China: Ethnischer Konflikt vertieft sich, Ausgangssperre für Urumqi

Nach den gewalttätigen Unruhen, bei denen 156 Menschen starben, verhängt China eine Informationsblockade, während nun die Han-Chinesen in Urumqi gewaltsam gegen Uiguren vorgehen

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Nach Berichten der staatlichen Medien gingen die Unruhen in Urumqi (Ürümqi, Urumtschi), der Hauptstadt der Ressourcen reichen Provinz Xinjiang im Nordwesten Chinas, auch am Dienstag weiter. Die Rede ist von den "tödlichsten Unruhen seit 1949", bei denen 156 Menschen getötet und 1000 verletzt worden seien. Insgesamt 1434 Personen wurden festgenommen. Nach den zirkulierenden Bildern zu schließen, wurden zahlreiche Häuser, Geschäfte und Fahrzeuge zerstört. Man werde diejenigen, die keine Straftat begangen haben, freilassen, aber weiter nach noch flüchtigen Tätern suchen. Heute gingen, wie Xinhua berichtet, mehrere Tausend Han-Chinesen mit Messern und Stöcken auf die Straßen, es sollen aber auch weitere Angriffe von Uiguren auf Chinesen erfolgt sein.

Aufnahme des chinesischen Fernsehens vom 5. Juli in Urumqi

Am Sonntag waren die Gewalttätigkeiten ausgebrochen, nachdem die Polizei versuchte, eine bis dahin angeblich friedliche Demonstration von Uiguren, die nahezu die Hälfte der Bevölkerung stellen, aufzulösen. Die staatlichen Medien sprechen allerdings davon, dass zuerst aus der Menge heraus Passanten mit Stöcken und Steinen angegriffen, Autos in Brand gesetzt und Geschäfte verwüstet wurden, weswegen die Polizei anrücken musste.

Nach den staatlichen Medien sind vorwiegend Han-Chinesen verletzt und getötet worden. Sie wurden von der Regierung in den letzten Jahrzehnten in der Provinz angesiedelt, um diese stärker an das System in Peking zu binden, was aber zu starken ethnischen Konflikten und Diskriminierungen führte, die sich jetzt bei den Unruhen entluden. Die Uiguren beanspruchen die Provinz für sich und wollen sich von China unabhängig machen. Ähnlich wie in anderen Konfliktgebieten wird der Widerstand auch gewaltsam geführt und haben sich Uiguren der islamistischen Ideologie angeschlossen. In der boomenden 2-Millionen-Stadt Urumqi leben hauptsächlich Han-Chinesen, die Uiguren leben in slumartigen Vorgebieten oder außerhalb des Zentrums. Profitieren von dem dank der Bodenschätze seit Jahren herrschenden Wirtschaftsbooms konnten vor allem die Han-Chinesen.

Karte von den Orten, an denen sich die Unruhen am 5. Juli abspielten.

Offenbar organisiert über das Internet hatten sich einige hundert Menschen versammelt, um mit einem Protestmarsch von der chinesischen Regierung zu fordern, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen, die in der südlichen Provinz Guangdong zwei uigurische Wanderarbeiter getötet und mehr als hundert verletzt hatten. Anlass war, dass ein Arbeiter über das Internet die Falschmeldung verbreitet hatte, dass Uiguren zwei chinesische Frauen vergewaltigt hätten. Auch auf Videos lässt sich sehen, wie der Mob von Han-Chinesen dann Jagd auf die Uiguren machte.

Foto eines Opfers der Unruhen von der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua

Aufgrund der Unruhen hat nun die chinesische Polizei 15 Personen in Shaoguan festgenommen, darunter auch 3 Uiguren. 13 sollen an den Gewalttaten beteiligt gewesen sein, 2 wurden verhaftet, weil sie Gerüchte über die Vergewaltigungen über das Internet verbreitet hatten. Offenbar besteht Sorge, dass die ethnischen Konflikte auch in anderen Teilen des Landes ausbrechen könnten. Man werde weiterhin uigurische Wanderarbeitern Arbeitsmöglichkeiten bieten. Beobachter sprechen von einer neuen Dimension ethnischer Konflikte, die im ganzen Land ausbrechen können. Opfer des Mobangriffs in Shaoguan werden von den staatlichen Medien so zitiert, dass sie die Gewalt in ihrer Heimat verurteilen. Ihre Wunden würden nur als Rechtfertigung neuer Gewalt dienen, versuchen die staatlichen Medien den Konflikt zu dämpfen.

