-Geheimdienste hatte keine sicheren Erkenntnisse, woher das Material kam und in welchen Händen es sich die ganze Zeit über befunden hatte.

CNN

Die "Gewissheit" für den Angriff ist rein politisch belegt. Aufpoliert fürs Menschenrechts-Schaufenster sieht die Begründung so aus, dass der Gebrauch von Chemiewaffen geahndet werden muss, um aufzuzeigen, dass jemand mit harter Hand aufpasst; empirisch sieht es so aus, dass dieser Grundsatz bei Chlor-Gas-Vorkommnissen in der Vergangenheit bei weitem nicht so wichtig war. In der Erzählung, die den militärischen Einsatz und alle nicht so sauberen Mittel rechtfertigt, hat Trump nun die an mittelalterliche Anschauungen gemahnende Metapher gefunden, dass es um den Kampf gegen ein "Tier" geht.

Man kann nur hoffen, dass die FFM mit einer sorgfältigen, nachvollziehbaren Arbeit das Vertrauen in wichtige Institutionen bekräftigt.