Chemotherapie gegen das liberale Polen

Kundgebung vor der Kathedrale. Screenshot aus dem YouTube-Video von Independent Videopress

Das rechtsextreme "Nationalradikale Lager" feierte Geburtstag in der Kathedrale von Bialystock - unter der PiS-Regierung wird die rechte Szene stärker

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In Polen gerät eine Geburtstagsfeier zu einem politischen wie kirchlichen Skandal: Am Samstag beging die rechtsextreme Organisation "Nationalradikales Lager" (ONR) ihr 82-jähriges Bestehen in der Stadt Bialystok mit vielen Fahnenaufmärschen.

Auch die katholische Kirche war mit von der Partie. In der Kathedrale von Bialystock bildeten die Männer und Frauen, die grüne Armbinden und grüne Fahnen mit einem Schwert-Emblem trugen, ein langes Spalier.

Gegnerschaft zu ihrem Gedankengut sei ein "Krebsgeschwür", gegen das nur "Chemotherapie" helfe, sagte der kompromisslose nationalkatholische Radikalismus, so der Priester Jacek Miedlar. Zudem soll eine Liste von "Landesverrätern" verlesen worden sein.

"Die Kirche in Bialystok ist unparteiisch und ihr ist Nationalismus fremd", heißt es im offiziellen Schreiben des Klerus, dem dieser Auftritt nach Protesten nun doch peinlich ist und sich offiziell für das Verhalten der ONR-Messebesucher entschuldigte.

Doch die Frage, warum die Diözese eine solche Messe überhaupt zugelassen hat, bleibt bislang unbeantwortet. Auch Miedlar, der mittlerweile von seinem Orden Lazaristen mit einem totalen Auftrittsverbot belegt worden ist, ist schon seit langem für seine nationalistischen Ansichten bekannt.

Die Leitung der Technischen Universität hatte vor dem Samstag ausländischen Studenten geraten, in ihren Wohnungen zu bleiben und auch dem Campus fernzubleiben, da die Stadt von den marschierenden Rechtsextremen dominiert werde.

Dass an diesem Tag die rechtsextreme Gruppe "Nordica" in einem der Universität gehörenden Studentenclub auftrat, kritisierte sogar Wissenschaftsminister Jaroslaw Gowin als "schlecht für das Ansehen Polens".

Grundsätzlich zeigt sich die rechtsradikale Organisation immer selbstbewusster in der Öffentlichkeit, seit die nationalkonservative "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) regiert. Im März wurde ein ONR-Vertreter in Plock, in einem der ehrwürdigsten Gymnasien (Lyceum) zu einem Vortrag über "Patriotismus" geladen. Zum ersten Mal seit 1934 jubelten die Rechtsextremen auf einschlägigen Internetseiten. Denn die Organisation, die nach dem Vorbild der spanischen Falange ins Leben gerufen wurde, war drei Monate nach ihrer Gründung aufgrund ihrer Gewalttätigkeit wieder verboten worden.

Die ONR war eine der vielen Bewegungen der Nationaldemokraten unter Roman Dmowski, der den Vielvölkerstaat Polen in einen monoethnische katholische Gesellschaft umwandeln wollte. Zielscheibe verbaler wie körperlicher Angriffe war oft die jüdische Bevölkerung, der die ONR und ihre illegalen Nachfolgeorganisationen den Zugang zu Universitäten verweigern wollte.