Foto von Opfern der Unruhen von der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua

Die chinesische Regierung hat am Dienstag gestattet, dass ein Konvoi von gewissermaßen "eingebetteten" Journalisten Urumqi besuchen konnte. Verhindert werden konnte erst einmal nicht, dass sich eine Gruppe von mehreren hundert uigurischen Frauen und Kindern den Journalisten und ihren Begleitern näherte und die Freilassung der Verhafteten verlangten. Zwei Polizisten wurden bedrängt, dann rückten mehrere Hundertschaften bewaffneter Polizeieinheiten mit Wasserwerfern an. Polizisten sagten den ausländischen Journalisten, dass 100 Han-Chinesen getötet worden seien. Warum sie darüber nichts berichten?

In China wurde der Zugang zu den Online-Ausgaben der Zeitungen im Inland, aber anscheinend auch vom Ausland blockiert, die wie die Xinjiang Daily in der Provinz Xinjiang erscheinen. Überdies wurde das Internet in Teilen von Urumqi abgeschaltet, berichten staatliche Medien, um die Unruhen zu unterdrücken und deren Verbreitung zu verhindern. So gibt es keine öffentliche Diskussion über die Vorgänge im Internet. Die Journalistin Josie Liu schreibt in ihrem Blog, dass Baidu.com, die größte chinesische Suchmaschine, die Webforen für Xinjiang and Urumqi vorübergehend aufgrund "entsprechender Gesetze und Regulierungen" geschlossen habe. Die Nutzer würden die Sperren aber hier und auf anderen Websites umgehen und aktuelle Kommentare zu den Vorfällen in der Provinz an alte Threads anhängen. Allerdings würden auch hier die Zensoren schnell zuschlagen und die Einträge wieder löschen. Sie würden meist von Menschen außerhalb der Provinz stammen, also keine Informationen aus der Provinz oder der Hauptstadt mitteilen.

Aufnahme des chinesischen Fernsehens vom 5. Juli in Urumqi

Melissa K. Chan von al-Dschasira berichtet über Twitter, dass es für die Journalisten in Urumqi nur einen Raum in einem Hotel gab, in dem sie das Internet benutzen konnten. Im Pressezentrum gab es weder Internet noch Telefon. Sie schicke SMS an einen Freund in Peking, der dann ihre Texte twittert.

Die "eingebetteten" Journalisten hätten sich zwar frei in Urumqi bewegen können, aber Krankenhäuser seien beispielsweise von Polizei abgeschirmt worden. Auch sie berichtet von den protestierenden uigurischen Frauen und von einigen Steine werfenden Männern. Während die Journalisten in die Busse zurückgedrängt wurden, seien die Polizisten mit Rottweiler-Hunden und gezogenen Waffen gegen die Protestierenden vorgegangen. Angeblich würde es Proteste an mehreren Orten in Urumqi geben. Einige hundert Han-Chinesen würden die Straße entlang in Richtung eines uigurischen Wohnviertels marschieren, ausgerüstet mit Stöcken und Messern, die Nationalhymne singend, berichtet sie. Es seien meist Männer, die die Polizeilinien durchbrechen wollen.

Jetzt gebe es "kein Richtig und Falsch mehr", sondern nur noch uigurische und Han-chinensische "Verteidiger". Ein Chinese habe ihren Fahrer im Auto mit einem Stock angegriffen. Über die Stadt sei das Kriegsrecht verhängt worden, Xinhua berichtet, das für heute Nacht eine Ausgangssperre verhängt wurde.. Auch die BBC berichtet von hunderten Han-Chinesen, die Scheiben von uigurischen Geschäften einschmissen und Uiguren angriffen. Die Polizei versucht, die aufgebrachten Gruppen zu trennen.

Man hält weiter daran fest, dass hinter den Unruhen die oppositionelle Auslandsorganisation des Weltuigurenkongresses stehe, der über das Internet diese gesteuert habe. Man habe Beweise, dass Rebiya Kadeer, dessen Vorsitzende, mit uigurischen Gruppen im Lande telefoniert habe. Sie wird mittlerweile als die uigurische Variante des Dalai Lama vorgestellt. Die chinesischen Medien verweisen auf die Ähnlichkeiten zwischen den Unruhen in Tibet vor den Olympschen Spielen und denen jetzt in Urumqi.

Kadeer wirft den islamischen Ländern vor, zu den Vorfällen zu schweigen. Viele der Nachbarländer hätten Uiguren, die wegen der politischen Verfolgung flüchten mussten, wieder deportiert. Wenn sie nach China abgeschoben wurden, seien sie entweder getötet oder eingesperrt worden. Die mangelnde Handlungsbereitschaft der muslimischen Staaten habe zum Erfolg der chinesischen Propaganda beigetragen. Die Uiguren seien an sich sehr moderne und prowestliche Muslime.